Ticketverkauf:Zähneklappern in den Kiosken

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Große Gewinne hat der Fahrkartenverkauf für die öffentlichen Verkehrsmittel den Kioskbetreibern noch nie eingebracht. Nun sorgt ein neuer Vertrag für Unmut, der den Kleinunternehmern mehr Fixkosten bei geringerer Provision beschert. Einige wehren sich mit Boykott, andere stecken in der MVG-Zwangsjacke.

Katharina Böhringer

"Das ist eine Schande für München", ärgert sich Sabine Eggert vom Kiosk am Karlsplatz, "die haben sich mit uns jahrelang eine Servicestelle gespart - und jetzt das." Seit 1972 verkauft Eggerts Betrieb in der Fußgängerzone neben Postkarten, Zeitungen und Souvenirs Fahrkarten. Die Beratung gab es kostenlos dazu.

Wenn eine ältere Dame nicht wusste, wie sie am besten zu ihrem Enkel nach Pasing kommt, oder umherirrende Touristen den Weg zum Olympiazentrum wissen wollten - an den Kiosken fanden sie bislang individuellen Service. Doch Eggert wird das Angebot einstellen. Auch Heiner von Hausen wird an seinem Stand in der Weinstraße bald keine Tickets mehr verkaufen: "Wenn wir Glück haben, kämen wir mit den neuen Verträgen bei Null raus, und da hat unser Steuerberater abgeraten."

Was die Gemüter der Kioskbetreiber vor allem erhitzt, ist ein Wertmarkendrucker, den die meisten von ihnen nur "die Maschine" nennen. Das Gerät erfasst sämtliche Verkäufe am Kiosk und bucht diese sofort online ab. Zusätzlich liefert es Informationen rund um U- und S-Bahn, welche die Verkäufer an ihre Kunden weitergeben sollen. Auch das Angebot an Fahrkarten soll damit erweitert werden können. Bislang stellte die MVG das Gerät kostenlos zur Verfügung.

Konditionen werden "den Erfordernissen" angepasst

Das Nachfolge-Modell ist nicht nur wesentlich größer - und stellt viele Betreiber damit vor ein erhebliches Platzproblem -, sondern erfordert zusätzlich eine "Nutzungspauschale" von 160 Euro. "Dafür stellen wir den Verkaufsstellen aber auch eine neue Generation der Verkaufstechnik zur Verfügung, die den Verkauf schneller, einfacher und fälschungssicherer macht und die auch für die Fahrgäste einige Vorteile bietet", begründet Reiner Herwig, MVG-Vertriebsleiter, den Mietpreis.

Die Kosten für den ISDN-Anschluss muss ebenfalls der Inhaber finanzieren. Auch das Provisionssystem wird "vereinheitlicht". Zuvor waren die Provisionen für Bartarif und Zeitkarten unterschiedlich. Für die Betreiber bedeutet dies im Klartext Einbußen: 2,8 Prozent verdienen sie dann noch pro Karte. Entgegen den Gesetzen der freien Marktwirtschaft steigt die Provision jedoch nicht mit dem Gewinn: Ab 40000 Euro Umsatz beträgt die Vergütung nur noch 2,4 Prozent. Den sinkenden Erträgen aus dem Kartenverkauf stehen für die Betreiber einige Fixkosten gegenüber: Internetgebühren, Strom- und Lohnkosten sowie Kontoführungsgebühren.

Herwig erklärt die Beweggründe für das neue System: "Die Vertriebskosten der Zeitkarten beispielsweise liegen bei den Verkaufsstellen annähernd doppelt so hoch wie beim Verkauf über die Zeitkartenautomaten. Diese Differenz zu Lasten der Kunden werden wir mit den neuen Verträgen etwas reduzieren." Die Konditionen würden also lediglich "den Erfordernissen" angepasst.

"Wir machen notgedrungen weiter"

Die Kioskbetreiber vermuten Kalkül hinter der MVG-Offensive: "Die wollen uns doch loswerden und nur noch über Automaten und Abos verkaufen. Die Maschine kann sich doch keiner von uns leisten", mutmaßt von Hausen. Damit liegen sie gar nicht mal so falsch. MVG-Pressesprecherin Bettina Hess hält zwar dagegen und beteuert, "niemanden vergraulen" zu wollen, doch macht das Unternehmen aus seiner Präferenz für den Automaten- und Aboverkauf als billigste Verkaufsalternative keinen Hehl. Die Vertriebskosten müssten schließlich vollständig aus dem Ticketverkauf gedeckt werden, der Kunde trage also die Kosten.

Den Kartenverkauf einfach einstellen würden am liebsten auch die anderen Kioske. "Wir machen notgedrungen weiter", heißt es beim Kiosk Huscher an der Münchner Freiheit. Notgedrungen deshalb, weil die meisten Kioske an den U-Bahnhöfen ihre Pachtverträge direkt mit der MVG abschließen. Darin verpflichtet eine Klausel zum Ticketservice.

Andere nehmen die Einbußen zähneknirschend in Kauf, weil sie fürchten, dass sonst die Kunden ausbleiben. Karl-Heinz Reichenberger vom Kiosk an der Utzbergerstraße ist ebenfalls erbost: "Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu unterschreiben. Es geht schließlich um die Kundenzufriedenheit."

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