Therapie:Mit Kajal gegen Krebs

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Mit Krebs müssen Betroffene leben lernen. "Look good...feel better", heisst es in Amerika. Münchner Tumor-Patientinnen lernen, die Folgen der Krankheit mit Schminke zu bekämpfen.

Kathrin Zeilmann

Nach eineinhalb Stunden sind die Gespräche fröhlich, die Gesichter strahlen, Sorgen und Traurigkeit sind, wenigstens für eine Weile, vergessen.

Wer Krebs hat, kann lernen, die Merkmale der Erkrankung zu kaschieren. (Foto: Foto: AFP)

Die acht Frauen, die im Klinikum München-Schwabing um einen Tisch sitzen, sind an Krebs erkrankt. Durch die Chemotherapie haben sie ihre Haare verloren, zuweilen sind ihnen sogar die Haare an den Augenbrauen und den Wimpern ausgefallen, auch die Haut wirkt brüchig. Doch gerade eben haben sie geübt, wie diese äußeren Merkmale ihrer Erkrankung zu kaschieren sind.

Seit dem Jahr 1995 bietet die DKMS Life, eine Schwesterorganisation der Deutschen Knochenmarkspenderdatei, Kosmetikseminare für Krebspatientinnen an. Rund 52 000 Frauen haben auf diese Weise bisher gelernt, wie ein wenig Rouge auf den Wangen den Teint strahlender macht und wie die Augen mit dem Kajalstift ausdrucksstark ummalt werden können.

Belastende Therapie

Puderquasten, Lippenstifte und Cremetöpfchen sind auf dem Tisch verteilt - man könnte meinen, eine an Krebs erkrankte Frau hätte andere Sorgen als die richtige Auswahl an Kosmetika.

Aber gerade darum geht es: Die Seminare sollen, wenigsten für eine gewisse Zeit, von den Nöten und Problemen der Krankheit ablenken, sagt Eva-Maria Grischke, Leiterin der Frauenklinik im Schwabinger Krankenhaus. "Die Patientinnen sollen ein positives Körpergefühl entwickeln. Auch in dieser schwierigen Situation ist man ein vollwertiger Mensch."

Die Chemotherapie und die damit verbundenen Nebenwirkungen schränkten die Lebensqualität sehr ein. "Vor allem Frauen leiden unter dem Haarausfall. Und das ist doch schon sehr belastend, die Frauen fühlen sich minderwertig."

Am Anfang der Seminare seien die Patientinnen meist noch recht zurückhaltend, doch am Ende eines solchen Nachmittags gebe es durchweg positive Rückmeldungen, berichtet Eva-Maria Grischke. "So ein Kurs bestärkt die Patientinnen."

Tatsächlich: Die acht Frauen betrachten die Kosmetikprodukte zunächst voller Zurückhaltung, vereinzelt sogar mit Skepsis. Die beiden Kursleiterinnen, die Kosmetikerinnen Meike Worgull und Franziska Biron, wollen einfühlsam und doch locker sein.

"Am Anfang hatte ich große Bedenken, ob ich die richtige Tonlage finde, ob ich auf die Frauen auch eingehen kann", gesteht Biron. "Wenn ich ein bisschen besser aussehe, fühle ich mich auch besser", sagt ihre Kollegin Worgull zu den Frauen, die vorsichtig an der Cremedose schnuppern und die Lippenstiftfarbe mustern.

"Look good...feel better"

Doch bald legen sie ihre Scheu ab: "Gut sieht das aus", machen sie sich gegenseitig Komplimente, als die Augen geschminkt sind. Sie vergleichen Farbtöne und Schminktechniken, lauschen aufmerksam den Ratschlägen der Expertinnen.

Die Patientinnen werden nicht geschminkt, sondern sollen Farbe und Pflegemittel selbst auftragen, "schließlich sollen sie sich ja auch zu Hause schminken können und so ihre Lebensqualität trotz Krankheit verbessern", erklärt Kosmetikerin Worgull.

"Ich konnte viele Tipps mitnehmen, die das Leben wirklich erleichtern", sagt eine 53 Jahre alte Patientin, deren Haare nach der Chemotherapie gerade langsam wieder nachzuwachsen beginnen. Von den beiden Kosmetikerinnen lernen die Frauen, wie man den Haarausfall mit einem Tuch statt mit einer Perücke kaschieren kann, welche Ohrringe besonders gut dazu passen und wie man eine Augenbraue nachmalen kann, ohne dass das Gesicht allzu maskenhaft wirkt.

Das Projekt der DKMS Life habe ein US-amerikanisches Vorbild, sagt Sprecherin Rose Krüger. In den USA heiße es "Look good...feel better". "Mit dieser Hilfe zur Selbsthilfe wird das Selbstwertgefühl gestärkt, das auch den Heilungsprozess fördert." Bisher wurden in Deutschland 5380 kostenlosen Kurse angeboten, 760 Krankenhäuser, Beratungsstellen und andere soziale und medizinische Einrichtungen haben sich daran beteiligt. Die Produkte werden von Kosmetikfirmen zur Verfügung gestellt.

© SZ vom 27.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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