Theaterkritik:Ein mystisch gerauntes Gagrora - und alles wird gut

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Arbeitslose Schauspieler führen "Ganz groß raus" auf - eine Komödie über Arbeitslosigkeit, gefördert vom Arbeitsamt. Die Aufführung hat witzige Ansätze, aber auch einige Schwachpunkte.

Wie Tiere im Käfig - oder Besucher eines Selbstfindungsseminars bei ihren Lockerungs- und Meditationsübungen. So wirken die fünf Figuren, die zu Beginn des Stückes auf der Bühne zu sehen sind. Eine junge Frau wippt vor und zurück, ein Mann hat die Hände gefaltet, ein anderer tigert hin und her. Das passt zum Thema. "Ganz groß raus" ist ein Stück über die Demütigungen, die Arbeitslosigkeit mit sich bringt, und über fünf Verzweifelte, denen das Arbeitsamt ein Weiterbildungs-Seminar verordnet.

Zwischen Witz und Platitude

Das Stück, das die Regisseurin Ute Dukat und der Autor Udo Franziszi geschrieben haben, hat vielversprechende Momente. Die Szene, in der die Seminarleiterin in rosanem Anzug auf die Bühne stürmt und wie eine Mischung aus Margaret Thatcher und schlechter Animateurin ein Lied über die angebliche Unfähigkeit Arbeitsloser singt, lässt eine schwarze, bissige Komödie erwarten. Witzig ist auch das Faible der Dame in rosa für kryptische Abkürzungen. Den Kursteilnehmern rät sie, zur Stärkung des Selbstbewusstseins vor jedem öffentlichen Auftritt "Gagrora" mystisch vor sich hinzuraunen - kurz für ganz groß raus.

Leider hält das Stück nicht durchgehend, was es verspricht. Einmal gleitet es in Platituden mit xenophobem Beigeschmack ab, als eine der Figuren bemerkt, dass jetzt ein Inder ihren Arbeitsplatz habe. Außerdem entpuppen sich die Figuren trotz der persönlichen Geschichten, die sie am Anfang erzählen, als Klischees: Der verbitterte Zyniker, dessen Geschichte erwartungsgemäß endet, die motivierte, aber unsichere junge Frau, der brave Bürospießer und die zackig-militärische Seminarleiterin, die allen zwanghaften Optimismus einimpfen will und nur an einer Stelle etwas menschlicher und komplexer erscheint.

Verkrampftes Lächeln und selbstmitleidige Blicke

So angelegte Charaktere lassen kaum Raum für facettenreiches Spiel. Es spricht für die Darsteller, dass sie dennoch gute schauspielerische Leistungen erbringen. Zum Beispiel das wunderbar verkrampfte Lächeln von Esther Urbanski alias Lilly Holzmann, als die Kursleiterin mit ihren Schützlingen selbstbewusstes Auftreten vor der Kamera übt. Eine Schauspielerin, die Lampenfieber spielt - das hat einen besonderen Reiz. Sehenswert auch, wie David Berlin in der Rolle des Marc Schneider die Seminarleiterin parodiert, oder in kurzer Zeit von einem cholerischen Anfall zu selbstmitleidig-tragischen Blicken wechselt.

Originell ist das Bühnenbild. Die Bühne selbst ist als Seminartisch konzipiert, um den rosafarbene Stühle aufgereiht sind. In einer mit Folie bespannten Wand spiegeln sich nicht nur die Schauspieler, sondern auch das Publikum - passend zu einem weiteren starken Punkt der Inszenierung: Die Seminarleiterin ist die meiste Zeit nicht den anderen Schauspielern, sondern dem Publikum zugewandt und bezieht es so unmittelbar mit ein.

Trotz aller Schwächen der Aufführung: Manche, die schon mal an Seminaren zu Bewerbungsgesprächen oder zur Persönlichkeitsbildung teilgenommen haben, werden in der rosaroten, von Floskeln geprägten Welt der Kursleiterin in der Komödie viel Wahres entdecken.

Weitere Aufführungen: 30./31. Oktober, 20 Uhr, Kranhalle 5. bis 9. November, 20 Uhr, Vollmarhaus Theater

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