Theater: Heut' Nacht:Überraschungsei

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Mit der Koproduktion "Theater: Heut Nacht" haben das Jugendtheater Schauburg und die Stiftung kids4kids ein dickes Ei gelegt: Spiel und Spaß zu einem guten Zweck.

Agnes Fazekas

Der letzte Dialog des Abends verklingt noch im Dunkeln, Applaus ertönt und brandet wieder ab. Das Stück ist zu Ende, doch das eigentliche Theater beginnt erst. Nachdem der Nachtpförtner seinen Rundgang beendet hat, können die Theatergeister die Bühne endlich so nutzen, wie sie wollen.

Im Red Devil's Cabaret geht es schaurig-unterhaltsam und zugleich rotzig-frech zu. (Foto: Foto: Schauburg/oh)

Gestern Abend fand im Jugendtheater Schauburg eine ungewöhnliche Premiere statt: Kinder auf der Bühne und nicht wenig Erwachsene im Publikum. Der Saal war voll und die Nachwuchstalente um die bekannte Opern- und Musicalsängerin Talia Refeld konnten sich zu Gunsten der kids4kids-World-Foundation in der Uraufführung von "Theater: Heut' Nacht" austoben. Die gemeinnützige Stiftung soll das Verantwortungsbewusstsein junger Darsteller für Gleichaltrige schärfen, deren Leben weniger glücklich begonnen hat. Während die mitwirkenden Kinder und Jugendlichen professionell für die Bühne geschult werden, kommen die Einnahmen der Musiktherapie für traumatisierte Kinder zu Gute.

"Heut' Nacht" spielen sie die Geister der Bühnen-Klassiker, die nach der Aufführung nicht einfach abtreten können, sondern seit 150 Jahren zum Inventar des Theaters gehören. Doch wenn der Vorhang abends fällt, ist endlich Zeit für eigene Inszenierungen, für Rollentausch, Modernes und ganz Altes: "Showtime" eben. Das Dienstmädchen Toinette, das sich in Molières Komödie mit dem "Eingebildeten Kranken" herumschlagen muss, will eigentlich viel lieber große Opern singen und bekommt ihren Auftritt in Mozarts Figaro, an der Harfe begleitet vom Luftgeist Ariel. Shakespeares buckliger Richard III. möchte einmal den verführerischen Jüngling geben. Die koboldigen Pucks sind die einzigen Geister, die sich keine andere Rolle wünschen. Nur niemals erwachsen werden, singt der elfjährige Leopold Nüßl in klarem Englisch.

Zum Sterben schöner Spaß

In einer Neuinterpretation des Sommernachtstraums wird Hamlet zum Demetrius und Toinette spielt die Helena. Die beiden Pucks sind ganz in ihrem Element: "Wenn dann zwei um eine werben, ist der Spaß schon fast zum Sterben" und verwirren die Leidenschaft der alten Griechen mit einer Zauberblume. Zwischen den Szenen fallen die Geister in ihre alten Rollen zurück: Richard III. geht, um Clarence zu töten und Hamlet wandelt als Running Gag mit seinem Totenkopf umher - persifliert von den zwei Pucks.

Mephisto hat seinen großen Auftritt in der Souffleusen-Luke und freut sich über Patzer und Ungeprobtes, flüstert der Primaballerina, die so gerne steppen möchte, Komplexe ein und hadert schließlich selbst in einem Musical-Song mit seinem Schicksal als gefallener Engel. Wassernixe Undine möchte viel lieber durch die Luft geistern wie Ariel oder breakdancen und überhaupt sollen alle nach ihrem Motto tanzen, zumindestens die Mathelehrerin. Die heitere Prinzessin im schwingenden Reifrock will "Heut' Nacht" nicht niedlich sein und lockt als Hexe erst Hänsel und Gretel, um schon wenig später als Eliza Doolittle (My fair Lady) in schnodderiger Mundart herumzualbern.

Man versteht jedes Wort der jungen Schauspieler - ob gesprochen oder gesungen, deutsch oder englisch. Luftig-leicht springen sie durch Gattungen und Stilrichtungen, ohne dabei die aufwendigen Choreographien zu vergessen. Die Zank-Performance der vier Shakespeare-Griechen stellt alle Film-Stunts in den Schatten und die Ariel-Darstellerin auf der Harfe beeindruckt mindestens so sehr, wie der Sax-Puck im Frack mit seinen melancholischen Einlagen rührt.

Da schlägt die Uhr und der Pförtner (Thalia Refeld) begibt sich wieder auf seinen Rundgang. Die Geister erstarren in Pantomime und der Nachtwächter entdeckt seine eigene Bühnenpräsenz: Er schmettert eine Opernarie, dass den Theatergestalten die Luft wegbleibt.

Dschungelbuch, rotzige Chansons und A Capella-Hiphop

Aber jetzt ist die Stunde des Teufels gekommen und der wünscht sich Varieté und Kabarett. In seinem verruchten Nachtclub treten Chansonette Dominique (aka Königin), die Gräfin als verführerisch singende Dschungelbuch-Schlange Kaa und ein Zauberer aus Transsilvanien auf die Bühne. Dieser kann nicht nur im Takt der Musik jonglieren, sondern auch noch eine Beatbox imitieren zur sexy Hip-Hop-Show der Mädels.

Der phantasievolle Mix aus frechen Tanzeinlagen, Oper, Musical, Kabarett und Anspielungen auf die klassische Bühnenliteratur zieht die Zuschauer sofort hinein in einen Strudel aus Szenenwechseln, Stimmungen und Theatergeschichte. Deswegen bleibt das Gefühl, sich in einer etwas aufdringlichen Talentshow zu befinden, auch nur einen kurzen Augenblick. Ganz im Sinne von SchauBurg-Intendant George Podt: Der will mit diesem Projekt nicht nur die Begabung der Jungschauspieler fördern, sondern heißt vor allem gut, dass die Jugendlichen - abseits von Superstargedanken - ihr Talent einsetzen, um anderen zu helfen..

Auch wenn die Anspielungen und englischen Texte an sehr jungem Publikum vorbei gehen dürften und in einer kurzen Szene aus der Dreigroschenoper die Huren huren und Mackie Messer mordet und schändet und auch die jugendliche Leidenschaft aus dem Sommernachtstraum recht überzeugend wirkt, scheinen sich die Kinder im Publikum bestens zu unterhalten. Kein Wunder, ein Gag jagt den nächsten, die Prinzessin und die Gräfin hauen einen Ragtime in Rekordzeit in die Tasten, die fünfzehn Darsteller bombardieren sich mit witzigen Dialogen und immer wieder erscheinen alle gemeinsam auf der Bühne, um in Musical-Manier zu tanzen und zu singen.

Schließlich schlurft der Pförtner ein letztes Mal über die Bretter und lamentiert über die Knechtschaft der Uhr: "Ich will Zeiten ohne Zeit". Währenddessen ziehen sich die zeitlosen Theatergeister in ihre Schlupfwinkel zurück. Der Vorhang fällt, doch die Darsteller scheinen noch immer nicht genug zu haben. Hamlet lässt endlich seinen Totenkopf fallen, als die Königin sagt: "Ich auch". Und erst jetzt - nach fast zwei Stunden sehr unterhaltsamen Musiktheaters - bläst Puck mit etwas Sternenstaub endgültig das Licht aus.

Standing Ovations

Zweimal müssen die Darsteller noch Zugaben singen. Und mit Standing Ovations zeigen sich die Zuschauer begeistert über das temperamentvolle Theater. Buch und Regie stammt von Schauspielpädagogin Gisela Maria Schmitz. Christoph Weinhart und Talia Refeld ergänzten die Musik von Gershwin, Mozart, Flaherty oder Brahms mit eigenen Kompositionen. Für die phantasievollen Kostüme und das schlichte Bühnenbild - die Bühne ist schließlich genug Kulisse für die Theatergeister - ist Hannah Albrecht zuständig, während Lena Vieweg die komplexen Choreographien mit den Kindern einstudierte. Neben der Bühne unterstützt ein Drei-Mann-Orchester die jungen Stimmen.

Wer jetzt neugierig geworden ist, sollte sich beeilen: "Theater: Heut' Nacht" wird nur noch dieses Wochenende in der SchauBurg zu sehen sein. Am 5. und 6. Dezember jeweils um 19 Uhr und am Sonntag jeweils um 11 und um 16 Uhr. Ab 9 Jahren, die Karten kosten für Kinder 12,50 Euro, für Erwachsene 25 Euro und können unter 089/23337155 bestellt werden.

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