Theater auf dem Friedhof:Spiel mir das Lied vom Tod

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Die Münchner Friedhöfe wollen sich stärker den Lebenden öffnen. Beim Mysterienspiel "Die Kathrina" im Krematorium im Ostfriedhof war Gruseln garantiert.

Beate Wild

In der prächtigen Aussegnungshalle mit den großen Marmorsäulen haben sich etwa 50 Menschen versammelt. Ein Geruch von Weihrauch liegt in der Luft, auf dem Boden steht ein Lichtermeer aus Kerzen. Vor einer großen Kiste, die mit einem schwarzen Tuch verdeckt ist, steht eine junge, ebenfalls schwarz gekleidete Frau. Es ist ganz still, man spürt die Beklemmung. Dann fängt die Frau in Schwarz leise an, Gebete zu murmeln.

Die Theaterkünstlerin Lissie A. Poetter bei ihrer Darbietung im Krematorium im Ostfriedhof. (Foto: Foto: Robert Haas)

Die Szene, die sich hier im Krematorium im Münchner Ostfriedhof abspielt, ist keine Trauerfeier. Was der Besucher am Freitagabend in den Friedhofsgebäuden erleben durfte, war das Mysterienspiel "Die Kathrina".

Für die Darbietung der Theaterkünstlerin Lissie A. Poetter öffnete die Friedhofsverwaltung erstmals die Trauerhalle eines Friedhofes für eine kulturelle Veranstaltung. "Wir wollen das Thema Tod stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung rücken", sagt Kriemhild Pöllath-Schwarz, die Leiterein der Friedhofsverwaltung.

Und um die Lebenden stärker an den unausweichlichen Tod heranzuführen, trägt Poetter Sprüche, Märchen, Lieder und Gedichte vor. Sie bemüht Shakespeare ("Sein oder nicht sein, das ist die Frage") ebenso wie Rilke und Hesse. Sie erzählt Geschichten und gibt Denkanstöße ("Ist das Leben nichts anderes als das Verbrennen einer Kerze") und nennt Zahlen von Verstorben, die etwa die Krankheiten Krebs (jährlich 7,6 Millionen Menschen weltweit) oder Aids (bis heute 25 Millionen weltweit) hinweggerafft haben.

Mit einem Akkordeon spielt Poetter bewegende Melodien und singt dazu in allen möglichen Sprachen. Sie trägt ein stilisiertes Skelett herum, in einer Szene bekleidet sie es mit einem Brautkleid und erzählt dazu die Geschichte eines ertrunkenen Mädchens.

Düster und erschreckend hört sich das an. Es läuft einem unweigerlich ein Schauer über den Rücken. Das Mysterienspiel ist nichts für sensible Seelen und nicht zu empfehlen für Leute, die erst kürzlich einen lieben Menschen verloren haben. Doch bei all dieser Konfrontation mit dem Tod gibt einem die Darbietung von Poetter auch das Gefühl, mit der ganzen Welt das gleiche Schicksal zu teilen. Und das wiederum fühlt sich irgendwie beruhigend an. Die Künstlerin selbst will niemanden deprimieren mit ihrer Vorstellung: "Wie im Leben auch, löst die Lebensfreude die Trauer ab und schöne Erinnerung den Schmerz", sagt die 35-Jährige.

Die Menschen in der heutigen Zeit würden den Tod einfach ausblenden, bis es dann soweit sei, sagt Pöllath-Schwarz. Wer sich mit dem Ableben schon vorher beschäftige, könne einen Schicksalsschlag besser verkraften.

Die Münchner Friedhöfe bieten deshalb außer dem Mysterienspiel "Die Kathrina", das im Herbst wiederholt werden soll, regelmäßig Friedhofsgespräche mit dem Theologen Anton Aschenbrenner an, bei denen es um Abschied nehmen, Friedhofkultur und Daseinsentwürfe geht. Der nächste Termin hierfür ist im Westfriedhof am 18. Juni, 17 Uhr.

Aber auch Menschen, die weniger über den Tod sprechen und sich einfach nur die schönen alten Grabstätten ansehen wollen, sind der Friedhofsverwaltung willkommen. Regelmäßig gibt es kostenlose Führungen über die letzten Ruhestätten der Stadt. "Für uns ist es wichtig, dass der Ort Friedhof wieder als Ort der Trauer wahrgenommen wird", sagt die Friedhofschefin.

Weitere Informationen unter www.muenchen.de/friedhof

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