Telekom will Callcenter schließen:Kampf um Standort

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Mitarbeiter des Münchner Telekom-Callcenters protestieren gegen die Schließung. Die Gewerkschaft hält die Verlagerung der Jobs für unzumutbar.

Michael Tibudd

Die Mitarbeiter des Münchner Telekom-Callcenters kämpfen um den Erhalt ihres Standorts. Am Freitagmittag versammelten sich etwa 200 Angestellte vor dem Telekom-Gebäude in Berg am Laim zu einer Protestkundgebung. Bürgermeister Hep Monatzeder forderte den Telekom-Vorstand in einem Brief auf, die Entscheidung zu überdenken.

Callcenter-Mitarbeiter protestieren an der Dingolfinger Straße. (Foto: Foto: Heddergott)

Nach den Plänen der Telekom soll auch das Münchner Callcenter geschlossen werden, die 438 Arbeitsplätze sollen auf die Standorte Traunstein, Augsburg und Kempten verteilt werden (die SZ berichtete). In der Darstellung des Unternehmens werde jedem Mitarbeiter eine zumutbare Alternative angeboten. Aus Sicht von Betriebsrat Manfred Kellermann ist dies allerdings "Scheinheiligkeit und Heuchelei".

Das Unternehmen halte zwei Stunden Fahrtzeit für die Mitarbeiter für zumutbar, "aber die rechnen von Bahnhof zu Bahnhof". In Wirklichkeit dauere es für viele viel länger. "Das ist der Versuch, die Beschäftigten aus dem Betrieb zu drängen", der Arbeitgeber wisse "sehr wohl, dass viele die Angebote gar nicht annehmen können". Der Münchner Verdi-Sekretär Ernst Edhofer bezeichnete die Telekom-Pläne als reines "Vertreibungsprogramm".

Kritik übte Edhofer auch an der Informationspolitik des Unternehmens. Die Geschäftsführung hatte die Mitarbeiter am Donnerstag mit Bussen ins Arabella-Sheraton-Hotel am Effnerplatz fahren lassen und dort die Entscheiung verkündet. Argumente der Mitarbeiter habe man hingegen nicht anhören wollen. "Ihr seid dabei nicht informiert, ihr seid verarscht worden", sagte Edhofer bei der Kundgebung. Die Telekom müsse wissen: "Wir sind Menschen und lassen uns nicht behandeln wie Kostenfaktoren."

Mehr als dreieinhalb Stunden unterwegs. Einfach.

Was die Entscheidung, den Standort München zu schließen, für einzelne Mitarbeiter bedeutet, zeigt beispielhaft die Situation von Werner Weig. Der 50-Jährige wohnt in Oberaltaich, einem Dorf in der Nähe von Landshut. Am dortigen Telekom-Standort hat er bis 2006 gearbeitet. "Dann hieß es, die kleinen Standorte werden geschlossen." Seitdem pendelt er täglich in mehreren Etappen nach München: Vom Wohnort zunächst im eigenen Auto nach Landshut. Dort trifft er sich mit zwei Kollegen, mit denen er eine Fahrgemeinschaft bildet. Gemeinsam geht es zum Bahnhof Hallbergmoos, wo die drei in die S-Bahn einsteigen und bis zum Leuchtenbergring fahren.

"In Zukunft soll ich nach Augsburg", sagt Weig, der Kunden in Sachen Telefon- und Internetanschluss berät und auch Beschwerden entgegen nimmt. "Dann dauert es noch länger." Eine "Katastrophe" wäre die Schließung für Jochen Schaller. Er ist schwer sehbehindert und deswegen auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Von seinem Wohnort Gündlkofen bei Landshut braucht er jetzt schon mehr als anderthalb Stunden nach München. Nach Traunstein, wo er hinversetzt werden soll, wäre er mehr als dreieinhalb Stunden unterwegs. Einfach.

Vermutete Vertreibungskampagnen

Womöglich gilt Jochen Schaller mit diesen Voraussetzungen als Härtefall. Dann würde ihm die Telekom bis zu 7600 Euro Umzugsbeihilfe bezahlen, wie Unternehmenssprecher Udo Harbers betont. Für Umzugswillige gebe es außerdem Zuschüsse für eine mögliche doppelte Haushaltsführung oder für regelmäßige Heimfahrten. "Das Unternehmen wird mit jedem einzelnen Mitarbeiter im Callcenter sprechen und ihm ein Angebot machen", sagte Sprecher Harbers.

Für die Stadt München verfasste Bürgermeister und OB-Vertreter Hep Monatzeder am Freitag einen Brief an Telekom-Vorstandschef René Obermann. Darin bittet er Obermann, die Entscheidung zu überdenken. So wie Gewerkschafter und Betriebsrat vermutet aber auch Monatzeder: "Die Telekom will, dass die Leute von sich aus kündigen."

© SZ vom 23.08.2008/jh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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