Tee:Britische Zeremonien

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Das Victorian House, ein kleines Teehaus am Viktualienmarkt, versorgt die Anglophilen der Stadt.

Andrea Surkus

Schmuggler-Nester und magische Plätze, zerklüftete Felsküsten und wilde Rosen - Cornwall verzaubere jeden, heißt es. Was nicht zuletzt an der dort gepflegten Tradition liegt, seinen Nachmittagstee mit "Scones" und einer gewaltigen Portion "Clotted Cream" zu nehmen, jener reichen, dicken Sahne, die anglophile Münchner noch in der Erinnerung wohlig erbeben lässt.

Seit vergangenem Oktober können sie ihr Gelüst auch zuhause stillen, gleich am Viktualienmarkt. Als einziges Restaurant der Stadt bringt das Victorian House in der Frauenstraße 14 einen gestandenen "Cream Tea" auf den Tisch, wie man ihn aus den kleinen Teahouses von Padstow, Boscastle oder Fowey kennt.

Die kaum gesüßten Scones kommen mit hausgemachter Erdbeermarmelade. Dazu reichen die drei Inhaber Jonathan Phelps, Tobias Woitzik und Uwe Lindner besagte "Clotted Cream", die sie von einem geheimen Ort in Cornwall beziehen, auf dass man sie mit der Marmelade aufs warme Gebäck streiche, wohlwollend betrachtet von respektablen Damen und Herren auf den Ölporträts an den stuckverzierten Wänden.

Denn, wie Tobias Woitzik flüstert, Gastro-Profi wie seine beiden Kollegen, die sich an Bord des Luxuskreuzers "Queen Elizabeth II" kennen gelernt haben: "Andernorts wird statt Clotted Cream Sahne mit Mascarpone gereicht - das ist, als ob man einen VW mit einem Rolls Royce vergliche!"

Wunder-Sahne und Lady Grey

Zu der Wunder-Sahne wähle man aus 16 Teesorten und schweife im Geiste, begleitet von gedämpftem Geplauder und Silbergabel-Geklirr an den übrigen Tischen, an die kornische Küste, wenn sich auch aus den großen Fenstern der Blick nicht auf malerisch-morbides Fischer-Idyll, sondern auf Frauenstraße und Markt auftut: Darjeeling, Rose Petal oder Taiwan Oolong?

Oder statt des wohl bekannten Earl Grey, benannt nach dem englischen Premierminister von 1830, vielleicht mal die Variante Lady Grey, eine Mischung von Orient-Tees, mit Bergamotte-Öl, Kornblume, Orangen- und Zitronenschale abgerundet?

Wer seine Erinnerung an englische Teehäuser mit ihren auf Ständern thronenden Kuchen auffrischen will, deren Rezepte zuweilen noch auf den legendären Appetit Henry VIII. zurückgehen sollen, nähert sich gemessenen Schrittes der Mahagoni-Theke des Victorian House. Dort thront nicht nur ein gigantischer Champagnerkübel, der beim "Champagner Tea" mit Scones, Clotted Cream, einer Auswahl an Fingersandwiches, Englischem Früchtekuchen und einer Schale Erdbeeren zum Einsatz kommt.

Unter Glasglocken und auf einem Silbertablett duften mit Sahne oder Sauerkraut verfeinerte Schokoladenkuchen, Croissants, Käsekuchen mit Grappa und Zitrone, Muffins, Walnusskreationen mit Zucchini und - ebenfalls aus der hauseigenen Patisserie - der im Glas kredenzte Banoffie Pie aus Mascarpone, Toffee, Vanille, Banane und Keksboden.

Auf ein Glas Portwein

Doch nicht nur zur Teatime empfiehlt sich ein Besuch: Nach dem Konzept kleiner Londoner Boutique-Hotels serviert das Victorian House alles vom Frühstück über Mittagessen und Tee bis hin zum Dinner. So kann man sich zum Frühstück (von halb 10 bis 14 Uhr, sonntags bis 17 Uhr) auf ein Croissant beschränken ("Notting Hill"), sich aber auch das große English Breakfast mit Spiegeleiern, Speck, Bratwurst, Tomaten und Champignons ("St. James") gönnen.

Bei der internationalen warmen Küche (11 bis 21.45 Uhr) seien von der alle zwei Wochen wechselnden Karte Riesengarnelen, Lamm-Karee, Hummerterrine mit Whisky und in Shiraz-Sauce geschmorte Wildhasenkeule genannt.

Oder man kommt einfach auf einen Tee oder Portwein vorbei und träumt sich wieder dorthin, wo die Gischt schäumt und die Geister wohnen.

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