Tanzen:Mein Club!

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Innenansichten der Münchner Szenelokale: Wer sich wo wohlfühlt - Begegnungen mit Gästen, Sound und Licht.

Birgit Ackermann und Florian Rath

Der Abend beginnt mit einer Schlange. Einer langen Schlange vor dem Atomic Café. Es ist Freitag, kurz nach elf Uhr abends, und sehr kalt. Draußen herumstehen macht kein Vergnügen. Trotzdem scheint jeder einen Vor-der-Bescherung-Blick zu haben: Gleich geht es los, gleich sind wir drin und gleich wird's toll.

Stephanie und Florian im Atomic Café (Foto: Brenninger)

Das Bild wiederholt sich später vor der Ersten Liga, dem Muffatcafé und auch vor dem Club Flokati. Wir werden uns diese Nacht um die Ohren schlagen, mit eine paar Fragen im Kopf: Was macht einen guten Club aus? Wie sieht es dort aus? Was schätzt der Stammgast?

23 Uhr. Atomic Café, Neuturmstraße 5. Schön orange ist es hier. Alles im späten Sixties Look, stylish und wie aus einem Barbarella Film oder aus Clockwork Orange. Auch die Frauen, mehrheitlich Mädchen um die 20, sind oft so hübsch wie Schauspielerinnen.

Sie wirken, als hättten sie einen persönlichen Stylisten mit Sitz in London. Die Jungs, Mitte bis Ende 20, sehen aus wie Statisten in einem wilden Musik-Video von Oasis,The Who oder den Sex Pistols.

Wo Anglophilie zelebriert wird

Es gibt zwei Bars; an der großen stehen Stephanie, eine 22-jährige Studentin, und Florian, ein 23-jähriger Student: "Am Freitagabend beim Smart Club mit Marc Liebscher am Plattenspieler wird hier Anglophilie zelebriert. Das trifft unseren Musikgeschmack." Die Musik sei der Hauptgrund, warum man kommt, aber auch "dass man immer Leute trifft, die man lange vom Weggehen kennt.

"Der harte Kern war schon bei den Britpop-Parties im Strom. Und ist vor fünf Jahren ins Atomic umgezogen. Wir sind von Anfang an dabei", sagt Stephanie.

Wir bestellen das Lieblingsgetränk des Publikums: Gin-Tonic zu 7 Euro 20 - und wir sind uns einig, dass das zu teuer ist für einen simplen Longdrink. Flo steigt auf Bier um, weil er höchstens 20 Euro ausgeben will. Steffi wird auf 35 Euro kommen.

"Wenigstens wird dir hier viel geboten: immer eine Band und einen Clubabend in einem. Man weiß, dass Bands, die dort spielen, vielleicht bald ganz groß sein werden - so war das bei Travis oder den Stereophonics", sagt Flo.

Dicht auf dicht

"Und man hört im Atomic Café oft ganz neue Sachen, und die Leute tanzen dann trotzdem, einfach weil es gut ist." Ein Fazit? Es bleibt die Wirkung eines perfekt gemixten Gintonics und das Gefühl, in einem Club gewesen zu sein, in dem Größe, Publikum und Musik passt. Irgendwie ist das ein oranges Gefühl.

24 Uhr. Erste Liga, Hochbrückenstraße 3. Die Treppe führt hinunter in einen langen Keller. Die Decke ist sehr tief. Dicht auf Dicht stehen Jungs und Mädels um die zwanzig, die wirken als ob sie im wahren Leben nur auf Hochglanzpapier anzusehen wären.

Die Bar erstreckt sich mitten im Raum, wird nur durch tonnenartige Tische abgetrennt. Weiter hinten tanzen Leute zu Hip Hop. Die Tanzfläche ist nicht abgesetzt; wie groß sie ist, bestimmen die Leute, die sie durch ihren Tanz dazu machen.

Many, 28 Jahre alt, kommt dreimal pro Woche hierher: "Seit es die Erste Liga gibt, kann man wieder richtig früh in einen guten Club gehen: Um zehn ist der Laden schon voll." Erstaunlich, wie verschieden die Gäste hier sind. "Hier triffst du alle Leute, die diese Stadt jemals musikalisch geprägt haben, dazu das Frischeste an Leuten, die jetzt die Stadt regieren. Man hat das Gefühl, hier ist ein Schmelztiegel für Macher", sagt Many.

Dazu kämen auch die Anhänger der DJs von jeweiligen Abend: "Von Compost, von Matthias Modica mit der Gomma Nacht, von Southern Sessions, von Balestra Beat, oder von Torni und Katmando am Freitag und Stoopid am Samstag."

Besondere Schmankerl im Programm sind große Namen wie Portishead-DJs, die sonst eher in größeren Läden arbeiten, hier aber wegen der guten Kontakte der Clubbetreiber auch vor 400 Leuten auflegen. Manys Kurzversion vom Reiz der Ersten Liga: "Wo gibt es das sonst? Eine Bar, wo deine Freunde und andere coole Leute sind, und wo gleichzeitig noch eine gute Party ist?"

1 Uhr Muffatcafé, Zellstraße 4. Kaum jemand steht herum, die meisten tanzen. Es riecht leicht nach Schweiß und indonesischen Nelkenzigaretten. Alles ist rot in rot, sehr dunkel.

Die Schüler Anja, 19, und Manuel, 20, stehen bei einer Verschnaufpause an der Bar: "Bei ,Into Somethin' im Muffatcafé schätzen wir besonders die Musik. In der Milchbar, dem Nachtwerk oder der Nachtgalerie, wo wir auch gerne hingehen, geht's mehr um die Party an sich. Da trinken die Leute auch viel mehr."

Der Club-Organisator Michael Reinboth lockt regelmäßig DJs aus den USA, England, Finnland oder Frankreich. Seit zehn Jahren macht er das, seit zehn Jahren ist der Laden voll. "Dienstags ist hier Reggae-, Ska- und Dub-Abend. An Samstagen wechseln sich unterschiedliche Clubnächte ab", sagt Anja und nippt an einem Wodka-Red-Bull.

Wie im Paradies

Manuel meckert ein bisschen über die Preise: "Wenn bekannte DJs auftreten, kostet der Eintritt schon mal 15 Euro. Für einen Wodka Bull zahlt man an der Bar immer noch 7 Euro 50. Wir trinken deshalb immer etwas zuhause, bevor wir ausgehen."

Was das tollste hier ist? "Eindeutig am besten am Muffatcafé ist der Biergarten im Sommer. Wenn du verschwitzt von der Tanzfläche kommst, ist das einfach schön. Wie im Paradies. Links die rauschende Isar, ein Bach und rechts die Bäume. Alle quatschen dann miteinander. Man glaubt kaum, dass man mitten in der Stadt ist."

Flokati, Kunstpark Ost, Grafinger Straße 6. Hier geht es um drei, vier Uhr erst so richtig los. Dann ist die Tanzfläche dicht, und der House-Sound pumpt aus den Boxen. Futuristisch sieht es aus: Wie ein Raumschiff mit orangefarbenen Plüschwänden und einer Leinwand, die wirre, aber schöne Bilder im Stakkato zeigt.

Das Flokati ist in einem Nebenraum des Ultraschall untergebracht. Wer hier ohne Ohrstöpsel tanzt, ist selber schuld. Der Messebauer Masum , 32, ist mit einer Gruppe von Freunden hier: "Wir ziehen viel durch Kneipen und Bars. Und wenn die zumachen, ist es meistens so spät, dass viele Clubs auch schon geschlossen haben. Beim Flokati kannst du aber sicher sein: Hier geht's auch spät noch ab."

Wir bleiben

Die meisten Gäste scheinen sich gut zu kennen. "Die Atmosphäre ist echt privat", sagt Masum. Je näher der Morgen rückt, desto mehr Leute lungern im Flokati auf den Sitzen herum und schlafen. "Das finde ich keinen schönen Anblick. Die Kids sollen halt gehen, wenn sie müde sind". sagt Masum.

Vielleicht wollen manche einfach so lange wie möglich hier bleiben, um den Eintrittspreis abzusitzen, der selten unter zehn Euro liegt. Wir bleiben noch gerne, einfach so. Die Sonne scheint schon, als wir heimgehen.

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