SZ-Adventskalender:Zeichen des Zusammenhalts

Lesezeit: 2 min

Gern macht das wirklich niemand, sich mit vielen anderen zusammen in einer langen Schlange anzustellen

Für die Menschen, die frierend warten, muss reichen, was gerade da ist: ein Brot vom Vortag, ein bisschen Gemüse, Obst, ein paar Becher Joghurt, einige Gläschen Babykost. Einfluss auf die Auswahl haben die Menschen kaum. Die Helfer verteilen, was anderswo übriggeblieben ist.Um Bedürftige kostenlos zu versorgen, steuern die Lastwagen der Münchner Tafel Woche für Woche 21 Plätze in der Stadt an und verteilen dort insgesamt 80 Tonnen Lebensmittel an 15 000 Menschen.

Den meisten fällt der erste Gang zur Tafel schwer, viele wollen von Nachbarn lieber nicht gesehen werden. Denn wer seine Armut nicht verbirgt, muss mit Verachtung rechnen: In einer Gesellschaft, die Leistung in Rang- und Bestenlisten misst, wird Menschen, die aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, sehr schnell Versagen oder Faulheit vorgehalten.

Kinder dürfen da zwar mit Nachsicht rechnen, denn man kann ihnen wirklich nicht vorwerfen, selbst schuld zu sein an ihrer Situation. Aber Armut schließt aus und beeinträchtigt damit die Entwicklungschancen von Kindern, wie die erste Reportage des "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung" an diesem Wochenende zeigt.

Zum Sterben zu viel

Im Mittelpunkt der Reportageamzweiten Adventswochenende werden kranke Menschen stehen, die ohnehin schon von vielem ausgeschlossen bleiben, was Gesunde unternehmen können. Zum Leid der Krankheit kommen bedrückende finanzielle Sorgen und die Erkenntnis hinzu, dass vieles, was der Gesundheit förderlich sein und das Leben erleichtern könnte, einfach nicht bezahlbar ist.

Vor ähnlichen Problemen stehen alte Menschen, deren Rente zum Leben nicht reicht. Mit ihrer Situation beschäftigt sich die dritte Adventskalender-Reportage. Drei Jahre lang gab es keine Rentenerhöhungen, dann in diesem Jahr nur 0,54 Prozent mehr. Die Preise steigen, das Geld in der Haushaltskasse wird immer knapper. Diese bittere Erfahrung haben nicht nur Rentner, sondern auch die Bezieher von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II machen müssen. Besonders stark betroffen vom sozialen Abstieg sind Alleinerziehende, derer sich die Reportage am vierten Adventsamstag annimmt.

Viele Menschen versuchen, ihr eng bemessenes Haushaltsbudget etwas zu entlasten, indem sie sich in ihrer Not bei der Münchner Tafel versorgen. Denn der Regelsatz von 347 Euromonatlich für einen Alleinstehenden oder 208 Euro für ein Kind muss nach den Vorgaben des Gesetzgebers auch in einer teuren Großstadt wie München zum Leben reichen. Damit wird das Prinzip "Fordern und Fördern", wie die Politik die Einführung von Hartz IV gepriesen hat, zur Demütigung. Ein Leben unter dem Existenzminimumkann vielleicht einige, die das letzte Auffangnetz als Hängematte betrachtet haben, zur Besinnung bringen. Aber die Einschnitte durch die Sozialreformen der letzten Jahre haben gerade auch jene, die besonders auf Hilfe angewiesen sind, ärmer gemacht: Kinder, Kranke und Alte. Statt Rechtsanspruch auf Hilfe bleibt ihnen oft nur die Hoffnung auf Spenden.

Mit ihrer überwältigenden Hilfsbereitschaft haben die SZ-Leser im letzten Jahr bewiesen, dass sie mit diesem Rückzug des Staates aus seiner sozialen Verantwortung nicht einverstanden sind. Ihre Spenden sind ein beeindruckendes Zeichen dafür, dass die Bereitschaft zu gesellschaftlichem Zusammenhalt viel weitreichender ist als die Minimalversorgung, die der Staat seinen Bürgern noch zubilligen möchte.

© SZ vom 01.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: