Sushi-Lokale:Reis, Gemüse und roher Fisch

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Warum Sushis gesund, beliebt und manchmal kunstvoll sind - eine Münchner Japanologin gibt Auskunft.

Interview: Tanja Rest

Jana Kirchberger ist studierte Japanologin und Inhaberin einer japanischen Galerie in der Ohmstraße. Sie hat fünf Jahre lang in Tokio gelebt und fühlt sich seither in beiden Kulturkreisen zu Hause. Wir sprachen mit ihr über den Sushi-Trend.

Im Sushi World (Foto: Hess)

SZ: Wie gut sind die Münchner Sushi-Meister?

Kirchberger: Da gibt es riesige Unterschiede. Ganz oft stehen nicht Japaner, sondern Vietnamesen in der Küche, die sich das Sushi-Machen selbst beigebracht haben. Das schmeckt dann auch nicht so toll. Dann gibt es Japaner, die aus anderen Gründen nach Deutschland gekommen sind und im Sushi-Lokal nur arbeiten, um Geld zu verdienen. Ihre Sushi sind in Ordnung, aber wenn man ein paar Jahre übt, kriegt man das selbst genauso hin. Es gibt nur ganz wenige Restaurants hier in München, wo echte japanische Sushi-Chefs arbeiten. Zum Beispiel das Akasaka im Lehel: Da wechseln zwar oft die Köche, aber Herr Makita achtet sehr darauf, dass das Essen authentisch ist; es kommen auch viele japanische Geschäftsleute. Außerdem gibt es in der Theresienstraße ein relativ neues Lokal namens Kaito, das ist exzellent. Der Sushi-Chef dort ist auch in Japan bekannt.

SZ: Woher kommt der Häppchen-Hype in Deutschland?

Kirchberger: Sushi-Lokale gab es in München schon in den Siebzigern - das Mifune zum Beispiel. Das war damals was ganz Exklusives, weil sonst ja eigentlich nur Autos und Elektronik aus Japan kamen. Anfang der Neunziger hat der japanische Lifestyle dann allmählich in Europa Fuß gefasst: Möbel, Zen, Feng Shui und viele Elemente der japanischen Popkultur. Auf die Sushi haben sich die Deutschen auch deshalb gestürzt, weil Health Food gerade sehr trendy ist. Und die Japaner haben noch immer die höchste Lebenserwartung in der Welt.

SZ: Was ist so gesund an Sushi?

Kirchberger: Es werden nur gesunde, unbehandelte Zutaten verwendet - Reis, Gemüse, Fisch. Alles fettfrei, cholesterinarm und leicht verdaulich. Der krasse Gegensatz zu einer Schweinshaxe eben.

SZ: Und warum sind Sushi gerade hier in München so beliebt?

Kirchberger: München ist immer offen gewesen für Trends - in der Stadt gibt es eine ganz große Variation von internationaler Küche. Die Exotik spielt natürlich auch eine Rolle: Viele finden es aufregend, in ein Lokal zu gehen, wo Essen noch richtiggehend zelebriert wird. Man bekommt ein je nach Saison warmes oder kaltes Handtuch, man hat Stäbchen und Sojasauce zum Dippen. Es gibt also einen Erlebniseffekt. Außerdem ist der Sushi ist kalt, man muss sich beim Essen also nicht beeilen. Es ist einfach eine schöne Sache, in Gesellschaft Sushi zu essen, Das gefällt den Leuten.

SZ: Wie isst man Sushi in Japan? Kirchberger: Auch da sind die Unterschiede gewaltig. Es gibt ganz einfache Lokale, die verkaufen abgepackte Sushi zum Mitnehmen. Eine Portion ist vielleicht etwas teurer als ein Hamburger bei Mc Donald's. Dann gibt es Bars, wo die Sushi auf einem Laufband um den Tresen rotieren - wie in der Gottschalk-Werbung. Grünen Tee bekommt man umsonst, und die Sushi fahren auf kleinen Tellerchen vorbei; die Tellerfarbe markiert den Preis. Das macht Spaß, ist sehr stressfrei und oft günstig. In Japan ist es übrigens Brauch, den Sushi mit der Hand zu essen. Ich finde es ja immer lustig, wenn sich die Leute hierzulande so mit den Stäbchen abmühen.

SZ: Dann verraten Sie uns mal die Todsünden beim Sushi-Essen.

Kirchberger: Abbeißen! Korrekt wäre nämlich, das ganze Stück auf einmal reinzuschieben. Schlürfen und Schmatzen dagegen zeigt an, dass es dem Gast gut schmeckt. Wer seine Stäbchen in die volle Reisschale steckt, entehrt damit die Speise. Ganz schlimm ist auch, mit den eigenen Essstäbchen einem anderen etwas zu reichen, so dass sich die Stäbchen treffen. Das wird nämlich bei der japanischen Beerdigungszeremonie gemacht: Die Überreste des Verstorbenen werden unter den Angehörigen weitergereicht und zum Schluss in die Urne gelegt.

SZ: Wie sind Sushi eigentlich erfunden worden?

Kirchberger: Sushi konnte wahrscheinlich nur in einem Land entstehen, das von Gebirge überzogen und von Wasser umgeben ist. Die beiden Grundnahrungsmittel sind Fisch und Reis, der auf Bergterrassen angebaut wird. Um rohen Fisch haltbar zu machen, begann man Mitte des 17. Jahrhunderts, ihn in essiggetränkten Reis einzulegen und mit Steinen zu bedecken. So blieb er bis zu einem halben Jahr lang frisch. Zunächst hat man den Reis noch weggeworfen, später wurde er dann mitgegessen. So entstand schließlich Sushi: ein bisschen Reis, dazu scharfer grüner Wasabi-Rettich und ein Stückchen Fisch. Das Wort an sich bedeutet übrigens nur "fermentierter Essig".

SZ: Haben Sushi auch eine spirituelle Bedeutung?

Kirchberger: In gewissem Sinne schon. Diese kunstfertige Darbietung von Essen erfordert viel Disziplin, so eine Art Samurai-Spirit. Das kann nur durch eine zehnjährige strenge Ausbildung erreicht werden. Es beginnt damit, dass der Schüler seinem Ausbilder lange über die Schulter schauen muss, bevor er erstmals das Sushi-Messer in die Hand nimmt. Wer eine solche Lehre durchmacht, muss sich immer selbst zurücknehmen. Darum spricht man auch vom Sushi-Do, dem Weg des Sushi.

SZ: Wie einer, der sein Leben lang versucht, den perfekten Kreis zu zeichnen. Kirchberger: Richtig. Früher wurde der Sushi-Meister auch so genannt: "Derjenige, der seine Hand gut benutzen kann". Es ist ja alles reine Handarbeit, da nimmt man keinen Kochlöffel. Das Streben nach Perfektion, diese ständige Wiederholung des Immergleichen auf dem Weg zur Vollkommenheit, das hat was Spirituelles.

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