Studenten erzählen:,,In der S-Bahn komme ich endlich zum Lesen''

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Studierende aus dem Münchner Umland berichten über Vor- und Nachteile ihres Alltags als Pendler

Kathrin Schwinghammer, 20:,,Ich komme aus Baierbrunn, dort wohne ich bei meinen Eltern. Seit zwei Semestern studiere ich Chemie an der LMU. Der Lehrstuhl ist nicht in der Innenstadt, sondern in Großhadern. Trotzdem bin ich eine halbe Stunde unterwegs, wenn ich zur Uni oder nach Hause fahre. Ich fahre immer mit dem Auto, eine Kommilitonin und ich bilden eine Fahrgemeinschaft. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln würden wir noch länger brauchen. Ich möchte in der nächsten Zeit aber nicht in die Stadt ziehen. Mir würde das Grün fehlen, mein Garten. Außerdem habe ich mit der S-Bahn immer Anschluss an die Stadt, so weit draußen liegt Baierbrunn ja nicht. Zur Zeit würde es sich auch gar nicht lohnen, in die Innenstadt zu ziehen. Für die Uni müsste ich sowieso wieder raus nach Großhadern fahren. Außerdem habe ich zu Hause das ganze Dachgeschoss für mich, und meine Freunde wohnen auch fast alle hier draußen. Dass München eine Massen-Uni ist, stört mich nicht. In Großhadern liegt nur die Fakultät von Chemie, Pharmazie und Biologie - da ist alles überschaubar. Blöd ist es schon, dass man für viele Studiengänge ein Einser-Abitur braucht, weil die LMU so überlaufen ist. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, aus München wegzuziehen. Höchstens nach Regensburg. Das ist eine schöne Studentenstadt.''

Kathrin Schwinghammer fährt mit dem Auto zur Universität. (Foto: Foto: SZ/Rumpf)

Dominik Bader, 22: ,,Ich studiere Physikalische Technik an der FH und wohne in Seefeld bei Herrsching. Für mein Studium hätte ich auch nach Nürnberg oder Sigmaringen gehen können. Ich habe mich aber für München entschieden, weil ich so zu Hause wohnen kann. In meinem Elternhaus habe ich fast eine eigene Wohnung; da sehe ich keinen Grund, auszuziehen. Außerdem finde ich es toll, dass man hier in Seefeld einfach mit dem Fahrrad losfahren kann, ohne einen einzigen Menschen zu sehen. Wenn ich in die Stadt ziehen würde, müsste ich neben dem Studium arbeiten. Selbst verdientes Geld möchte ich aber nicht in die Miete stecken, sondern lieber in eine Reise.Ich will bald nach Südafrika reisen. Am Pendeln stört mich vor allem, dass ich immer so früh aufstehen muss. Und wenn ich nach einem anstrengenden Tag nach Hause möchte, habe ich im Hinterkopf noch diese lange Fahrt. Mich freut es aber, wenn ich in der S-Bahn Leute treffe, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Die FH in München gefällt mir sehr gut, auch das Drumherum, die Clubs, die Bars und öffentlichen Plätze. Mir fehlt nur das Flair einer klassischen Studentenstadt, mit Stammkneipen, in denen sich die Studenten treffen. Ich finde, der Kontakt unter Studenten verläuft sich in München sehr schnell. Dafür ist die Stadt wohl einfach zu groß.''

Marianne Rösler, 21: ,,Ich wohne seit einem Jahr nicht mehr zu Hause. Aus dem kleinen Dorf, in dem meine Eltern wohnen, bin ich nach Holzkirchen gezogen, das ist nicht weit entfernt. Dort wohne ich mit meinem Freund zusammen. Näher an der Stadt möchte ich nicht leben. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, nahe an den Bergen und Seen, in der Stadt würde ich mich nicht wohl fühlen. Ich studiere an der LMU Geschichte und Volkswirtschaftslehre und komme ins zweite Semester. Der Nachteil an der Münchner Uni ist die schlechte Betreuung. Alles ist so unpersönlich. Dafür ist das Vorlesungsangebot sehr vielfältig. Das ist toll, denn wenn ich ein paar Stunden frei habe, höre ich gern fremde Vorlesungen an. In die Uni komme ich entweder mit der BOB oder der S-Bahn. Das dauert jedes Mal eine gute halbe Stunde. Klar ist es schwer, enge Freundschaften an der Uni zu knüpfen, wenn man so weit draußen wohnt. Aber die meisten meiner Freunde sind sowieso in Holzkirchen geblieben. Ein klarer Nachteil, wenn man hier draußen wohnt, ist das fehlende Nachtleben. Wenn ich alle paar Wochen mal in München ausgehe, ist es oft sehr aufwendig, wieder nach Hause zu kommen. Auch wenn ich in eine Ausstellung oder ein Museum will, ist das ein Problem. Aber damit kann ich leben - ich bin kein Freund von Großstädten.''

Robert Drozkowski, 21: ,,In den nächsten Jahren möchte ich auf jeden Fall in die Innenstadt ziehen. Momentan bin ich aber noch zufrieden bei meinen Eltern in Unterhaching. Dies ist eine nette Gemeinde, in der ich mich wohl fühle. Es ist sicher schöner als viele andere Vororte, andererseits hält mich hier auch nichts Besonderes - wenn ich die Möglichkeit habe, mit Freunden in eine WG in der Stadt zu ziehen, werde ich das sofort machen. Ich studiere seit einem Jahr Politikwissenschaften. Dafür fahre ich täglich knapp zwei Stunden S-Bahn. Das Pendeln zwischen Unterhaching und der Uni nervt zwar, hat aber auch einen Vorteil: Während der Fahrt komme ich endlich zum Lesen. So viel Zeit würde ich mir sonst nicht nehmen. Die LMU hat ein riesiges Angebot, das ist auf jeden Fall toll. Sie hat ja auch einen guten Ruf - wie viel der im Endeffekt wert ist, wird sich noch zeigen. Dass hier so viele Leute studieren, ist ein kleiner Nachteil. Ich könnte mir vorstellen, dass man sich an kleineren Unis leichter zurechtfindet. Wenn ich nicht am Institut für Politikwissenschaften bin, sehe ich hier kaum jemanden zwei Mal. Es ist schwer, an der Uni Leute kennen zu lernen, wenn man sie zwischendurch ein halbes Jahr nicht sieht.''

Protokolle: Jan Stremmel (3), Florian Kaindl (1)

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