Streit um Mäppchen:Gymnasiast klagt gegen Schule

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Ein 16-Jähriger hat sich mit seinem Klassenkameraden um ein Mäppchen geprügelt. Die Privatschule schmiss ihn raus - jetzt fordert er Schmerzensgeld.

Ekkehard Müller-Jentsch

Ein Gymnasiast hat seine Privatschule auf 1500 Euro Schmerzensgeld verklagt, nachdem diese ihn wegen einer Schulhof-Prügelei umgehend vor die Türe gesetzt hatte.

Zusätzlich verlangen die Eltern des heute 16-Jährigen von dem Gymnasium noch rund 1700 Euro Schadenersatz, weil sie wegen der Betreuung ihres traumatisierten Sohnes Verdienstausfälle sowie mit der Suche nach einer neuen Schule erhebliche Unkosten gehabt hätten. Die Anwälte der Schulleitung wiesen all diese Forderungen in der mündlichen Verhandlung am Donnerstag vor dem Landgericht MünchenI energisch zurück: "An dieser Schule wird Gewalt nicht geduldet."

Blutende Nase

Der damals 15-jährige Sebastian war im Klassenzimmer mit seinem Schulkameraden Maximilian wegen eines auf den Boden gefallenen Federmäppchens in Streit geraten. Maximilian habe ihn angebrüllt und beschimpft, sagte Sebastian in der Verhandlung. Später, auf dem Pausenhof, hätten andere Schüler so lange gehetzt, bis Maximilian auf ihn losgegangen sei und ihn mit dem Kopf nach unten gedrückt habe. Zur Abwehr habe er, ohne hinzusehen, dreimal mit der Faust zugeschlagen.

Nach Darstellung der Schulleitung musste Maximilian in der Folge mit blutender Nase vom Notarzt behandelt werden. Außerdem sei durch die Schläge eine Kontaktlinse zerbrochen - die Splitter hätten das Auge verletzen können. Sebastians Schulvertrag wurde umgehend durch eine außerordentliche Kündigung beendet: "Der Schulleiter musste die Notbremse ziehen", sagte der Schulanwalt. Der Vater des Jungen, ein Arzt, meinte aber: "Das Kind so von der Schule zu verweisen, ist Körperverletzung."

Klassensprecher

Sein Sohn sei als gefährlicher Schläger dargestellt worden, ohne ihm eine Gelegenheit zur Erklärung zu geben. Sebastian sei ein unbescholtener Schüler gewesen, sogar Klassensprecher. "Ein schutzbefohlenes Kind in der Pubertät so zu behandeln und ihm den Boden unter den Füßen wegzuziehen, ist unfair.'"

Zumal der, gegen dessen Angriffe sich Sebastian bloß verteidigt habe, nicht der Schule verwiesen worden sei. Die Mutter des 16-Jährigen erklärte, dass ihr Kind durch diesen Vorfall in schwere "reaktive Depressionen" verfallen sei - diese Krankheit habe sich in weiteren somatischen Reaktionen manifestiert.

Einzelrichterin Sandra Englhardt legte den Eltern dann aber nahe, die Klage zurückzunehmen. Denn es sei nicht nur fraglich, ob ein medizinischer Gutachter zweifelsfrei belegen könne, dass die behaupteten gesundheitlichen Probleme ausschließlich eine Folge des Rauswurfs seien. Vielmehr müssten zur Aufklärung des Vorfalls zahlreiche Zeugen befragt werden. Und dabei käme auch die Frage der Notwehr auf den Tisch: "Vielleicht war ja der dritte Faustschlag einer zu viel - dann könnte das auch schnell ein Fall für die Staatsanwaltschaft sein."

Nach kurzer Verhandlungspause erklärten die Eltern, die Klagerücknahme "überschlafen" zu wollen - in Sorge um die Zukunft und die psychische Stabilität ihres Kindes. Die Richterin gab ihnen eine Woche Bedenkzeit, andernfalls wird sie im Juni das Urteil verkünden.

© SZ vom 4.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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