Strauß-Prozess:Der Angeklagte nickt und schweigt

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Ein freundlicher Richter, ein listiger Anwalt - wie Max Josef Strauß den ersten Tag seines Augsburger Prozesses fast wortlos über sich ergehen lässt. Von Hans Holzhaider

Den Angeklagten ein Häufchen Elend zu nennen, verbietet sich angesichts der trotz Gewichtsabnahme immer noch erheblichen Körperfülle von Max Josef Strauß. Aber dass hier ein Mensch von düsterstem, schwärzestem Gemüt sitzt, das ist für jedermann offensichtlich, der den 44-Jährigen an diesem ersten Prozesstag vor der 10. Strafkammer des Landgerichts Augsburg erlebt.

Der schweigenden Angeklagte Max Strauß und sein umso eloquenterer Verteidiger Wolfgang Dingfelder (im Hintergrund) nach einer Verhandlungspause im Saal des Landsgerichts Augsburg. (Foto: Foto: AP)

Die Mundwinkel sind in dem großflächigen Gesicht tief nach unten gezogen, der Blick ist starr auf den Tisch gesenkt, hinter dem Max Strauß, flankiert von seinen Verteidigern Wolfgang Dingfelder und Hans Dahs, Platz genommen hat. Sein Mandant sei mit Tabletten sediert, lässt Dingfelder wissen.

Ohne Ansehen der Person

Noch ehe auch nur die Personalien des Angeklagten aufgenommen sind, wendet sich der Vorsitzende Richter Maximilian Hofmeister mit einer "ganz persönlichen" Erklärung an Max Strauß. Hofmeister ist ein agiler, lebhafter, mit einer gewissen Grundfröhlichkeit ausgestatteter Mensch, in allem das genaue Gegenteil des massigen, lethargisch wirkenden Angeklagten.

"Über Ihren Gesundheitszustand", wendet sich der Richter an Max Strauß, "ist leider öffentlich viel, zu viel geschrieben worden. Bitte trauen Sie diesem Gericht. Die 10. Strafkammer wird gegen niemanden verhandeln, der krank ist." Bislang jedoch habe das Gericht als "sichere Erkenntnisquelle" nur ein einziges "nach den Regeln ärztlicher Kunst erstelltes Gutachten" - das des Augsburger Landgerichtsarztes Richard Gruber, der Strauß für verhandlungsfähig erklärt hat.

Hofmeister wirbt um Verständnis für seine Entscheidung, den Prozess trotz der Bedenken, die von den behandelnden Ärzten, den Anwälten und der Familie des früher so robust auftretenden Politikersohnes geäußert wurden, stattfinden zu lassen. "Die Justiz muss sich bemühen, alle Bürger gleich zu behandeln, ohne Ansehen der Person", sagt der Richter. "Bei jedem anderen Angeklagten hätten wir auch Termin bestimmen müssen. Wir bitten Sie, uns zu signalisieren, wenn es Ihnen nicht gut geht.

Das Konto Maxwell

Max Strauß verharrt stumm und regungslos. Der Vorsitzende kommt zu den Personalien. Name: Max Josef Strauß? Strauß nickt. Geboren am 24. Mai 1959? Strauß nickt. Verheiratet? Strauß nickt. Beruf? Leise und tonlos die Antwort: "Jurist". Seine Zulassung als Rechtsanwalt hat Strauß auf Anraten seines Verteidigers längst zurückgegeben. Fragen dazu? Keine. Man kann zur Verlesung der Anklage schreiten.

Sie beschränkt sich auf die notdürftigsten Angaben zu dem seit Jahren bekannten Sachverhalt. Da sind die Firmen International Aircraft Leasing und ATG Investment Inc., die "der anderweitig verfolgte Karlheinz Schreiber" dazu benutzt habe, "Provisionszahlungen vor den deutschen Steuerbehörden zu verbergen", da sind die Nummern der Verträge, die der von Schreiber beauftragte Treuhänder Giorgio Pelossi mit der Firma Airbus Industrie und der ATG-Verwaltungsrat Lorenzo Wullschleger mit der Firma Thyssen über die Vermittlung von Flugzeug- und Panzerverkäufen nach Kanada, Thailand und Saudi-Arabien geschlossen haben sollen; genannt wird auch die Höhe der bezahlten Provisionen: 36 Millionen Mark von Airbus Industries, 24 Millionen von Thyssen; genannt werden schließlichdie von Schreiber an Strauß bezahlten Anteile an diesen Provisionen, insgesamt 5,188 Millionen Mark. "Die Zahlungen", heißt es lapidar in der Anklage, "erfolgten jeweils auf das von Karlheinz Schreiber treuhänderisch für den Angeklagten verwaltete Rubrikkonto PO 18.679.7 Rubrik Maxwell."

Listige Strategie

Das ist der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Verfahrens. Wenn Staatsanwalt Christoph Wiesner beweisen kann, dass das Konto "Maxwell" dem Angeklagten Max Strauß zuzurechnen ist, dann wird das Gericht den Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten ins Gefängnis schicken. Wenn nicht, dann muss es ihn freisprechen.

Und ob dieser Beweis gelingt, das ist noch lange nicht sicher. Karlheinz Schreiber jedenfalls, der es am besten wüsste, hat schon verlauten lassen, dass er nicht als Zeuge aussagen will. Die Reisekosten nach Kanada kann sich das Gericht also sparen. Und Verteidiger Dingfelder äußert sich vor einem Wald von Mikrophonen ganz entschieden: "Max Strauß wusste nichts von dem in Rede stehenden Konto und hatte keine Verfügung darüber."

Aber so weit ist man noch lange nicht. Jetzt geht es zunächst einmal darum, wie es weiter gehen kann mit diesem Prozess gegen einen nach Überzeugung seiner Verteidiger nicht verhandlungsfähigen Angeklagten. Eine listige Strategie haben sich die Herren Dahs und Dingfelder ausgedacht.

Der Bonner Rechtsprofessor Dahs stellt mitnichten einen Antrag, das Verfahren wegen Verhandlungsunfähigkeit seines Mandanten einzustellen. Er legt lediglich dar, dass Max Josef Strauß wegen seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, sich "rechtzeitig und sachgerecht" auf seine Verteidigung vorzubereiten.

Die Worte des Arztes

133 Bände umfassen die Akten, trägt Dahs vor; hoch komplexe Sachverhalte, eine Vielzahl von Einzelvorgängen, sich widersprechende Zeugenaussagen müssten gelesen, verstanden und in eine Verteidigungsstrategie umgesetzt werden.

Schon lange vor dem 1. September 2003 - dem Tag, an dem Strauß sich zur stationären Behandlung seiner Depression in eine Münchner Klinik begab - habe er diese "intellektuelle Leistung" nicht erbringen können: "Besprechungsversuche betreffend des Verhandlungsstoffs mussten nach jeweils zehn bis 15 Minuten als aussichtslos abgebrochen werden."

Dahs führt die Menschenrechtskonvention, die Strafprozessordnung und die gerichtliche Fürsorgepflicht ins Feld und gibt zu bedenken, dass "der unverändert bestehende Wunsch des Herrn Strauß, das Verfahren durchzustehen" die "fundamentalen Rechtsbedenken" hinsichtlich der Verhandlung gegen einen ohne eigenes Verschulden völlig unvorbereiteten Angeklagten nicht beseitigen könne. Professor Dahs' Gesicht strahlt tiefe Zufriedenheit aus: Er hat den guten Willen der Verteidigung demonstriert, und doch ein absolutes Verfahrenshindernis in den Raum gestellt.

Rechtsanwalt Dingfelder nimmt sich des Augsburger Landgerichtsarztes Richard Gruber an, dessen Gutachten über die Verhandlungsfähigkeit von Strauß den Prozessbeginn erst ermöglicht hat. Am 8. Januar hat Gruber dem Gericht das Dokument abgeliefert, am gleichen Tag äußerte er sich in der Süddeutschen Zeitung dazu, auf eine Art, die "vom Angeklagten wie auch seiner Verteidigung als ungeheuerlich empfunden wird", wie der Anwalt erklärt.

Gruber habe nämlich die Auffassung geäußert, dass es sehr schwer sei, "erfahrene Gutachter hinters Licht zu führen", und dass er "Simulanten" durch Kontrollfragen sehr schnell überführen könne. Angesichts des Umstands, dass die behandelnden Ärzte ihren Patienten Strauß als nicht verhandlungsfähig bezeichnet hätten, impliziere diese Feststellung den Vorwurf, der Angeklagte habe,"möglicherweise im Zusammenspiel mit den behandelnden Ärzten", versucht, "den Gutachter aufs Kreuz zu legen".

Das Gericht wird sich einen ganzen Prozesstag lang Zeit nehmen, um über diese Vorbringungen der Verteidiger zu beraten. Richter Hofmeister teilt am Rande mit, der Zeuge Giorgio Pelossi habe mit dem Ausdruck größten Bedauerns wissen lassen, seine Anwälte hätten ihm dringend davon abgeraten, nach Augsburg zu reisen. Er stünde jederzeit für eine Aussage in der Schweiz zur Verfügung, wahlweise in Zürich oder in Lugano. "Ich würde Lugano vorziehen", sagt Rechtsanwalt Dingfelder. Man könnte daraus schließen, dass er insgeheim doch mit einer Fortsetzung des Verfahrens rechnet.

© SZ vom 21.01.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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