Strapazierte Schüler:Eltern fordern Änderung des G8-Konzepts

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Unterricht bis 17 Uhr, wenig Freizeit: Die Belastung der bayerischen Schüler überträgt sich auch auf die Familien. Eine Delegation von Müttern klagt nun im Landtag.

Christian Rost

Die Einführung des achtjährigen Gymnasiums treibt viele Eltern um. Die Belastung der Schüler durch den prall gefüllten Lehrplan wirkt sich immer stärker auch auf das Familienleben aus, weshalb eine Abordnung des Elternbeirats des städtischen Bertolt-Brecht-Gymnasiums gestern im Landtag eine Petition an die CSU-Fraktion im Landtag übergab.

Angela Kraus, Stephanie Jacobi und Angelika Schmidbauer (v.l.) mit ihren Unterschriftenlisten vor dem Landtag. (Foto: Foto: SZ/Haas)

,,Unsere Petition ist nicht die erste, die zum G8 übergeben wird, und es wird nicht die letzte sein'', sagten die drei Elternvertreterinnen. Sie fordern eine Reduzierung des Unterrichtsstoffes, eine Begrenzung der Unterrichtszeit auf 32 Wochenstunden und mehr Lehrerstellen.

Spontaner Protest

In der spontanen Unterschriftensammlung für die Eingabe fand der Elternbeirat des Gymnasiums an nur einem Tag fast 160 Unterzeichner. Dies zeigt, wie sehr die Veränderungen in der Schule und der damit einhergehende Wandel der Gesellschaft auf den Nägeln brennt.

,,Wir sind nicht grundsätzlich gegen das G8, das man ohnehin nicht mehr zurückführen kann'', sagte Angelika Schmidbauer, die mit Angela Kraus und Stephanie Jacobi die Unterschriftenliste an die Abgeordnete Ursula Männle übergab. ,,Bei einer solchen Umstellung müssen aber zumindest genügend Lehrer vorhanden sein'', sagte Kraus.

Die Mütter berichteten von wochenlangen Unterrichtsausfällen in einigen Fächern, weil Lehrer krank seien und nicht ersetzt würden. Sie sprachen von langen Schultagen von 8 bis 17.15 Uhr, wobei die Kinder im Anschluss daran noch weitere Schularbeiten erledigen müssten.

Keine Zeit für Hobbys

Für Hobbys bleibe da keine Zeit mehr: Weil die Familie selbst am Wochenende gemeinsam über dem Lernstoff brüte, hätten ihre Kinder mittlerweile Musik und Sport aufgegeben, so Angelika Schmidbauer. ,,Die Kinder brauchen aber auch eine Zeit ohne Schulaufgaben und Druck, und die haben sie nicht mehr.''

Zwar zeigten die Kinder durchaus noch Ehrgeiz in der Schule, ,,schließlich kennen sie es ja auch nicht anders. Doch wie lange werden sie das unter diesen Umständen noch durchhalten?'', fragte Stephanie Jacobi.

Konkrete Antworten darauf wusste auch Ursula Männle nicht, die zwar dem CSU-Fraktionvorstand angehört, aber immer wieder ans Kultusministerium verwies: In der Bildungsdebatte sei lange an einem neuen Konzept für das neunjährige Gymnasium gefeilt worden, ,,dann gab es auch für uns Abgeordnete eine überraschende Wende hin zum G8''.

Überforderte Lehrer

Für die Klagen über die große Fülle des Unterrichtsstoffes zeigte Männle Verständnis: Erst seien die Lehrer an der bayerischen Schulen ,,über Jahrzehnte hinweg gegängelt worden'', was den Unterrichtsinhalt betreffe. Nun hätten sie plötzlich die Wahlfreiheit und täten sich vereinzelt schwer damit, Prioritäten zu setzen.

Die frühere Ministerin für Bundesangelegenheiten betonte, es habe im Lehrplan bereits Kürzungen gegeben. Die Elternvertreterinnen hielten dem entgegen, dies sei auf Kosten der wichtigen Intensivierungsstunden gegangen. Abbringen lässt sich die CSU von ihrem Weg sicher nicht mehr, wie auch Männle feststellte: ,,Langfristig wird sich das G8 als richtige Entscheidung erweisen.''

Als Angelika Schmidbauer anregte, das G8-Konzept von unabhängigen Gutachtern wenigstens auf seine Tauglichkeit in der Praxis prüfen zu lassen, lehnte die Abgeordnete ab. Allenfalls ,,Teilbefragungen'' seien möglich, ein endgültiges Resümee werde wohl erst erfolgen, wenn die Gymnasien komplett umgestellt seien. ,,Oh je, dann bleiben unsere Kinder weiter Versuchskaninchen'', entfuhr es Angelika Schmidbauer.

© SZ vom 19.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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