Strandkörbe:Die Stadt am Strand?

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Bei den Juli-Temperaturen hätte man sie nicht gebraucht - seit aber auch im Süden wieder eine steife Brise weht, könnten sie ein Weg sein, mit den neuen Sommern umzugehen: Strandkörbe.

Franziska Schwarz

Der Laden "Strandkorb und mehr" liegt in Waldtrudering, etwas abseits vom Münchner Zentrum. Ladeninhaberin Corina Pries, fröhlich und blondgelockt, bietet Cappuccino an. In den Auslagen und dem vorderen Teil reiht sich eher kleinteiliger Nippes aneinander. Alles hat einen Bezug zum Meer: Mobiles mit Fischen, Tassen mit Wellenmuster und Seehund-Figuren.

Das Korbmodell für Kinder (Foto: Foto: Katalog der Firma "Korb")

Überraschenderweise finden sich hier auch sieben Strandkörbe, dicht an dicht. Ähnlich aufgereiht wie am Ostseestrand, wo sie sonst unverwüstlicher als die Bojen ihre Stellung halten.

Eine verwegene Idee, diese Bojen einfach nach Bayern zu versetzen. Doch Pries sieht das ganz locker: "Es war bei einem Urlaub auf Sylt, wir haben aufs Meer geschaut - und natürlich auf die Strandkörbe. Und dann kam die Frage: Wer sagt eigentlich, dass man in Bayern keine Strandkörbe verkaufen kann? Also habe ich recherchiert, ob es so etwas in Bayern schon gibt - gab es nicht. Dann habe ich das Risiko auf mich genommen."

An sich sprach nichts dagegen, erstmals Strandkörbe in Bayern anzubieten. Hergestellt werden die Körbe nicht nur am Meer: der größte Lieferant für Corina Pries ist ein Hersteller in Nordrhein-Westfalen. Die Körbe gibt es mit ein bis drei Sitzen, und sie kosten je nach Ausstattung zwischen 300 und 3000 Euro. Die ersten Reaktionen der Münchner vor drei Jahren waren trotzdem verhalten.

Immerhin war der erste Kunde ein Ur-Bayer, der das Stück sichtlich erfreut, und in Lederhosen, abholte. "Man kann ja das Weißbier auch wunderbar in einem Strandkorb genießen", sagt Pries. So weit, so skurril. Oder auch nicht: Laut Pries gibt es auch im Alpenvorland Bedarf an Sitzmöbeln mit Windschutz, denn "in den Vororten, wo neu gebaut wurde, zieht es oft von den Feldern".

Traum einer 90-Jährigen

Auch Auslandskunden interessieren sich inzwischen für den "beach chair", wie Pries ihn übersetzt. Bei anderen sei nicht die Meeres- oder sonst eine Brise, sondern einfach eine Kindheitserinnerung der Grund für den Kauf. Eine 90-jährige Kundin habe sich damit einen Traum erfüllt. "Jetzt mache ich es noch fünf Jahre länger", soll sie gesagt haben. Sie schlafe sogar nachts darauf. "Auch als Alternative zur Hollywoodschaukel wollen sich viele mal einen Strandkorb kaufen, weil der einfach länger hält", so Pries.

Der Strandkorb, oder neuerdings "Gartenstrandkorb" hat auch das Potenzial zum Spleen. Ein Hunde-Modell ist schon auf dem Markt, ungefähr 90 Zentimeter hoch, ein bisschen breiter, und mit einem einem flachen Zugang für den Vierbeiner. Die High-Tech-Version kann je nach Wunsch stufenweise aufgerüstet werden: mit Beleuchtung in der Decke, Heizung in den Sitzen, Musikboxen links und rechts, oder Kühlschrank unter den Sitzen. Dieses Modell nimmt man wohl besser als Mehrsitzer, damit man mit seinem gekühlten Bier wenigstens anstoßen kann. "Im Einsitzer fühlt man sich ein bisschen wie im Kinderwagen, sagen mir die Kunden immer."

Der Trend zum Strandkorb entging auch den Jüngeren nicht, einigen Studenten in Haidhausen beispielsweise. Auch, wenn sie nur winzige Altbau-Balkone besitzen - das Möbelstück sei geradezu hip. "Bei denen war vielleicht nicht gerade das Luxusmodell gefragt. Doch es gibt einen Selbstbausatz, damit bauen sie sich in ihre letzte Ecke einen Strandkorb. Auch als Partygag." Da selbst ein Montage-Strandkorb beachtliche 50 Kilo wiegt, kippt er beim Feiern wenigstens nicht um.

Der Fachmann kennt auch den Unterschied zwischen Nordsee-Form und Ostsee-Form: gerade und eckig oder weich und geschwungen. Den landesüblichen Farben angeglichen werde er gerne durch Bezüge in weißblau - natürlich nicht Friesen-Streifen, sondern Bayern-Karo.

Auch die Installation erfordert im Süden oft besondere Maßnahmen: In Bayern braucht der Strandkorb auch schonmal eine Kran, um beispielsweise in den fünften Stock eines Waldtruderinger Wohnhauses gehoben zu werden. Der Aufwand hat sich gelohnt: Die Nachbarn links und rechts kauften nach diesem Szenario gleich auch einen.

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