Steinebach: Kulturkneipe schließt:Das Ende einer Bahnhofs-Mission

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Hier trat die Spider-Murphy-Gang auf, Barbara Dennerlein und der Tiger Willi. Doch jetzt schließt die Kulturkneipe Steinebacher - und das Rauchverbot ist nicht unschuldig daran.

Thomas Anlauf

Eine kleine Kerze flackert neben den vier dicken Aktenordnern am Tresen. Wer die Mappen aufschlägt, entdeckt: die Geschichte von vier Menschen, von vier Wirten, aber auch von Hunderten Musikern und Abertausend Gästen. Diese vier Ordner, die an diesem Abend am Tresen aufgeblättert werden, erzählen von einem Kleeblatt, das nun zerfällt. Das Kulturlokal Steinebacher schließt.

Auftritt der Band Stonecreek in der Kneipe Steinebacher: Das Kultlokal schließt. (Foto: STA)

"Das Kleeblatt" nannte Monika Rother die vier jungen Wirte einst. Die Kulturmanagerin eröffnete wenige Monate nach dem Steinebacher ihre Kleinkunstbühne Wirtshausbrettl im Raabe ein paar hundert Meter weiter vom alten Bahnhof entfernt. Am Hügel über dem Wörthsee hatten 1997 vier Freunde das leerstehende Bahnhofsgebäude angemietet und es in eine längst legendäre Kultkneipe verwandelt. "Miteinander statt nebeneinander" war das Motto.

Und es funktionierte. "Gästeansturm zum Auftakt", titelte die SZ am Tag nach der Eröffnung vom 13. Dezember 1997. Bereits im ersten Programmheft des Steinebacher gab es den liebenswürdigen Hinweis, dass ein Tag vor dem Auftritt der A-cappella-Gruppe The Real Sixpack eben der Raabe unten öffnen würde. Die vier Blätter des Kleeblatts - Hans Schlegel, Joachim Karg von Bebenburg, Susan Parsadust und Claudia Ochs - wollten eine andere Art der Gastronomie schaffen. Eine, die ohne Ellenbogen auskommt. Eine, die mit anderen etwas erreicht, was alleine nicht möglich wäre.

Der Kulturhans und die Kulturmoni, wie die beiden schnell hießen, hatten sich auf einen modus vivendi geeinigt: Im Steinebacher gibt es seit dem 4. April 1998 mittwochs Musik, donnerstags im Raabe Kleinkunst. Eine Melange, die in Oberbayern wohl einmalig ist.

Das Kleeblatt: vier Glückskinder aus dem Würmtal, vier, denen die Gastronomie dank ihrer unwiderstehlichen Sympathie eigentlich in den Schoß gelegt wurde. Hans Schlegel und Joachim Karg von Bebenburg waren damals 32 und 30 Jahre alt, der eine Hotelkaufmann, der andere Radio- und Fernsehtechniker. Die Freunde beschlossen 1992, eine Alternative zum schon damals kultigen Kraillinger "Schabernack" anzubieten. Essen und trinken für zehn Mark hieß das Konzept des Jugendlokals "Biss-Inn".

Es ging auf. Das Szenemagazin Prinz lobte die neue Stockdorfer Kneipe als Lokal mit der längsten Baguette-Karte Bayerns. Doch es gab auch Ärger. Natürlich mit den Nachbarn. Die Kneipe lag im Erdgeschoss einer alten Wohnanlage an der Heimstraße, einige Mieter forderten die Schließung des Lokals. Der Gautinger Gemeinderat setzte sich für das "Biss" ein, in dem mittlerweile auch die Konditorin Claudia Ochs und die Wirtschaftswissenschaftlerin Susan Parsadust mitarbeiteten. Der Ärger wurde schnell Geschichte, auch weil die Gäste nur noch flüsternd das Lokal verließen. Das Mietshaus wurde dann ohnehin abgerissen.

Aber Hans Schlegel und Joachim Karg von Bebenburg hatten ohnehin parallel bereits 1997 das "Steinebacher" am Wörthsee geöffnet - mit Susan Parsadust und Claudia Ochs als gleichberechtigte Partner. Ein Dreamteam, trotz brutaler Schicksalsschläge blieben alle vier bis 2006 zusammen. Dann ging Hans Schlegel. Er wollte andere Wege gehen.

Was blieb, waren viele Abende, die heute nicht nur Joachim von Bebenburg Gänsehaut bereiten. Die Spider Murphy Gang, Barbara Dennerlein, natürlich der Tiger Willi. Rund vierhundert Konzerte hat Susan Parsadust teilweise aus der Küche miterlebt. Manche auch nicht. Zwei Bands hatten sich ins Allgäuer Steinebach verfahren. Für diejenigen, die an die Bahnhofstraße fanden und auch auftraten, war es meist ein einmaliges Erlebnis. Hier spielten Mars, Embryo, Flauschrausch, Big Sleep. Nebenbei feierten Hunderte 1998 hier den Wahlsieg von Rotgrün, und die knapp verpassten Siege der deutschen Elf bei internationalen Wettbewerben.

Doch irgendwann kam das Gefühl, dass jetzt etwas Neues geschehen müsste. Das Rauchverbot machte bei Joachim Karg von Bebenburg das Maß voll. Miteinander war einst das Prinzip. Und dann zeigte jemand anonym die Gastwirte an. Weil Leute im Nebenraum rauchten. Es gab Ärger. Das war vor dem 1. August.

Den Ärger wollen die Wirte mit jenen Ausnahmegästen nicht. Sie hören am 31. Januar auf. Aber vorher gibt es noch "ein Feuerwerk", wie Joachim Karg von Bebenburg sagt. Sie wollen sich bedanken. Bei den anderen, den dankbaren Gästen.

© SZ vom 09.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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