Starnberg:Gefährdete Einkehr

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Das neue Café im alten Stellwerk am Starnberger Bahnhof wertet den Bereich auf - allerdings macht die Stadt Probleme.

Christian Deussing

StarnbergZuerst traute die Frau ihren Augen nicht, als sie vom Zug aus das neue Bistro an den Gleisen am Starnberger Bahnhof See entdeckte - und sich gestern erstmals einen Prosecco im "Café Stellwerk" genehmigte. Davor sitzen Stammgäste, die Blumen aus dem eigenen Garten für das kleine Beet mitgebracht haben. Liebevoll und mit viel Engagement hat Pächter Ömer Sevengül monatelang mit seiner Familie und Handwerkern aus dem einstigen Schmuddeleck eine kleine Oase gezaubert. Die Konzession hat der 49-jährige Diplom-Ingenieur seit Ende vorigen Jahres. Trotzdem muss er aber nun erneut eine "Nutzungsänderung" beantragen, weil sein Café offenbar der Bauleitplanung für die "Seeanbindung" im Wege steht. Das Thema stand am Donnerstagabend auch auf der Tagesordnung des Starnberger Bauausschusses.

In der einstigen Schmuddeleck der Stadt, direkt an den Gleisen am See, hat Ömer Sevengül eine kleine Oase gezaubert. Die Starnberger jedenfalls kommen gerne in sein "Café Stellwerk". Foto: Fuchs (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ich verstehe das nicht", ärgert sich der Gastronom. Er habe doch die nicht gerade schöne Ecke positiv verändert und mit dieser schönen Einkehr "dem Bahnhof ein neues Gesicht" gegeben. Auch die hässliche Seitenfassade und die Graffiti seien von ihm übermalt worden, erzählt der gebürtige Türke, der in München studiert hat. Fast 50 000 Euro hat er über Kredite in das Café-Projekt investiert, das er nach eigenen Angaben der Bahn AG nach deren Inserat selbst vorgeschlagen hatte. Für rund 1000 Euro monatlich hat der Familienvater einen Mietvertrag abgeschlossen, der fünf Jahre läuft - mit der Option auf weitere fünf Jahre.

Sevengül, der früher den "Schinderstadl" am Flaucher in München betrieben hat, will um sein "Café Stellwerk" kämpfen. Viele Gäste, wie etwa Beatrix Deniz, würden dafür auch eine Unterschriftenaktion starten. Sie begreifen nicht, dass extra ein teurer Geh- und Radweg entlang der Gleise angelegt worden war, aber dort ein kleines Lokal unerwünscht sei. Auch die Bauleitplanung und die nicht ausreichend ausgewiesenen Parkplätze seien doch nur "vorgeschobene Argumente". Ein 42-jähriger Starnberger kritisiert, dass wohl in diesem Fall etwas torpediert werde, statt für dieses topsaubere Café im Stellwerk die "Weichen für eine sichere Zukunft zu stellen".

Ein anderer Gast setzt sich an den Tisch, von dem aus die offene Küchenecke zu sehen ist. Der Rentner hatte früher lange Zeit als Kellner gearbeitet und vermutet, dass es "Neider" in der Branche gebe. Denn es habe sich bestimmt längst in der Umgebung herumgesprochen, dass ein Quereinsteiger hier mit einem guten Konzept und sehr günstigen Preisen zum Konkurrenten geworden ist. Das sei womöglich der Grund, warum der neue Gastronom am Bahnhof plötzliche Probleme bekomme, meint der Mann.

Es wäre sehr schade, wenn das schmucke Bistro aufgeben müsste", sagt Witha Veronelli. Das würden sicher auch die älteren Damen aus Höhenrain bedauern, die regelmäßig zu ihrem neuen Treff zum Starnberger Bahnhof radeln. "Bei mir feiern manche Leute schon Geburtstag, einer hat mir sogar eine Dampflok mit Waggon geschenkt", erzählt der Pächter - der bereits als kleines Kind gern gekocht hat. Die Modelleisenbahn steht neben einigen Kinderbüchern und Blümchen auf der Fensterbank. Der Ingenieur freute sich zudem über die acht Betriebsausflügler aus Nürnberg, die fast "einen ganzen Tag bei ihm hängengeblieben" seien.

Geöffnet hat das "Café Stellwerk" täglich von 10 bis 22 Uhr, je nach Wetterlage. Am Wochenende hilft Sevengüls Ehefrau, eine promovierte Biomedizinerin.

© SZ vom 25.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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