Nikolaus Hildebrand ist zwar erst 14 Jahre alt, hat aber das Abitur schon in der Tasche. Das ist umso bemerkenswerter, weil es sich um ein bayerisches Abitur handelt, das bekanntlich nicht so einfach zu bestehen ist, und weil der Notendurchschnitt bei 1,1 liegt. Wer nun glaubt, der Bub sei das, was man in Deutschland abwertend unter einem "Streber" versteht, irrt sich gewaltig.
Nikolaus ist selbstbewusst bis spitzzüngig, witzig, redegewandt und pubertär. Er spricht über die Fußballweltmeisterschaft, über Musik und Freunde. Und er kann im gleichen Redefluss über Wirtschaftspolitik, historische Forschung und Biochemie parlieren. "Ich bin ein Alles-Interessierer", sagt Nikolaus.
Dass Nikolaus einen außergewöhnlich schlauen Kopf auf seinem sich völlig durchschnittlich entwickelnden Körper trägt, fiel seinen Eltern schon im frühen Kindesalter auf. Während seine Altersgenossen auf die zu dieser Zeit populäre Fernsehserie "Teletubbies" abfuhren, begann Nikolaus Interesse für Architektur und Astronomie zu entwickeln. Seine Eltern unterstützten ihn. Sie besorgten illustrierte Fachbücher und lasen viel vor. Wenn der Bub nicht Fußball spielen wollte, musste er auch nicht.
Die erste Klasse erschien Nikolaus kaum spannender als der Kindergarten. Deshalb durfte er mit Unterstützung des Starnberger Schulamts und gegen den Widerstand der Leitung der Pöckinger Grundschule "probeweise" von der ersten in die zweite Klasse wechseln. Aber nach drei Tagen Probezeit beschied der Rektor dem damals Sechsjährigen: "Das wird sowieso nichts." Er verweigerte dem Schüler Arbeitsbücher und -hefte; Nikolaus schaffte es trotzdem. Am Ende des Schuljahres wechselte er die Grundschule.
Nur im Sport lief es nicht optimal
"Selbstbestimmtes Lernen und Lernen in der Schule passen nicht unbedingt zusammen. Toller ist, sich selbst etwas beizubringen. In der Schule kommt es darauf an, sich zu adaptieren", erkannte Nikolaus für sich. Im Gymnasium übersprang er insgesamt drei Jahrgänge, die Note "sehr gut" kam nie ins Wanken.
Nikolaus überzeugte durch Leistung. Seine Wortmeldungen fanden zunehmend Beachtung. "Wenn ich heute was sage, hört man mir zu. So wahrgenommen zu werden, ist ein gutes Gefühl", sagt er. In seinem Elternhaus hat er gelernt, frei und ungezwungen zu reden. Die Atmosphäre daheim ist gelöst. Nicht viele Heranwachsende haben so viel Freiraum wie er. Die Steine, die Nikolaus derzeit noch im Weg liegen, sind gesetzliche Schranken. An den Kollegstufenpartys, zu denen er eingeladen war, konnte er wegen des Jugendschutzes nicht teilnehmen. Viele seiner Freunde dürfen schon Auto fahren, er nicht.
Der Altersunterschied zwischen Nikolaus und seinen Mitschülern war enorm, manchmal bis zu sechs Jahren. "Kein Problem", versichert er. Nur im Sport lief es nicht optimal. "Ich wollte mich nicht als unsportlich outen. Aber als Elfjähriger mit 16-Jährigen mitzuhalten, das ging gar nicht." Dafür hatte Nikolaus speziell in Mathematik, Chemie und Physik die Nase vorn. Sein Chemielehrer vom Starnberger Gymnasium vermittelte ihn an Herbert Mayr, der Chemie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München lehrt. "Absolut begeistert" stürzte sich Nikolaus auf seine Facharbeit über die "Solvolyse von Benzhydrylbromiden".
In den Sommerferien darf Nikolaus nun eine vierwöchige Forschungsarbeit in der Pharmakologie absolvieren und den Segelschein machen. Mit Beginn des neuen Semesters will Nikolaus dann ein Chemie-Studium starten. Als Berufsziele locken ihn die Erforschung von Energiereserven, der Kampf gegen Krankheiten oder die Gehirnforschung. Wofür er sich letztlich entscheiden wird, sei aber noch vollkommen offen, sagt Nikolaus. Er hat für diese Wahl ja auch noch ein wenig Zeit.