Stadtforum:München - hoch hinaus?

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Eine leidenschaftliche Debatte im Literaturhaus über den Hochhaus-Bau in der Stadt.

Von Alfred Dürr

Demokratie funktioniert doch eigentlich ganz einfach. Man hat ein Konfliktthema; die einen sagen so, die anderen haben eine andere Meinung. Das Volk bekundet dann, was es will - mit Mehrheit. So stellt sich das Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD) auch beim Münchner Hochhaus-Streit vor.

Neu und Alt. (Foto: Foto: bl)

Die Debatte über Gestalt, Sinn und Zweck der Türme soll nicht nur von Fachleuten wie Architekten, Investoren, Planungsexperten oder Journalisten geführt werden. Die Münchner müssen jetzt das Wort haben - ein Bürgerentscheid soll her!

Das war der Zündstoff zwischen Georg Kronawitter und seinem Nachfolger und Parteifreund Christian Ude beim Stadtforum von Stadtsparkasse, dem Gasteig Kulturzentrum und der Süddeutschen Zeitung im überfüllten Saal des Literaturhauses. Ein Bürgerentscheid zum Thema Hochhäuser? Da kann Ude nur verächtlich schmunzeln: Über welche konkrete Frage soll denn überhaupt abgestimmt werden?

Schöne Türme

Etwa über eine nach dem Motto "Wir wollen schon Türme, aber bitte nur schöne" ? Und was sind dann die Kriterien für ein "schönes Hochhaus"? Und ist bei solchen Geschmacksfragen am Ende wirklich jeder zufrieden? Kurz: Ude sieht Kronawitters Bauverhinderungsbegehren als noch sehr unausgereift an. Ob es überhaupt eine Mehrheit bekommen würde, sei äußerst zweifelhaft. "Aber bitte, wer es probieren will, kann es gern tun", sagte Christian Ude.

Die Debatte auf dem Podium brachte den sachlichen Konflikt, der hinter Kronawitters Spiel mit einem Bürgerbegehren steht, sehr klar zum Ausdruck. Schon seit mehreren Jahren steht Kronawitter an der Spitze der Hochhaus-Ablehnungsfront. Das Schlüsselwort in seiner Anklage heißt "Beliebigkeit": Wie am Fließband seien in den vergangenen Jahren die "Klötze" und "Vierkantbolzen" zum Schaden der Stadtsilhouette produziert worden - "an beliebigen Stellen, in beliebiger Höhe, von beliebiger Architekturqualität".

Beliebige Haltung

Nicht zu vergessen: mit einer beliebigen Haltung des Stadtrats gegenüber renditesüchtigen Investoren. Eine Provokation für Ude. München sei nie eine flache und platte Stadt gewesen. Früher hätten der Dom, die Kirchturmspitzen und die Kuppeln für eine spannende Rhythmisierung des Stadtbildes gesorgt. Heute seien es eben auch die Hochhäuser, die dies in die Zukunft fortsetzen.

Die beiden neuen Hochhäuser an der Donnersbergerbrücke gäben der breiten Bahnschneise erst einen städtebaulichen Rahmen. Ähnlich sei es im Norden an der Nürnberger Autobahn: "Früher war das eine Gerümpelhalde, jetzt kommt städtebauliches Flair dahin." Die Perspektive in den Süden gewinne durch das geplante Hochhausensemble auf dem Siemensgelände. Alles Beispiele, wo es keine zukunftsverweigernde Haltung geben dürfe.

"München muss doch nicht für ewig wie das mittelalterliche Rothenburg ob der Tauber bleiben" - eine Spitze gegen Kronawitter, für die Ude ein schrilles Pfeifkonzert aus dem Publikum entgegenschallte. Totschlagargumente führten nicht weiter, sagte Kronawitter. TU-Architekturprofessor Wilhelm Kücker ging mit Engagement gegen die Hochhausplanungen vor.

Drohkulisse am Odeonsplatz

Am Odeonsplatz baue sich geradezu eine Drohkulisse auf, weil man hinter dem Siegestor und der Sichtachse der historisch bedeutsamen Ludwigstraße ein Hochhaus wachsen sehe. Er könne nicht verstehen, wie München mit seinem städtebaulichen Gut so leichtfertig umgehe: "Die Türme stören überall, sie integrieren sich nicht ins Stadtbild."

Hochhäuser sind kein Übel, sie lösen auch Probleme, konterte Markus Allmann. An der Schenkendorfstraße hat das Büro Allmann, Sattler, Wappner den Turm der Münchner Rück entworfen: "Die Büroräume konnten im Hochhaus verdichtet werden, damit wurde in der Außenanlage Platz für ein Biotop geschaffen." Vor Hochhäusern müsse man keine Angst haben, so der Architekturkritiker und Fan von Türmen, Gerhard Matzig vom SZ-Feuilleton.

Städte wüchsen weiter und sie veränderten sich auch: "Die Stadt muss auch in die Höhe gehen, sonst wird sie fett und zerklüftet." Die traditionelle Silhouette der Stadt zu bewahren, aber München auch weiter zu entwickeln - das sei immer der Anspruch der Stadtplanung gewesen, so Stadtbaurätin Christiane Thalgott. Von Beliebigkeit und Willkür könne dabei keine Rede sein.

München noch unfertig

Die sorgfältige Auswahl der Standorte, die Diskussion über Gestaltungsfragen mit Wettbewerben und über die Stadtgestaltungskommission sowie die Bürgerbeteiligung seien zentraler Bestandteil der Planungen.

"Hochhäuser fallen nicht einfach irgendwo vom Himmel", meinte Professor Ferdinand Stracke, der Ende der achtziger Jahre für die Stadt einen ausführlichen Kriterienkatalog für Hochhausstandorte entwickelt hatte. München sei noch nicht fertig und die Stadt werde auch in Zukunft noch weitere Hochhäuser bekommen.

Zu Beginn der Veranstaltung erinnerte der Moderator der Debatte, SZ-Lokalchef Arno Makowsky, an Otto Steidle, den Architekten und Planer des Wohnhochhauses auf der Theresienhöhe. Steidles unerwarteter Herztod am vergangenen Wochenende habe alle bestürzt, die sich mit Architektur auseinander setzen.

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