Stadtentwicklung:Die Hochhaus-Diskussion lebt wieder auf

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Vor rund eineinhalb Jahren haben die Münchner Bürger für eine Begrenzung der Bauhöhe auf 100 Meter gestimmt. Jetzt stehen umstrittene Turmprojekte wieder auf der Tagesordnung des Stadtrats.

Alfred Dürr

Rund eineinhalb Jahre nach dem Anti-Hochhaus-Bürgerentscheid standen gestern die so heftig umstrittenen Turmprojekte wieder auf der Tagesordnung des Stadtrats. Bereits nach einem Jahr ist nämlich die gesetzliche Bindungsfrist an das Votum abgelaufen.

Die Highlight-Towers im Münchner Norden - ein Fremdkörper im Stadtbild, sagen die Gegner. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Bei einem Expertenhearing mit dem sperrigen Titel "Stadtgestalt und neue Architektur im Spannungsfeld zwischen Identität und Wandel der Stadt" ging es im Kern um die eine Frage: Lässt es nun das Rathaus zu, dass Hochhäuser ungehindert aus den Bauplätzen wachsen?

Um das Ergebnis der nahezu dreistündigen Veranstaltung vorwegzunehmen: Stadtrat und Verwaltung pfeifen keineswegs auf den Bürgerentscheid vom 21. November 2004.

Trotz geringer Wahlbeteiligung und eines sehr knappen Ausgangs respektiere man auch weiterhin das Ergebnis, bekräftigt Oberbürgermeister Christian Ude. Für ihn gibt es auch keinerlei rechtliche Zweifel an der Zulässigkeit des Bürgerentscheids.

50,8 Prozent derjenigen, die sich an der Abstimmung beteiligt hatten (das waren 21,9 Prozent der Wahlberechtigten), hatten den Kurs der Stadtplanung festgelegt - eine generelle Höhenbegrenzung von 100 Metern.

Planungsverbot für Turmprojekte?

Zwei Bauherrn, die unmittelbar von der Abstimmung betroffen waren, beugten sich dem Bürgerentscheid. Siemens speckte seine Hochhausprojekte in Obersendling ab. Der Süddeutsche Verlag plante die Konzernzentrale in Steinhausen vollständig um.

Eine anderes Thema ist freilich, ob sich die Kommunalpolitik für alle Zeiten ein Denk- und Planungsverbot für neue Hochhäuser in der Stadt auferlegen soll. Aktuell befinden sich keine Turmprojekte in der Warteschleife.

Es gibt keine Standorte und Bauvorhaben, die mit der Höhenbegrenzung Probleme bekommen könnten. "Ausgeschlossen ist aber nicht, dass sich die Situation in einigen Jahren anders darstellt", sagt Ude. "Wenn dieser Fall eintritt, muss der Stadtrat neu über Hochhäuser entscheiden."

Stadtbaurätin Christiane Thalgott sagt, dass man bei einigen Standorten in der Stadt die Planungen noch nicht abgeschlossen habe. Das betrifft zum Beispiel Bereiche der neuen Parkstadt Schwabing oder das Areal am Georg-Brauchle-Ring, gegenüber dem Hochhaus Uptown München.

Stadtbild zwischen Bewahrung und Veränderung

Neue Türme sind also nicht ausgeschlossen, wenn Fragen zum Beispiel nach architektonischer Qualität, Einfügung in die Nachbarschaft oder der öffentlichen Nutzung von Teilen der Hochhäuser zufriedenstellend beantwortet werden. Entsprechende Qualitätsregeln und Leitlinien zur Stadtgestalt will das Planungsreferat erarbeiten und dem Stadtrat vorlegen.

Bereits seit einem Jahr setzen sich Architektur- und Planungsexperten in Gesprächsrunden mit dem Spannungsfeld zwischen Bewahrung und Veränderung des Stadtbildes auseinander.

Es geht um Hochhausdebatten in mit München vergleichbaren europäischen Städten (Professor Ferdinand Stracke), um die Frage, ob Turmprojekte überhaupt ökologisch und wirtschaftlich sind (Professor Gerhard Hausladen und Immobilienfachmann Hartmut Bulwien) sowie um die Themenbereiche Städtebau (Professorin Sophie Wolfrum) und Gestaltung (Architekt Matthias Sauerbruch).

Diese Fachleute, zu denen auch der Münchner Architekt Uwe Kiessler gehört, beleuchteten in dem von der Architekturexpertin Nicolette Baumeister moderierten Hearing differenziert und ausführlich ihr jeweiliges Gebiet.

Hochhäuser gehören zu München

Gegen Hochhäuser ist keiner von ihnen. München sei eine dynamische und offene Stadt. Hochhäuser gehörten dazu, lautete das Fazit. Sie seien auch Bestandteile einer verantwortungsbewussten Baukultur. Pauschale oder gar emotional geprägte Festlegungen auf einzelne Standorte, Bautypen oder Höhen könnten keine Kriterien für eine erfolgreiche und von den Bürgern akzeptierte Stadtplanung sein.

Der Präsident der Industrie- und Handelskammer, Professor Erich Greipl, wünscht sich mit klaren Leitlinien zur Stadtplanung und auch zum Bau von Hochhäusern ein deutliches Signal an die Wirtschaft: München als ein verlässlicher Partner.

Dass durch den Anti-Hochhaus-Bürgerentscheid Stadtratsbeschlüsse gekippt worden seien, habe potenzielle Investoren irritiert: "Im harten Konkurrenzkampf der Metropolen können wir uns das nicht leisten."

Beim Hearing wurde es nicht angesprochen, aber man kann es nicht verdrängen: Der Ausgang des Bürgerentscheids war eine Blamage für die Stadtplanung, ein Schock für die Wirtschaft und eine persönliche Niederlage für den Oberbürgermeister.

Mit dem Beginn einer neuen Hochhausdiskussion will man aus Fehlern lernen und mit besseren Argumenten gegen Kritiker gerüstet sein.

© SZ vom 30.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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