Stadteil-Politur:Krimi um ein stilles Viertel

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Um Giesing etws bekannter zu machen, legt ein PR-Unternehmen eine Leiche vor den Giesinger Bahnhof. Keine echte natürlich. Der Mörder kann in Kneipen des Stadtteils gesucht werden, und zwischendrin liest Friedrich Ani.

Von Susanne Paulus

Im Glockenbachviertel tobt das Nachtleben. Dort aber, wo Au und Untergiesing ineinander übergehen, scheint der fröhliche Lärm von nebenan ein weit entfernter Traum. Ein Ortsfremder, der zu später Stunde auf der Suche nach einer Kneipe die Sommerstraße entlang geht, wird wohl bald umkehren, so still ist es. Dabei gäbe es sehr wohl ein paar gute Einkehrmöglichkeiten: den Brandner Kasper zum Beispiel, die Burg Pilgersheim oder das The Dub.

Mord in Giesing - wer wars? (Foto: Foto: Alec Ward)

Damit das ausgehfreudige Publikum in Zukunft keinen großen Bogen mehr um Giesings Gaststätten macht, hat sich die PR-Agentur Cogma 28 etwas Neues einfallen lassen: Unter dem Titel "Mord in Giesing" hat am kommenden Freitag der erste Kneipen-Krimi Premiere.

Eine Mischung aus Kultur- und Marketingveranstaltung soll das Image des Viertels aufpolieren: In Anlehnung an die Lange Nacht der Museen findet in 13 Lokalen eine interaktive Verbrecherjagd statt. Die Zuschauer werden zu Laienkommissaren. Für Gäste, die die Aufklärungsarbeit gern anderen überlassen, gibt es in jeder Kneipe ein Rahmenprogramm, zum Beispiel auch eine Lesung des Krimipreisträgers Friedrich Ani in der Stadtbibliothek Obergiesing. "Ani verarbeitet das Klischee des Glasscherbenviertels in Kunst", findet "Mord"-Organisator Thomas Schächtle.

Eigens für den zu lösenden fiktiven Fall baut die Münchner Polizei am Giesinger Bahnhof einen amtlichen Tatort mit Absperrband und Leichenumriss auf. Die bekannten Fakten rund um das Verbrechen lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Einziger Zeuge des Mordes und somit auch verdächtig ist ein alter Kioskbesitzer, der etwas von einer geheimnisvollen Frau und einem weiteren Schatten am Tatort berichtet.

Wer bei "Mord in Giesing" einsteigen möchte, kann in jeder beteiligten Kneipe seine Recherchen beginnen und sie beliebig fortsetzen. Die Hinweise sind in jedem Lokal auf eine andere Art und Weise zu finden - vielleicht entpuppt sich der Barkeeper als Kontaktmann oder ein Zettelchen klebt unter dem Tisch. Die Verdächtigen mimt die Impro-Theatergruppe "Los, Paul!". Deren Schauspieler greifen zu bestechenden Mitteln, um sich Freunde in Ermittlerkreisen zu erwerben. Erst plaudern sie unverfänglich mit den Laienkommissaren, dann geben sie auch mal einen aus. Hat ein fleißiger Schnüffler durch richtiges Kombinieren den Schuldigen entlarvt, kann er seine Ergebnisse auf einem Flyer eintragen und an einem Gewinnspiel teilnehmen.

Das Unterwelt-kompatible Rahmenprogramm hält auch für passivere Gäste etwas bereit. Im Brandner Kasper zum Beispiel feiert die Wirtin Dagmar Brandner den Geburtstag ihres Stammgastes Ascherl, Pfarrer von Untergiesing. Weil der Geistliche Wien mag, soll das Lokal in eine dem Filmklassiker "Der dritte Mann" entlehnte Atmosphäre getaucht werden. Für Liebhaber sinnlicher Musik ist im Kulturzentrum Giesinger Bahnhof Tango geboten. Sogar für diejenigen, die für "Tatort" und Donna Leon überhaupt nichts übrig haben, gibt es Konzerte.

"Mord in Giesing" ist das erste große Projekt des jungen PR-Unternehmens Cogama 28, das seine Kosten für Akteure und Werbung über wenige Sponsoren und Beiträge der teilnehmenden Wirte begleicht. Dabei geht es nicht nur um Unterhaltung, sondern einen Effekt, den Organisator Thomas Schächtle als "cognitive mapping" beschreibt: "Wir stellen uns vor, dass in den Köpfen der Menschen Landkarten existieren, so genannte ,mind maps'. Im Bezug auf München sind sie sehr detailgenau für Bereiche, in denen man wohnt oder sich gerne aufhält." Randbezirke oder ökonomisch schwache Viertel wie Giesing fehlen auf diesen "mind maps". Das will Schächtle ändern: " Wir wollen Konzepte entwickeln, die zu den weniger gefragten Gebieten einen emotionalen Bezug herstellen. Der ist unabdingbar, um einen Ort als Marke in den ,mind maps' einzutragen."

Und für etwas einfachere Gemüter, die nicht so viel auf Theorien geben, übersetzt die Wirtin vom Brandner Kasper den Nutzen von "Mord in Giesing" so: "Wichtig ist mir die Werbung für mein Geschäft. Ich freue mich, wenn die Leute aus Schwabing und Neuhausen mal zu uns nach Untergiesing finden."

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