Stadt will Scientology-Kindergarten schließen:Ein "drastischer Fall"

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Der Verfassungsschutz warnt vor den Aktivitäten der Organisation und spricht von einem "drastischen Fall".

Christian Rost

Die Stadt geht gegen einen Kindertagesstättenverein vor, dem ausschließlich Mitglieder von Scientology angehören. Einen Kindergarten, den der Verein seit einem halben Jahr in Sendling betreibt, will das Schulreferat schließen lassen.

(Foto: Foto: Andreas Heddergott)

50 Scientologen, deren Organisation das Landesamt für Verfassungsschutz als extremistisch einstuft, demonstrierten am Freitag vor dem Innenministerium gegen die Verbotspläne.

Während ein Sprecher des Verfassungsschutzes die Tatsache, dass Scientology in München eine eigene Kindertagesstätte aufgebaut hat, als "drastischen Fall" bezeichnet, sehen sich die Scientologen einer "Rufmordkampagne" ausgesetzt.

Die Tagesstätte in der Lenaustraße war im Sommer 2007 vom Verein "Kinderhäusl" eröffnet worden. 18 Kinder im Alter von zwei Jahren an besuchen derzeit die Betreuungsstätte, die von zwei Erzieherinnen geleitet wird. Die Stadt stellte dem Verein - wie jedem anderen freien Träger einer Kindertagesstätte - einen Baukostenzuschuss in Aussicht.

In diesem Fall waren es 52.000 Euro, die bis dato allerdings nicht ausbezahlt wurden, wie Josef Tress, der stellvertretende Leiter des Schulreferats, der SZ bestätigt.

Was die Stadt erst seit kurzem weiß: Alle Eltern der Kinder, der Vorstand des Vereins und auch die beiden Erzieherinnen sind Mitglieder von Scientology. Der Verfassungsschutz warnt in seinem aktuellen Bericht vor der Organisation: Sie sei bestrebt, eine "neue Zivilisation" nach ihren verfassungsfeindlichen Vorstellungen zu schaffen, und versuche, verstärkt politischen Einfluss zu nehmen.

Durch die Verfassungsschützer erfuhr die Stadt vom Hintergrund des Vereins "Kinderhäusl". Dem Bericht zufolge seien gleich mehrere Vereinsangehörige "nicht nur einfache, sondern hochrangige Mitglieder von Scientology".

Dabei handle es sich um sogenannte "Operierende Titanen", die in der Organisation nach einer strengen Vorauswahl in mehreren Kursen auf ihre höheren Aufgaben vorbereitet würden, so Landesamtssprecher Michael Feiler.

Seiner Ansicht nach wird der Verein dazu benutzt, die Ideologie von Scientology weiter zu verbreiten. Schon über eigene Nachhilfeinstitute habe Scientology versucht, in München Fuß zu fassen. Man werde die Aktivitäten weiter genau beobachten.

Die Stadt will nun der Kindertagesstätte die Betriebserlaubnis entziehen. Außerdem wird nach SZ-Informationen geprüft, ob dem Verein "Kinderhäusl" die Gemeinnützigkeit aberkannt werden kann.

Während diese Maßnahmen für den Verfassungsschutz zweifelsfrei begründet sind, hüllt sich das Schulreferat derzeit in Schweigen über das weitere Vorgehen, "um das juristische Verfahren nicht zu gefährden", wie Josef Tress sagt. "Eine öffentliche Verwaltung kann aber keine extremistische Organisation dulden."

Das Schulreferat hat dem Kindertagesstättenverein eine Frist bis 10. Januar gesetzt, um zu den Vorhaltungen Stellung zu nehmen. Nach den Angaben von Bernd Trepping, Vereinsmitglied, Vater eines dreijährigen Sohnes und bekennender Scientologe, habe die Stadt den Eltern Hilfe bei der Suche nach einem anderen Betreuungsplatz für die Kinder angeboten.

Dies lehnt er aber ab, weil Kinder von Scientologen in anderen Einrichtungen diskriminiert würden: Gegen den Verein laufe eine "Rufmordkampagne", sagte der 41-Jährige am Rande der Demonstration vor dem Innenministerium. Seine Begleiter skandierten: "Wir nehmen unsere Kinder in Schutz vor den Lügen des Verfassungsschutz'."

© SZ vom 05.01.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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