ESC Geretsried:Anpacken - oder blechen

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Beim ESC Geretsried müssen Mitglieder aktiv mitarbeiten - oder zahlen. Sonst, so der Vorsitzende Stefan Strobl, könne man den Sport einstellen. Ein Gespräch.

Wolfgang Wittl

Fehlendes Geld, mangelndes Engagement: Für Sportvereine wird es immer schwieriger, ihr Angebot und den Unterhalt von Spielstätten zu bewältigen. Der ESC Geretsried, Eishockey-Landesligist aus dem Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen, hat darauf mit einer Satzungsänderung reagiert. Aktive Mitglieder über 16 Jahre sollen jährlich 20 Arbeitsstunden leisten - oder 2,50 Euro pro Stunde bezahlen. Der ESC-Vorsitzende Stefan Strobl, 47, hat mit Wolfgang Wittl über die Auswirkungen dieser Maßnahme gesprochen.

Stefan Strobl, 47, lobt die hohe Motivation der Mitglieder beim ESC. Die Politik mahnt er, die Vereine nicht zu vergessen: "Wir sind keine Schmarotzer." (Foto: N/A)

SZ: Wie viele Mitglieder hat der ESC derzeit, Herr Strobl?

Stefan Strobl: Das dürften an die 400 sein.

SZ: Und mit wie vielen rechnen Sie zum Jahresende?

Strobl: Es geht immer rauf und runter. Ich hoffe auf 450. Unser Ziel für die nächsten zwei Jahre sind 500, damit würden wir die nächste Förderungsgrenze knacken.

SZ: Sind Sie nicht in Sorge, dass Mitglieder dem Verein nach dieser unpopulären Entscheidung den Rücken kehren?

Strobl: Nein, zumindest nicht in großem Maß. Die Mitglieder wissen, dass wir auf ihre Mitarbeit angewiesen sind. Anders kann es nicht funktionieren, dann müssten wir den Eissport in Geretsried beenden. Wobei ich betonen möchte, dass es uns am wenigsten um Geld geht, sondern um die Mitarbeit.

SZ: Es ist zumindest eine ungewöhnliche Maßnahme, Arbeitsstunden oder wahlweise Zahlungen in die Satzung zu schreiben. Geht es dem ESC so schlecht?

Strobl: Wir haben die Ausnahmesituation, dass wir unser Stadion selbst betreiben. Der Unterhalt hat die Stadt früher ungefähr 220.000 Euro gekostet. Jetzt zahlt sie uns einen Zuschuss von 50.000 Euro und den Eismeister für den Winter. Die Differenz übernimmt der Verein.

SZ: Und deshalb ist der ESC mehr als andere Vereine auf Eigenleistung angewiesen?

Strobl: 20 Stunden oder 50 Euro, für Außenstehende klingt das vielleicht viel. Aber es geht hier nicht um Maurerarbeiten im Eisstadion, sondern um jede Form von Engagement. Unsere Teamleiter, Koordinatoren oder Mannschaftsbetreuer, die lachen über 20 Stunden doch nur.

SZ: Sie sagten, es gehe Ihnen auch um Gerechtigkeit. Sie wollen zum Beispiel Eltern erreichen, die ihre Kinder beim Verein abladen und selbst Ski fahren gehen. Ist es nicht das gute Recht von Mitgliedern, die Leistungen des Vereins in Anspruch zu nehmen, solange Sie Beiträge dafür bezahlen?

Strobl: Es ist ihr gutes Recht, wenn es so angeboten wird. Diese Situation haben wir aber nicht. Entweder die Mitglieder helfen mit - oder wir können den Sport einstellen. Es soll auch ein Signal an die besonders Engagierten sein, dass wir sie nicht alleine lassen.

SZ: Ist es nicht in allen Vereinen so, dass die Arbeit von wenigen getragen wird?

Strobl: Bei uns war die Aktivität der Mitglieder schon immer sehr hoch. Aber nach einer Zeit kommt Gewohnheit rein, es ist eine gewisse Müdigkeit zu erkennen. Es geht uns auch darum zu zeigen, dass die Motivation hoch bleiben muss. Wir müssen so weiterarbeiten, oder sogar noch mehr.

SZ: Die Satzungsänderung wurde mit großer Mehrheit bei nur wenigen Enthaltungen angenommen. Aber meist sind in solchen Versammlungen ohnehin nur die interessierten Mitglieder anwesend. Erwarten Sie noch ablehnende Reaktionen?

Strobl: Ich hatte extra eine E-Mail an alle Mitglieder geschickt und ihnen mitgeteilt, worum es geht. Ich wollte, dass so viele wie möglich kommen. Bisher gab es keinerlei Rückmeldungen. Dabei haben wir mehrere Szenarien durchgespielt. Ich bin auch jetzt noch gerne bereit, jedem zu erklären, warum wir das machen.

SZ: Mitglieder mitarbeiten oder zahlen lassen: Ist das ein Zukunftsmodell, sind Vereine sonst nicht mehr überlebensfähig?

Strobl: Es ist zumindest so, dass Vereine Arbeit verstärkt übernehmen müssen. Nur ein Beispiel: Wenn ein Fußballverein den Rasen selbst mähen muss, dann halte ich das für zumutbar. Es ist in Ordnung, wenn die Kommune die Gerätschaften stellt. Aber wir reden hier nicht von einer Arbeit, für die es einer besonderen Qualifikation bedarf. Oder in einer Hallensportart: Jeder ist in der Lage, den Boden zu wischen. Teilweise herrscht ein zu großes Anspruchsdenken. Anders sieht es bei der Gebäudeverwaltung aus, wenn Anlagen für die Öffentlichkeit nutzbar sind. Das ist für Vereine nicht machbar.

SZ: Mit solchen Aussagen werden Sie sich in anderen Vereinen nicht viele Freunde machen.

Strobl: Nicht, dass man mich falsch versteht: Inzwischen gibt es Diskussionen über die Eigenleistung von Vereinen, bei denen man dringend auf die Bremse treten sollte. Mitarbeit? Schön und gut. Aber Lokalpolitiker müssen verstehen, dass Vereine nicht grenzenlos beschnitten werden können. 30 oder 40 Prozent der Bevölkerung sind in Sportvereinen organisiert. Die Kommunen dürfen nicht vergessen: Es handelt sich hier um keine Schmarotzer, sondern um Steuerzahler.

SZ: Wenn nächstes Jahr der Vertrag mit der Stadt ausläuft, kann es sein, dass der ESC auch die Arbeiten des Eismeisters übernehmen muss. Wie wollen Sie das schaffen? In noch mehr Arbeitsstunden?

Strobl: Ein bisschen Luft für Optimierungen ist noch da. Grundsätzlich müssen wir weiter an den Einnahmen arbeiten. Bei unserer Wirtschaft oder im öffentlichen Lauf ist uns das bereits gelungen.

© SZ vom 15.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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