Dirtjumper bei der Bike Expo:Fett, Alter!

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Reiter der Dreckhügel: Die Dirtjumper bei der Bike Expo sind die Rampensäue unter den Mountainbikern. Und dennoch, um bei der Jury gut anzukommen, müssen die Sprünge elegant wirken.

Marco Maurer

Für einen Sport, bei dem Schmutz Teil des Spiels ist, haben "Dirtjumper" ganz schön viel Respekt vor Wind und Regen. Also vor denselben Witterungsbedingungen, unter denen sich auch Alltagsradler ungern aufs Gefährt schwingen. Allerdings war der Grund für die Verzögerung beim Mountainbike-Wettbewerb "Big in Bavaria" auf dem Freigelände der Messe München nicht ein erhöhter Grad an Wasserscheu oder Schmutzunverträglichkeit des 25-köpfigen internationalen Fahrerfeldes, sondern der empfindliche Untergrund des Kurses.

Völlig losgelöst: Scheinbar schwerelos hebt ein Fahrer beim "Big in Bavaria"-Contest am Sonntag ab. (Foto: region.regsport)

"Bei Regen geht nichts, die Fahrer können nicht den Speed aufbauen, um über die Rampen zu springen", sagte Organisator Bastian Dietz. So war das am Freitag, so war das auch am Samstag. Kein Sport, weder schmutzig noch sauber.

Am Sonntagmorgen dann, die Wolken hatten sich verzogen, mussten vier Helfer die etwa 100 Meter lange Strecke trockenlegen. Mit Bunsenbrennern. 40 Minuten später war die "Dirtramp" aus Beton und Lehm startklar, die sechs Hügel fahrbereit. Die Fahrer nahmen Geschwindigkeit auf, vollführten Tricks, schwebten, kreisten, standen in der Luft. "Smooth" schrie dann Tibor Simai, der federführende Wettkampfrichter. Simai, eine Szenegröße, sagt, worauf es beim Dirtjump ankommt: "Der perfekte Lauf darf nicht angestrengt aussehen, sondern muss Flow haben." Bestenfalls sehe ein Fahrer beim Lauf über die Dreckhügel aus wie ein Surfer beim Wellenritt.

Einer der Ersten, der versuchte, die Dreckwelle zu surfen, war Andreas Brewi. Der erste Sprung des Wieners von der etwa sieben Meter hohen Rampe sah noch ganz gut aus; der zweite Sprung, als er zu "Moon Safari" des französischen Elektropop-Duos Air seine eigene Ein-Mann-Mission in unendliche Weiten starten wollte, ging schief. Er stürzte ab - ausgerechnet beim Versuch eines Superman-Seat-Grabs, einer Übung also, bei der der Fahrer aussieht, als jage er seinem Fahrrad wie der Comic-Held hinterher.

Als ihn der Sprecher nach der unsanften Landung fragte, ob alles klar sei, reckte Brewi erst tapfer den Daumen nach oben; dann fasste er sich an die Hüfte und humpelte weniger heldenhaft zu den Sanitätern. Kurze Zeit später wurde Superman im Krankenwagen abtransportiert. Nach einer Weile hieß es, er liege im Klinikum Rechts der Isar, dort habe man nämlich keinen Handyempfang. Die Szene weiß Bescheid über die Infrastruktur des Münchner Gesundheitssystems. Und Zweifler merkten: Hier auf der Dirtramp gibt es vielleicht keine stählernen Supermänner, definitiv aber keine Weicheier.

"Der perfekte Lauf darf nicht angestrengt aussehen", sagt Kampfrichter Tibor Simai. "Er muss Flow haben." (Foto: Stephan Rumpf)

Als einer der Favoriten startete der Münchner Benny Korthaus. Der 27-Jährige ist bekannt für seine hohen Sprünge. Und seit der vergangenen Saison auch dafür, dass ihm ein Organ fehlt. "Bei einem Sturz in Wien ist mir die Milz gerissen." Mit den Gedanken an den Unfall und dem Blick auf die Sanitäter stand Korthaus dann oben auf der Rampe.

Er lieferte einen soliden ersten Run ab. Den zweiten brach er ab. Beim letzten Lauf fragte sich Korthaus, "mache ich etwas saves", etwas Sicheres also, "oder mache ich etwas Fettes". Dann habe er sich für letzteres entschieden. Sprungrichter Simai, goutierte es zielgruppengerecht mit einem "Alter, nice! Alteeeer!" Am Ende landete Korthaus auf Platz vier; den ersten Platz belegte der überragende Martin Söderström aus Schweden.

"Ich bin zufrieden, vor allem, wenn man über die nicht vorhandenen Trainingsstätten Bescheid weiß", sagte Korthaus. Seit dem Aus der Tretlager-Halle im Emmeringer Gewerbegebiet hat die Szene keine Trainingsmöglichkeit in München mehr. Korthaus trainiert seither häufig in Augsburg. "Optimal ist anders", sagt er. Die gegenwärtige Situation sei für die Millionen- und selbst ernannte Radlhauptstadt München eine Schande. Das war mal anders: Ein Kollege von Korthaus, Amir Kabbani - er belegte Rang fünf am Wochenende - zog vor drei Jahren extra nach München, weil hier die Trainingsmöglichkeiten mit mehreren Parcours "optimal gewesen" seien. Jetzt ging Kabbani wieder zurück in seine Heimat, nach Boppard bei Koblenz. Einwohnerzahl: 7497 - aber immerhin eine Dirtramp.

© SZ vom 27.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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