Spielplätze:Wo Münchens Kinder spielen sollen

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Vorbeigeplant - die Realität sucht sich ihre eigenen Wege

Christof Rührmair

Rund 630 städtische Kinderspielplätze gibt es in München. Gerade in der Stadt mit ihrer dichten Besiedlung sind sie wichtig, um Kindern die Möglichkeit zu geben, sich auch mal draußen auszutoben. Dementsprechend lässt sich die Stadt ihre Spielplätze einiges kosten. 3,2 Millionen Euro werden pro Jahr allein für den Unterhalt ausgegeben. Der Großteil davon geht an Firmen, die im Auftrag der Stadt die Plätze instand halten - beispielsweise in regelmäßigen Abständen den Sand austauschen. Ein Zehntel dieser Summe fließt direkt in den Ersatz abgenutzter Geräte.

Am Hohenzollernplatz finden Wespen und grün schimmernde Fliegen ein ideales Biotop. (Foto: Foto: Rührmair)

Zu behaupten, dass all dies verlorene Liebesmühe sei, wäre falsch. Mustergültige Spielplätze wie im Alten Botanischen Garten oder im Westpark zeigen, was möglich ist. Zusätzlich haben die Kinderbeauftragten der Bezirksausschüsse ein Auge auf die Spielplätze in ihren Stadtteilen, weisen auf Mängel hin. Meist würden diese dann auch schnell beseitigt, erklären sie unisono.

Dennoch: Längst nicht jeder Spielplatz in München ist in dem Zustand, den man sich wünschen würde. Manche werden für Trinkgelage genutzt bis die Abfalleimer von Bier- und Schnapsflaschen überquellen. Andere dienen als Hundeklos, liegen zu weit von Wohnungen oder Toiletten entfernt, als dass sie angenommen würden, oder sie sind mit einem minimalen Angebot schlicht zu langweilig. Dort sind die Investitionen der Stadt vergebens.

Eine bei weitem nicht vollständige Auswahl aus dem Stadtgebiet zeigt auf den nächsten Seiten, was schief gehen kann - und schief geht.

Edler Name, strenger Geruch - Spielplatz am Hohenzollernplatz

Mal ist der Auer Mühlbach abgesperrt, mal gefährlich nahe. (Foto: Foto: Rührmair)

Lange kann es nicht her sein, dass das kleine Häuschen neben dem Spielplatz am Hohenzollernplatz gestrichen wurde. Die gelbe Farbe leuchtet noch. Das erste Graffito hat sich trotzdem schon eingefunden. Ohne den Klecks würde die Wand auch schwerlich zum restlichen Spielplatz passen. Ein kleiner Rundgang um die Fläche, die an einem sonnigen Feriennachmittag kein einziges Kind anlocken konnte, fördert nicht nur Scherben von Bierflaschen und eine leere Wodkaflasche zu Tage, die auf der Begrenzungsmauer steht.

In der Nordostecke beginnt es zu stinken. Wespen und grün schimmernde Fliegen surren um einen größeren Kothaufen. Der entfaltet in der Wärme sein volles Aroma und nach einigen angewiderten Atemzügen ist man sich nicht mehr sicher, ob es sich beim Urheber um ein Tier oder einen Menschen handelt. Sollte ein Hund der Täter sein, könnte es an der mangelnden Begrenzung des Platzes liegen. Statt eines Zauns, wie er die meisten Plätze im Stadtgebiet schützt, wird der Platz nur von einem niedrigen Mäuerchen umgeben, das zudem große Lücken hat. Auch die Ausstattung ist spärlich: Zwei Wipptiere und eine beinahe unberührte Sandfläche stellen bereits das gesamte Angebot dar.

Selbst in den benachbarten Bezirk Schwabing-West ist die Kunde vom schlechten Zustand des Platzes bereits vorgedrungen. Die Kinderbeauftragte des dortigen Bezirksausschusses, Christine Feiler, ist eigentlich nicht mehr für den Hohenzollernplatz zuständig. Nach schlechten Spielplätzen befragt, war er trotzdem der erste, der ihr einfiel. Lange nachdenken musste sie dafür nicht.

Forscherlücke voller Tücke - Abenteuerspielplatz am Auer Mühlbach

Direkt hinter dem Gesundheitsamt, am Neudeck, liegt ein neu gestalteter Abenteuerspielplatz. Er hat nur einen Eingang und ein hoher Zaun umschließt ihn. Für Eltern eine geradezu ideale Konstellation, um ihre Kinder einfach mal laufen zu lassen. Denn von der Bank in der südwestlichen Ecke können sie sowohl den Eingang als auch den langen Hang bis zur Hochstraße gut überblicken. Was sollte also passieren?

Gefährlich wird es am entgegengesetzten Ende, das man vom Sitzplatz am Eingang nicht sehen kann. Dort trifft der neue Maschendrahtzaun auf einen alten Holzzaun. Genau genommen aber treffen sich die beiden nicht - und das ist das Problem. Zwischen Betonpfosten und Lattenzaun ist eine Lücke.

Kindlicher Forscherdrang aber findet schnell heraus, dass sie breit genug ist, um sich durchzuquetschen und so den Uferstreifen des Auermühlbachs zu erreichen. Der ist rund einen Meter breit und fällt senkrecht in den kräftig dahinströmenden Bach ab, von dem der Maschendrahtzaun die neugierigen Kinder eigentlich fernhalten sollte.

Rund 400 Meter Luftlinie entfernt, am Kegelhof, wäre man froh um eine Lücke im Zaun. Der dortige Spielplatz liegt auf einer Insel im Auer Mühlbach, war früher beliebt. Der nördliche, zehn Zentimeter tiefe Bacharm war zugänglich und bot Gelegenheit zum Plantschen. Inzwischen ist er aber durch einen hohen Metallzaun abgetrennt. Das Wasser des Bachs ist angeblich verschmutzt, und so bleibt den Kindern an heißen Tagen nur der sehnsüchtige Blick aufs kühle Nass.

Schön großzügig, schön einsam - Spielplatz am Eisbach

Zwischen dem Eisbach und den Sportanlagen am Hirschanger liegt ein großzügiger Spielplatz. Sonne und Schatten wechseln sich ab, Rutschen, Schaukeln und Klettergerüste laden ebenso ein wie zwei Berge aus Sand und Erde. Auch der Müll, der sich im Sommer häufig auf der nahen Liegewiese am Eisbach türmt, ist noch nicht bis über den Zaun des Spielplatzes vorgedrungen. Dennoch ist er fast leer. Drei Mütter mit Kindern verlieren sich praktisch auf dem Gelände. "Eigentlich ist es schön hier, weil so wenig los ist", freut sich eine von ihnen. "Es gibt in der Nähe weder einen Kiosk noch Toiletten", erklärt sie die Nachteile des Platzes. "Wahrscheinlich wird er deswegen nicht so gut angenommen."

Norbert Weigler (Grüne), der Kinderbeauftragte des örtlichen Bezirksausschusses Altstadt-Lehel, weiß von eben diesem Spielplatz ganz andere Probleme zu berichten. In der Gegend gebe es nachts eine weithin bekannte Stricherszene. Deren Existenz hat den Platz bereits eine Erweiterung gekostet. Vor einiger Zeit habe man dort eine Hängematte installieren wollen, erzählt Weigler.

Von Seiten der Stadt habe man damals aber von der Aufstellung dieses Geräts abgeraten. Die bequeme Hängematte, so die Befürchtung, könne von der Stricherszene geradezu als Einladung auf den Spielplatz verstanden werden. Weil deren mögliche Hinterlassenschaften auf einem Spielplatz aber nichts verloren haben, gab es keine Hängematte. In den nächsten Jahren steht der Spielplatz zur Überarbeitung an. Ob das die Probleme des Umfelds lösen kann, ist aber mehr als fraglich.

Mehr Pfoten denn Füße - Spielplatz in Laim

Der traurigste Spielplatz Laims befindet sich für Erika Sturm (Grüne), die Kinderbeauftragte des örtlichen Bezirksausschusses, am Fröbelplatz. "Er liegt zwischen zwei Straßen, das ist das reinste Hundeklo", erzählt sie. Ohne Zaun ist der Spielplatz ungeschützt gegen Gassigänger und ihre besten Freunde. Auf deren Konto gehen dann auch die meisten Spuren im Sandkasten.

Am Eingang zum Spielplatz steht als stummer und erfolgloser Torwächter ein einsames Holz-Motorrad auf einer kräftigen Metallfeder. Es ist - abgesehen vom Sandkasten - die einzige Attraktion auf dem armseligen Spielplatz. Kein Wunder, dass er Hunden besser gefällt als Kindern. Wer sich dennoch auf das Motorrad setzt, starrt eine Mauer an, von der der Verputz abgeplatzt ist. Das Mauerwerk darunter liegt großflächig frei.

An der Nordseite des Platzes fehlt eine Bank. Nur noch zwei unansehnliche Betonfüße zeigen, wo sie gestanden haben muss. Dahinter ist die Wand beschmiert. "Laim" hat dort jemand mit einem dicken Filzstift hinterlassen. Die Schrift ist krakelig und kaum zu entziffern - es könnte auch "Lain" heißen. Auf diesem traurigen Spielplatz erregen sogar die Graffiti Mitleid.

Bierflaschensammelstelle - der Louisoder-Spielplatz

Irgendwo auf der Tischtennisplatte muss sich die Mittellinie befinden. Beschmiert wie sie ist, lässt sie sich aber nicht mehr erkennen. Auch die Pfeiler des Unterstandes auf der Nordseite des Louisoder-Spielplatzes an der Raintalerstraße sehen nicht besser aus. Selbst an den Stangen der Spielgeräte findet sich Sprühfarbe.

Eigentlich ist der Platz gut ausgestattet. Kletternetze, Schaukel, Rutsche, Sandkästen und Spielhäuschen bieten sich den Kindern an. Der Platz selbst ist umgeben von Bänken für die Eltern. Eine hohe Mauer schützt die Sandflächen vor Hunden. Dennoch kommen viele Familien nur ungern hierher. "Es ist schon ein bisschen versifft, wahrscheinlich wegen der benachbarten Jugendeinrichtung", erzählt ein Elternpaar.

Die Jugendeinrichtung ist das Fan-Projekt. "Das ist ein Sozialprojekt, in dem jugendliche Fußballfans lernen sollen, für ihre Gewaltbereitschaft friedliche Ventile zu suchen", erzählt Christa Knappik. Sie leitet den Regsam-Arbeitskreis "Spielen in Giesing-Harlaching". Seit einigen Jahren sei das Projekt in einem kleinen Häuschen untergebracht, dessen Ein- und Ausgang auf den Spielplatz münde. Manchmal würden die Jugendlichen eben auch die Arkaden nutzen. Die Eltern der Kinder sehen die Besucher am Spielplatz kritisch: Manchmal, erzählt ein Vater, liegen dann Bierflaschen herum oder sitzen Betrunkene auf dem Platz.

"Eigentlich gehen wir lieber auf andere Spielplätze", sagt das Elternpaar. Das allerdings ist in Giesing gar nicht einfach. Der Louisoder-Spielplatz hat nur wenig "Konkurrenz". Nicht umsonst bemüht sich der Bezirksausschuss immer wieder um ihn. Auch die Lage zwischen Wohnblocks macht den Spielplatz wichtig. So kommt es, dass er trotz allem gut besucht ist. Und notgedrungen schreiten die Besucher dann auch zur Selbsthilfe: "Wenigstens sammeln manchmal Mütter die Bierflaschen ein", sagt der einzelne Vater.

Hunde, Junkies, Vandalismus - der Postwiesenspielplatz

Das Gerücht von den Spritzen auf dem Postwiesenspielplatz zwischen Orleans- und Pariser Straße ist nicht aus der Welt zu bekommen. Und ganz von der Hand zu weisen sind die Befürchtungen wohl auch nicht. Die Drogenszene auf dem Orleansplatz ist nicht weit, der Spielplatz groß und von der Straße kaum einsehbar. Was läge für Junkies also im wahrsten Sinne des Wortes näher, als den Platz abends für ihre Zwecke zu nutzen?

Dabei hätte der Spielplatz die Drogenszene gar nicht nötig, um in dieser Auswahl aufzutauchen. Auch dass die Türen des Zauns offen stehen und so kaum Hunde abhalten dürften, ist nur eines der Probleme, das auch viele andere Münchner Spielplätze haben. Die üblichen Türschließer sind zu gefährlich, weil sie Kindern leicht Hände oder Finger einquetschen können. Mechanismen, die die Türen langsam und sanft schließen, gibt es zwar, bis alle Spielplätze damit ausgerüstet sind, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen.

So kommt es auf die Besucher an, und die lassen die Türen eben offen. Auch bei der Behandlung des Spielplatzes auf der Postwiese selbst sind sie nicht besonders sorgfältig. Ein Mülleimer ist umgeworfen, sein Inhalt liegt verstreut herum. Ein anderer quillt über. Am Boden kleben vom Regen der letzten Nacht aufgeweichte Pizzakartons.

Auch bei den Geräten macht sich der Umgang bemerkbar. Der Pumpe auf dem Wasserspielplatz fehlt der Schwengel. Man habe ihn abgenommen, erklärt Baureferatssprecherin Dagmar Lezuo. Die Pumpen auf Wasserspielplätzen seien immer wieder von Vandalismus betroffen. Deswegen habe man auf mehreren Plätzen die Schwengel abmontiert - so auch auf der Postwiese. Wasser gibt es trotzdem noch: Von 10 bis 18 Uhr fließt es , unabhängig davon, ob Kinder da sind oder nicht - langfristig komme es die Stadt billiger, das Wasser einfach laufen zu lassen, als die Pumpen andauernd reparieren zu müssen, sagt Lezuo.

© SZ vom 17.08.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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