Sperrzeiten in Großstädten:Spät ausgeschenkt

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Menschen sitzen draußen am Gendarmenmarkt in Berlin und genießen das Wetter. (Foto: dpa)

Ab 23 Uhr ist Schluss mit Draußensitzen in München. Da kann die Sommernacht noch so vergnügt und lau sein. Die Politik debattiert nun, ob die Landeshauptstadt liberaler werden sollte. Ein Blick auf die anderen deutschen Großstädte.

Laue Nächte dürfen auch mal lange Nächte werden - so wünschen es viele Münchner und Touristen, die sich an Sommerabenden in der Stadt über die 23-Uhr-Grenze für die Bewirtung im Freien wundern oder empören. Die Politik debattiert nun wieder, ob München liberaler sein sollte, vor allem die Grünen fordern das. Andere Städte sind das längst - wobei auch andernorts über das Thema gestritten wird, wie ein Blick über die Landesgrenzen zeigt.

Berliner Nächte sind lang

Sperrstunde? Der Berliner lacht, wenn er dieses seltsame Wort hört, das in seinen Ohren mindestens so antiquiert klingt wie Prohibition. In der Stadt, in der sich Clubs wie das Kater Holzig per Mail dafür entschuldigen, dass sie wegen Bauarbeiten ausnahmsweise montags schon um vier Uhr morgens schließen müssen, darf man auch draußen sein Bier trinken, wann man will. Zwar herrscht auch in Berlin von 22 bis sechs Uhr offiziell Nachtruhe, aber an die müssen sich Gaststätten nur halten, wenn sich die Nachbarn gestört fühlen.

Und selbst dann kann das Lokal eine Ausnahmezulassung beantragen, mit der man bis 23 Uhr öffnen darf, freitags und samstags bis 24 Uhr. "Wenn sich keiner beschwert, gibt es keine weiteren Kontrollen", erklärt ein Mitarbeiter des Ordnungsamts Neukölln. Die Chancen, in Vierteln wie Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain eine Bar zu finden, vor der man auch um ein Uhr noch draußen sitzen darf, stehen also gut. Denn viele, die in den Straßen wohnen, in denen sich die Bars angesiedelt haben, sind um diese Zeit ohnehin noch nicht im Bett.

Judith Liere

Erst einmal ist alles erlaubt. So lange, bis sich einer beschwert. So einfach ist die Auskunft aus dem Ordnungsamt der Stadt Frankfurt, wo es im Sommer in den Bars und Restaurants spät abends auch außerhalb des Bahnhofsviertels heftig pulsiert. Zunächst einmal gibt es keinerlei Einschränkungen für die späte Bewirtung, auch keine Sperrstunde. Wo niemand sich belästigt fühlt, zum Beispiel am Main hinter der Brücke Eiserner Steg mit Blick auf die grandiose Silhouette gegenüber, wird entspannt bis weit in die Nacht hinein serviert.

Liegestühle eines Cafes in Frankfurt am Main. (Foto: dpa)

Konflikte gibt es hingegen in Trend-Quartieren, wie an der Oberen Berger Straße in Bornheim, wo Kneipen, Restaurants und Wohnungen eng beieinanderliegen. Dort gilt schlicht die Bundesemissionsschutzverordnung: Fühlt sich ein Anwohner durch laute Sommergärten gestört, wird der Lärm gemessen. Es kann schnell eine Auflage geben. Dann dürfen Gastwirte nach zehn Uhr nicht mehr draußen servieren.

Man muss aber nicht immer Polizei und Ordnungsamt rufen: In Bornheim haben Anwohner und Gastwirte es mit einem runden Tisch versucht und sind einander entgegengekommen. Die Nachtruhe wurde ein Stück nach hinten verschoben. Die Wirte versprechen dafür, die Interessen der Anwohner zu schützen. Die Regeln werden den Gästen auf Schildern erklärt. Weil aber nicht alle Wirte und Gäste mitmachen, gibt es, so war zuletzt zu hören, die gewünschte Ruhe dennoch nicht immer.

Jens Schneider

Völlig zu Recht gelten die Schwaben als eifrig und gesittet, noch nie hat ihnen irgendwer unterstellt, wilde Feierbiester zu sein. Dabei wären die Rahmenbedingungen dafür in Stuttgart gar nicht schlecht: Keine feste Regel schreibt vor, wann draußen Schluss ist - die Stadt entscheidet jeden Fall einzeln. Die Lokale auf der Ausgehmeile Theodor-Heuss-Straße, von Szenegängern bloß "Theo" genannt, dürfen auf ihren Freiflächen bis zwei Uhr in der Nacht ausschenken, am Wochenende bis drei Uhr.

In anderen Ecken der Stadt ist ein Uhr Standard; in ruhigeren Wohngegenden wie dem Stuttgarter Westen, den die Einheimischen übermütig für ihr Schwabing halten, muss aber schon um 23 Uhr abgeräumt werden. Immer wieder entrüsten sich Gastronomen, dass ausgerechnet ihr Einzelfall zu streng gehandhabt wurde. Und manchmal kann man diese Subspezies des schwäbischen Wutbürgers auch gut verstehen: Etwa wenn ein anderes Lokal in nicht mal hundert Meter Entfernung zwei Stunden länger auf haben darf.

Roman Deininger

So lässt es sich doch besonders nett draußen sitzen, an Sommerabenden wie in jüngster Zeit, wenn irgendwann die Nacht kommt, aber die Kälte nicht: Das Astra ist kühl, die Leute jung, die Rote Flora um die Ecke, die Aura ein bisschen wild, das Café reiht sich direkt ans nächste.

Wie in der Susannenstraße im Schanzenviertel, wo die Hamburger gerne feiern - und die Anwohner es irgendwann satthatten. Sie klagten gegen den Trubel, bis das Bezirksamt 2012 bestimmte, dass Wirte Lärmschutz-Schirme über ihren Außenflächen aufstellen müssen. Die kosten 3000 Euro und sollen das Stimmengewirr dämpfen.

Außerdem dürfen Außenbereiche in der Susannenstraße wochentags nur noch bis 22 Uhr bewirtet werden, am Wochenende und vor Feiertagen bis 23 Uhr. Das ist jeweils eine Stunde weniger als im Rest der Stadt. Auch für die räumliche Ausdehnung gelten in Hamburg klare Regeln: Noch müssen laut Wegegesetz neben den Cafétischen mindestens 1,50 Meter Platz auf dem Bürgersteig bleiben, um die Barrierefreiheit zu gewährleisten.

Zukünftig müssen es laut Bezirksamt Mitte mindestens zwei Meter sein, sodass der Außengastronomie noch weniger Platz bleibt. Aber das haben die Kollegen aus dem Nachbarbezirk Altona schon 2012 versucht. Das Ergebnis: Die Wirte protestierten und sammelten Unterschriften. Tausende Hamburger unterschrieben.

Charlotte Frank

© SZ vom 12.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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