Spektakuläre Razzia:Szenelokal war angeblich Drogenumschlagplatz

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"Reservierung für Samstag für fünf Personen" - das war im Odeon offenbar der Code für eine Kokainbestellung. Nun steht der Ex-Geschäftsführer vor Gericht, der Kronzeuge unter Polizeischutz.

Alexander Krug

Es geht um Drogen und um viele Jahre Gefängnis. Die sind Ramiz B., 32, sicher, wenn stimmt, was die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft. Der ehemalige Geschäftsführer des "Odeon" in der Amalienstraße soll im Keller des Szenelokals monatelang einen florierenden Kokainhandel betrieben haben - ohne Wissen des Inhabers.

160 Gramm Kokain wurden in einem Tresor im "Odeon" beschlagnahmt. (Foto: Foto: ddp)

Der spektakuläre Fall wird seit Mittwoch am Münchner Landgericht verhandelt. Auch der "Kronzeuge" der Anklage arbeitete in dem Lokal: Es ist der ehemalige zweite Geschäftsführer Hans H. (Name geändert), der seit seiner Aussage unter Polizeischutz steht.

Bei einer Razzia am 5. April dieses Jahres beschlagnahmte die Polizei im Keller des "Odeons" rund 160 Gramm Kokain, ein Teil davon lag versteckt in einem Tresor. Weitere 400 Gramm wurden später in einer vom Angeklagten angemieteten Wohnung in der Aidenbachstraße sichergestellt.

Ramiz B. schweigt zu den Vorwürfen, ebenso ein mitangeklagter ehemalige Odeon-Kellner. Der 30-Jährige gilt eher als "kleiner Fisch" und ist deshalb auch nicht in Untersuchungshaft.

Auf die Spur der Angeklagten war die Polizei durch einen Tipp gekommen. Hans H., ehemals zweiter Geschäftsführer im "Odeon", hatte sich Drogenfahndern anvertraut und damit eine Observierung ausgelöst. Der Polizei gelang es schließlich mit seiner Hilfe, einen verdeckten Ermittler in die Drogenconnection um Ramiz B. einzuschleusen.

"Schau her, das ist bares Geld"

Die Aussagen von Hans H., 33, belasten Ramiz B. erheblich, und deshalb wurde er gestern auch gleich mehrere Stunden als Zeuge vernommen. Seiner Schilderung zufolge fuhr Ramiz B. mehrmals im Monat nach Bremen, wo er sich auf einer Autobahnraststätte von einem unbekannten Lieferanten mit dem Kokain eindeckte.

Im Kellerbüro im "Odeon" machte sich Ramiz B. dann ans Verpacken. Er habe ihn öfters dabei gesehen, wie er mit Feinwaage, Einpackpapier und Gummihandschuhen am Bürotisch hantierte, sagt der Zeuge. Dabei habe Ramiz B. stets nur 0,8 Gramm Kokain in Tütchen verpackt, sie aber als Ein-Gramm-Portion verkauft. "Er sagte, schau her. Das ist bares Geld. Mit dem Zeug verdiene ich mehr als bei Lewy das ganze Jahr."

Gabriel Lewy gehörte damals das "Odeon". Gegen ihn besteht kein Verdacht, es wurde auch nie gegen ihn ermittelt, bislang ist er nicht einmal als Zeuge geladen. Auf Anfrage der SZ meinte Lewy gestern: "Es ist bekannt, dass ich mit der Sache nichts zu tun habe." Er habe auch nie einen Schlüssel für den Tresor im Keller besessen und demzufolge auch nicht gewusst, was in dem Tresor ist.

Zeuge Hans H., der von dem Anwalt Joachim Schwarzenau als Zeugenbeistand begleitet wurde, behauptet etwas anders. Der Angeklagte und Lewy hätten jeweils einen Schlüssel gehabt, sagt er. Der Richter hakt nach: "Hätte Herr Lewy die Sachen in dem Tresor denn sehen müssen, wenn er da reinschaut." Die Antwort des Zeugen: "Meiner Meinung nach ja."

Die Aussagen des Zeugen sind indes mit Vorsicht zu genießen, so viel steht fest. Denn unzählige Ungereimtheiten und Widersprüche zu früheren Aussagen sind laut Anwalt Klaus Gussmann evident.

"Ich kenne nur Spitznamen"

Gussmann verteidigt Ramiz B. und bezweifelt die Glaubwürdigkeit von Hans H. Letzterer war nach eigener Darstellung selbst drogenabhängig. Er kaufte bei Ramiz B. sogar einige Male Stoff ein, jeweils für 70 Euro das Gramm. Über die Namen der anderen Kundschaft des Angeklagten kann er keine Angaben machen. "Ich kenne nur Spitznamen", sagt er.

Ramiz B. sei "mal mit, mal ohne Kundschaft in den Keller" gegangen, sagt der Zeuge. Der körperliche Zustand der Klienten habe ihn nicht interessiert. " Er hat das alles ganz cool gesehen. Für ihn war Geld alles." Für die Drogengeschäfte gab es offenbar einen Code. "Reservierung für Samstag für fünf Personen" soll demnach eine verschlüsselte Kokainbestellung gewesen sein.

Gegen den Zeugen Hans H. läuft wegen der Geschichte auch ein Verfahren wegen Drogendelikten am Amtsgericht. Dieser Prozess ist aber noch nicht abgeschlossen. Ramiz B. sitzt seit der Razzia im April in Untersuchungshaft.

Er quittierte die Aussagen des Zeugen gestern mit einem abfälligen Lächeln. Die Staatsanwaltschaft glaubt indes, dass er im Laufe der Zeit insgesamt mit mehreren Kilogramm Kokain gedealt hat. Der Prozess ist auf mehrere Tage terminiert. Ein Ende ist noch nicht abzusehen.

© SZ vom 21.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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