SPD-Spitzenkandidat Franz Maget:"Ich habe mein Möglichstes gegeben"

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Der SPD-Spitzenkandidat Franz Maget kämpft im Wahlkreis Milbertshofen nicht nur gegen den politischen Gegner, sondern auch gegen Berlin.

Von Jan Bielicki

Der Kandidat ist pünktlich. Dabei ist es sehr früh und frisch an diesem Morgen um halb acht, und eigentlich hat er auch gar nichts zu tun am U-Bahnhof Olympiazentrum. Er hält sich an einem heißen Pappbecher Kaffee fest und wartet. Das Material ist noch nicht da, diese Hochglanzhefte, mit denen die SPD beschreiben möchte, wer dieser Franz Maget eigentlich ist, der da etwas steif aus seinem dunklen Anzug vom Titelblatt lächelt.

Diese kleine Panne ist wirklich nichts, was Maget aufregen könnte. Er erlebt gerade Schlimmeres. Die von der Münchner Polizei ausgehobene Zelle von Neonazis hat auch ihn ausgespäht, seine Adresse, seine Familie. "Ich habe keine Angst", sagt Maget, aber gerade für einen, der sich bislang ganz und gar nicht abgeschirmt durch sein München bewegte und auch als Spitzenkandidat seiner Partei nur selten mit Personenschützern unterwegs war, muss die Nachricht von den Anschlagsplänen ein Schock gewesen sein.

Doch er gibt sich gelassen, ruhig, vielleicht ein bisschen ernster als sonst: "Ich soll es ernst nehmen, hat die Polizei gesagt." Dem nun verhafteten Chef der Terrorgruppe um die "Kameradschaft Süd", Martin Wiese, ist er schon einmal direkt gegenüber gestanden, vor ein paar Monaten bei einer SPD-Veranstaltung auf dem Rot-Kreuz-Platz. Der Nazi hatte den SPD-Mann angesprochen, "recht aggressiv gefragt", erinnert sich Maget, "aber er hat wohl nur seinen Spezis imponieren wollen." Nein, sagt Maget: "Ich habe mich damals nicht bedroht gefühlt."

Er lässt sich den Frust nicht anmerken

Franz Maget ist keiner, der sich leicht erregt, und wenn doch, dann zeigt er es nicht nach außen. Erst recht nicht, wenn es um deutlich weniger nahe gehende Dinge geht. Dass ihn womöglich manchmal der Frust packt, weil er nach allen Umfragen vergeblich um ein einigermaßen gutes Ergebnis für die Bayern-SPD kämpft - er lässt es sich nicht anmerken.

Dass der Helfer aus Berlin, Parteifreund und Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe, erklärt, wie toll doch der Transrapid sei, den der neben ihm sitzende Maget gerade als unnötig abgetan hatte - ist das wirklich wichtig? Und was macht da eine kleine Panne, die an diesem Morgen sein Schlafdefizit unnötig erhöht?

Denn eigentlich ist Magets Zeit viel zu kostbar, um untätig vor Rolltreppen herumzustehen. Schließlich ist diese morgendliche Stunde eine der wenigen Gelegenheiten, bei der er sich in seinem Stimmkreis zeigen kann. Bald schon muss er wieder los, zur Pressekonferenz und dann in den mit seinem Konterfei bedruckten Bus, der ihn heute nach Günzburg, anderntags nach Kulmbach bringt.

30.000 Kilomter, 500 Termine: Maget gibt alles

30.000 Kilometer ist er so seit Juli durch Bayern getourt, fast 500 Termine hat er abgehakt, soll niemand behaupten, "wir hätten nicht gekämpft, ich habe mein Möglichstes gegeben." Aber es ist eben kaum möglich, dass einer, der sich als Spitzenkandidat seiner Partei im ganzen Land bekannt machen, deshalb heute in Hof und morgen in Passau reden, mal in Kirchseeon und mal in Regensburg auftreten muss, auch noch seinen eigenen Stimmkreis so beackern kann, wie es der Wahlkämpfer Maget früher getan hat.

Dreimal schon hat er diesen Stimmkreis gewonnen, dessen Direktmandat er am Wahlsonntag verteidigen will. Ob Maget in diesem Ausschnitt Münchner Nordens vorne liegt oder hinten, wird zwar kaum Auswirkungen haben auf das sich nach allen Umfragen ankündigende Wahldesaster der bayerischen Sozialdemokraten.

Aber "psychologisch spielt das schon eine Rolle", weiß er. Schließlich geht es hier nicht nur darum, ob sich die Stimmkreiskarte Bayerns am Wahlabend völlig schwarz färbt, oder ob, wie bei der Bundestagswahl vor einem Jahr, wenigstens ein rötlicher Flecken blinkt.

Es tobt in Milbertshofen, am Hart und in Schwabing auch ein sehr münchnerischer Kampf der Häuptlinge: Maget, seit sechs Jahren Chef der Münchner SPD, gegen Monika Hohlmeier, seit drei Monaten Chefin der Münchner CSU - das ist auch ein symbolbeladenes Ringen um die politische Hegemonie in der Stadt.

Seit 1990 hat Maget seinen Sitz behaupten können - gegen CSU-Prominenz mit bayernweit bekannten Namen. Zunächst schlug er Gerold Tandler, als der noch Minister und mächtig war, dann zwei Mal Monika Hohlmeier, als Tochter von Franz Josef Strauß jederzeit schlagzeilenträchtig.

Knapp ging es her, so eng wie in keinem anderen Viertel Münchens: 1998 trennten Maget und Hohlmeier ganze 335 Stimmen. Weil aber die CSU-Mehrheit im Landtag inzwischen das eher bürgerliche Gern dem Stimmkreis zugeschlagen hat, würden Maget nun, stimmten die Wähler so ab wie 1998, genau 207 Stimmen fehlen.

Die liebe Partei

Natürlich: Seither ist Maget, zum Fraktionschef aufgestiegen, zum Spitzenkandidaten gekürt, auf Großplakaten und in TV-Spots beworben, bekannter geworden. Aber auch Hohlmeier kennen die Leute inzwischen als Ministerin. Und natürlich weiß Maget, dass der Erfolg eines Stimmkreiskandidaten vor allem davon abhängt, wie der Wähler dessen Partei einschätzt.

Optimist Maget versucht erst gar nicht zu leugnen: "Aus Berlin", sagt er, "bläst es uns schon kräftig entgegen".

Andererseits baut er darauf, dass wenigstens seine Münchner Wähler darauf achten, "was einer lokal draufpacken kann." Und ihm nachsehen, dass er nicht zur Versammlung des Sportvereins kommt, "obwohl da 300 Leute sind und ich hin müsste". Aber die Wahlkampfplaner haben ihn eben für Erding gebucht oder Viehkirchen.

So kann er nicht ausspielen, was er "meine große Stärke" nennt: dass er hier im Münchner Norden tief verwurzelt ist. Der 49-Jährige ist Schülersprecher und Schülerzeitungsredakteur gewesen am Oskar-von-Miller-Gymnasium, ein paar Jahre, nachdem dort ein gewisser Christian Ude Schülersprecher und Schülerzeitungsredakteur war.

Den Erfolg dieses nun seit zehn Jahren unangefochten regierenden Oberbürgermeisters hat mit zäher Arbeit auch der Politologe Maget mit organisiert - und seine eigenen Wahlerfolge dazu.

"Erarbeitet", so drückt er sich selber aus, habe er sich seinen Wahlkreis. Und bisschen stolz ist er darauf, dass er im Münchner Norden "jeden Vereinsvorsitzenden und jeden Pfarrer" kennt, auch Leute, die "nie SPD wählen würden, aber mich vielleicht schon".

50 Meter in sieben Sekunden

Jeden Sommer radelt er seinen Stimmkreis mit seiner "Tour de Franz" ab, versammelt regelmäßig die Vereinschefs zum "Sportgespräch", die Geistlichen zum "Pfarrergespräch", Arbeitnehmervertreter zum "Betriebsrätegespräch". In vier örtlichen Sportvereinen ist der Freizeitfußballer mit dem immer noch schnellen Antritt - 50 Meter in sieben Sekunden - Mitglied.

Den Verein der Freunde Milbertshofens hat er selber gegründet und steht ihm noch immer vor. Und wenn der Oberbürgermeister eine Woche vor der Wahl den Grundstein zum Bürgerhaus an der Keferloherstraße legt, dann weist er natürlich daraufhin, dass dieser Bau dem Drängen der Freunde und vor allem des Chef-Freundes zu verdanken sei.

Als die Prospekte endlich da sind, kann Maget sich noch für eine Viertelstunde an die Rolltreppen stellen. Und es sind erstaunlich viele, die dem Mann, den man in Bayern kaum kennt, hier die Hand schütteln: "Erinnern Sie sich noch an mich?". An diesem Morgen ist kein Sicherheitsmann da, um zu verhindern, dass ihm die Leute zu nahe kommen.

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