Späh-Skandal:Europäisches Patentamt überwachte Mitarbeiter mit Keyloggern

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Offenbar wurden Ende vergangenen Jahres am Epa öffentlich zugängliche Computer ausgespäht. (Foto: lukasbarth.com)
  • In der Zentrale des Europäischen Patentamtes (Epa) sind offenbar zwei öffentlich zugängliche Rechner über mehrere Wochen hinweg mit Kameras und Spionagetechnik ausgestattet gewesen.
  • Sie wurden in einem internen Verfahren eingesetzt, bei dem es um einen Patentrichter geht, der über Monate hinweg diffamierende Schreiben über den Präsidenten des Epa und weitere Manager verbreitet haben soll.
  • Die Aktion traf jedoch auch viele Mitarbeiter des Patentamtes, möglicherweise sogar Mitglieder des Verwaltungsrates.

Von Katja Riedel

In der kommenden Woche wird der Präsident des Europäischen Patentamtes (Epa) nach Brüssel reisen. Dort empfängt ihn der Rechtsausschuss der Europaparlamentarier zu einem "Austausch von Ansichten", so heißt es auf der Tagesordnung. Benoît Battistelli soll über neueste Entwicklungen im Patentrecht sprechen, über die neuen Patentgerichte und manch andere Reform.

An Gesprächsstoff über rechtliche Fragen dürfte es aber auch angesichts der andauernden Krise zwischen Battistelli und vielen der etwa 7000 Mitarbeitern in München, Berlin, Wien und Den Haag nicht mangeln. Seit Battistelli ein umfangreiches Reformwerk in Gang gesetzt hat, das unter anderem das Beförderungssystem umkrempelt, gibt es vehemente Auseinandersetzungen. Nun kommt ein neues heikles Thema hinzu: mutmaßliche heimliche Überwachung. Denn einem internen Schreiben zufolge, das der SZ vorliegt, wurden Ende vergangenen Jahres am Epa öffentlich zugängliche Computer ausgespäht: mit Kameras und mit sogenannten Keyloggern. Damit lässt sich das aufzeichnen, was der Benutzer schreibt, welche Seiten er ansteuert und wie er kommuniziert.

Keiner der Nutzer wusste, dass die Geräte installiert sind

Manche Keylogger fertigen auch Schnappschüsse des Bildschirms an. Die Kamera zeichnet zur gleichen Zeit auf, welche Person zum fraglichen Zeitpunkt den Rechner bedient. Das Pikante: Keiner der Nutzer wusste, dass die Geräte installiert sind - und die beiden Rechner, die dem vertraulichen Papier aus der internen Ermittlungsabteilung zufolge mit diesen Überwachungsgeräten ausgestattet werden sollten, standen wohl im ersten Stock der Epa-Zentrale an der Münchner Erhardtstraße.

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Und zwar in einem Aufenthaltsbereich, der vor allem für Mitglieder des Epa-Verwaltungsrates eingerichtet wurde - des höchsten Gremiums in der Europäischen Patentwelt, in dem die Vertreter der 38 Einzelstaaten sitzen. Zu den Besuchern des Patentamtes, die sich üblicherweise im ersten Stock aufhalten, zählen zudem Patentanwälte. Das Epa wollte sich am Montag nicht zu dem Papier äußern, dementierte dessen Echtheit jedoch nicht.

In dem Papier, das der Chef der Epa-Ermittlungsabteilung erstellt und an den Datenschutz-Beauftragten geschickt hat, begründet er die Überwachung mit einer diffamierenden Kampagne gegen den Präsidenten und andere Manager des Amtes. Tatsächlich kursieren seit Anfang 2013 solche Schreiben, die Benoît Battistelli, aber auch seinen kroatischen Vizepräsidenten Zeljko Topic zahlreicher Vergehen bezichtigen.

Man habe deutliche Hinweise, dass diese Schreiben von den beiden fraglichen Computern aus versandt worden seien, in die sich jeder registrierte Besucher, aber auch jeder Mitarbeiter des Epa über ein allgemeines Passwort einloggen kann. Deshalb sei es nicht möglich, einen einzelnen Benutzer zu identifizieren und zu überwachen, geht aus dem Schreiben hervor.

Verdeckte Überwachung der fraglichen Maschinen

Offenbar waren die internen Ermittler auf IP-Adressen gestoßen, die sie den beiden öffentlichen Rechnern zuordnen konnten. Aus diesem Grund, so der Schluss, gebe es keine andere Möglichkeit, als die beiden fraglichen Maschinen unter eine verdeckte Überwachung zu stellen. Wenn während des vereinbarten sechswöchigen Zeitfensters zwischen 7. November und 18. Dezember kein weiteres diffamierendes Material versendet werde, sollten weder die Bilder noch die Daten ausgewertet werden, heißt es. Bis dahin sei die Information, dass überwacht werde, nur den Mitgliedern der internen Ermittlungsabteilung und den Technikern zugänglich.

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Heikel ist das auch deshalb, weil während des genannten Spähzeitraums auch die 142. Sitzung des Verwaltungsrates in dem Gebäude stattfand, am 10. und 11. Dezember nämlich. Und auch der Haushaltsausschuss tagte im betroffenen Zeitraum. Die Computer sollen sich in der Nähe des Raumes befinden, in dem der Verwaltungsrat tagt. Ob auch dieses Gremium und die Amtsführung, sprich Battistelli, in den Vorgang involviert wurde, ist unklar. Aus dem Schreiben geht dies nicht hervor. Darunter finden sich lediglich handschriftliche Vermerke von zwei Unterzeichnern, Unterschriften fehlen jedoch.

Selbst Vertraute äußerten Bedenken

Tatsächlich wurde aber nicht nur Material versendet, sondern auch ein mutmaßlicher Briefeschreiber ertappt - somit wurden die Daten auch ausgewertet. Ein Mitglied der Beschwerdekammer des Amtes, ein Patentrichter, wurde offenbar auf frischer Tat erwischt, Battistelli ließ ihn sofort des Hauses verweisen. Das kam einer Suspendierung gleich und damit einem rechtlich nicht zulässigen Eingriff in die Unabhängigkeit dieser Stelle, was der Verwaltungsrat aber nachträglich absegnete. Jedoch schlugen die Wellen der Empörung hoch, selbst enge Vertraute äußerten hinter vorgehaltener Hand Bedenken gegen das Vorgehen Battistellis. Und Politiker verschiedener Einzelstaaten sowie Patentanwälte empörten sich öffentlich, sprachen von Grundrechtsverletzungen.

Dass sich das Epa nun zu dem sensiblen Papier nicht äußern wollte, begründete es mit dem anhängigen Verfahren. Der Verwaltungsrat wird bei einer seiner nächsten Sitzungen über mögliche disziplinarische Maßnahmen befinden.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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