Sozialleistungen in München:Teure Armut

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In allen anderen Städten Deutschlands leben mehr arme Menschen als in München. Dennoch trägt die Stadt die höchsten Pflegesätze.

Sven Loerzer

München behauptet seine Spitzenposition als Großstadt mit dem geringsten Anteil an armen Menschen, die auf staatliche Unterstützung wie Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe angewiesen sind. In Berlin brauchen fast 20 Prozent der Einwohner Hilfe zum Lebensunterhalt, in München sind es nur knapp 6,4 Prozent. Dies geht aus einem Vergleich unter 16 Metropolen hervor.

In Hartz-IV-Haushalten führen Kinder oft ein Leben an der Armutsgrenze. (Foto: Foto: dpa)

Zunächst trockene Zahlen: Während in München die Quote der Empfänger von Hartz-IV-Leistungen zusammen mit der Quote der Bezieher von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit zum Jahresende 2007 bei 6,38 Prozent lag, sind es in Berlin 19,6 Prozent, in Köln 13,34 Prozent, in Hamburg und Frankfurt jeweils 12,98 Prozent, in Nürnberg 11,69 Prozent und selbst im wohlhabenden Stuttgart noch 8,02 Prozent. Das Resümee: München hat erneut die geringste Dichte von "Transferleistungsbeziehern" und belegt unangefochten Platz 1 unter den 16 Großstädten, betont Sozialreferent Friedrich Graffe (SPD).

"Die Armut ist nahezu gleich geblieben."

Den "Kennzahlenvergleich", den das Hamburger Consulting-Unternehmen "con_sens" im Auftrag der Städte erstellt, wird Graffe nächste Woche am Donnerstag dem Sozialausschuss vorlegen. Er freue sich zwar über das "sehr positive Ergebnis, zumal noch im Vergleich zu 2006 ein Rückgang zu verzeichnen ist." Dennoch gibt es auch Kritisches zur Lage: "Die Armut, in absoluten Zahlen betrachtet, ist nahezu gleichgeblieben." Dies sei auf den Bevölkerungszuwachs von 1,9 Prozent zurückzuführen.

Erkennbar wird bei genauerer Analyse des umfangreichen Zahlenwerks auch ein weiterer Trend: Während die Quote der Hartz-IV-Bezieher in München sinkt, steigt die Quote der Bezieher von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit erneut an.

In allen Städten erhöht sich der Anteil alter Menschen, deren Renten nicht zum Leben reicht. In München lag die durchschnittliche monatliche Rentenzahlung bei 871 Euro und somit rund 28 Euro unter dem Durchschnitt der verglichenen Städte. "Vor dem Hintergrund der doch relativ geringen Durchschnittsrente und angesichts des hohen Münchner Mietniveaus", so Graffe, sei es nicht verwunderlich, dass München am meisten von allen Städten aufzahlen muss.

"Die Stadt belegt hier nahezu uneinholbar Platz 1."

Auch die vom Sozialamt übernommenen Pflegekosten seien außerordentlich hoch, so Graffe. "Die Stadt belegt hier nahezu uneinholbar Platz 1." Die Bruttoausgaben pro Leistungsempfänger lagen 2007 bei rund 23000 Euro - doppelt so viel wie im Durchschnitt der Städte und noch immer rund 8000 Euro mehr als in Frankfurt und Stuttgart.

Die relativ wenigen Pflegebedürftigen in München benötigten demnach umfangreiche und teure Pflegeleistungen. Als Hauptursache für die hohen Kosten sieht Graffe gleichwohl die im Vergleich mit den Großstädten einzigartige Praxis der bayerischen Landeshauptstadt, "Pflegebedürftigen so lange wie möglich den Verbleib in der eigenen Wohnung zu ermöglichen".

Leicht gesunken ist der Anteil von Hartz-IV-Beziehern im Alter unter 65 Jahren von 6,66 auf 6,43 Prozent. Den höchsten Anteil hat hier wieder Berlin mit mehr als 22 Prozent, doch selbst Stuttgart kommt noch auf 8,56 Prozent. In allen Städten sind dabei Kinder überdurchschnittlich stark vertreten: Mehr als ein Drittel der Berliner Mädchen und Jungen im Alter unter 15 Jahren, 37,4 Prozent, führten in Hartz-IV-Haushalten ein Leben an der Armutsgrenze. In München waren es knapp zwölf Prozent, das ist die mit Abstand geringste Quote aller Städte.

Dagegen hat München mit Bremen zusammen den höchsten Anteil der Alleinerziehenden an den Hartz-IV-Haushalten in München: 19,1 Prozent. Um gerade den stärker von Armut betroffenen Familien mit Kindern zu helfen, will Graffe unter anderem das Sozialticket einführen und die Schuldnerberatung ausbauen.

© SZ vom 06.11.2008/reb/faz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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