Sozial-Etat 2008:Armut in der reichen Stadt wächst

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München und die Zukunftsrisiken: Immer mehr Münchner Haushalte sind auf Soziahilfe angewiesen. Der Sozial-Etat ist trotz wachsender Steuereinnahmen kaum in der Lage, mehr als Existenzsicherung zu betreiben.

Sven Loerzer

Bei immer mehr Menschen reicht die Rente nicht einmal für einen bescheidenen Lebensabend. Rund 13.000 Münchner Haushalte sind auf Sozialhilfe angewiesen. 39.000 Haushalte leben von Hartz-IV-Leistungen. Fast schon die Hälfte des mit 1,022 Milliarden Euro veranschlagten Sozialetats 2008 dient allein der Existenzsicherung.

Die stetig wachsende Zahl alter Menschen, die weder über eine ausreichende Rente noch über Ersparnisse verfügen, werde zum Zukunftsrisiko der deutschen Städte, prophezeite Sozialreferent Friedrich Graffe bei der Vorstellung seines Haushaltsplanentwurfs in den Sozialausschüssen. Während 2005 noch knapp 12.000 Haushalte Sozialhilfe bezogen, lag die Zahl im vergangenen Jahr bereits bei mehr als 13 200.

"Alles, was im Rentensystem und bei der Arbeitslosigkeit passiert, wird sich in einigen Jahren in der Grundsicherung abbilden", sagte Graffe. Nicht nur Sozialhilfe bedeutet ein Leben an der Armutsgrenze: Fast 90.000 Münchner sind auf Unterstützung angewiesen.

Die Häfte des Sozial-Etats zur puren Existenzsicherung

Die Ausgaben für die Hilfen zur Existenzsicherung von alten und behinderten Menschen, Langzeitarbeitslosen und Asylbewerbern werden im nächsten Jahr um knapp 20 Millionen auf 473,3 Millionen Euro klettern. Das entspricht 46,3 Prozent (2007: 41,8 Prozent) der Gesamtsumme des Sozialetats. Rund 16 Millionen Euro der erwarteten Mehrausgaben entfallen auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit, weitere 3,4 Millionen Euro auf Langzeitarbeitslose wegen höherer Mieten.

Insgesamt liegt der Haushaltsansatz von 1,022 Milliarden Euro rund 66 Millionen Euro unter dem laufenden Etat. Ursache ist nicht etwa eine Kürzung, sondern das geänderte Verfahren bei der Aufstellung. So seien nach der neuen Systematik kalkulatorische Kosten wie zum Beispiel Zinsen und Abschreibungen nicht mehr im Verwaltungsetat enthalten.

Auf dem Feld der Kinder- und Jugendhilfe hofft Graffe, die Ausgaben weiter konstant bei 162,7 Millionen Euro halten zu können. Es sei jedoch unverkennbar, "dass in diesem Bereich die Belastungen steigen". Immer häufiger müsse das Jugendamt gefährdete Kinder in Obhut nehmen.

Bei den Personalkosten lege das Sozialreferat durch den Krippenausbau um 725.000 Euro auf 170,2 Millionen Euro zu. Die Zuschüsse für die freien Träger sollen um vier Millionen auf 103,4 Millionen Euro anwachsen, um Kindertagesbetreuung, Bewohnerarbeit und Wohnungslosenhilfe auszubauen.

"Einsparungen ohne Schäden im sozialen Netz erbracht"

Graffe betonte, dass sein Referat von 2002 bis 2006 die vom Stadtrat gewünschten Einsparungen in Höhe von 33,7 Millionen Euro erbracht habe, "ohne das soziale Netz zu beschädigen, wenngleich es sehr stark gedehnt wurde". Sowohl Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker als auch die sozialpolitische Sprecherin der SPD, Brigitte Meier, kündigten den freien Trägern eine "Marscherleichterung" für ihre Arbeit an.

Die beiden Stadträte wollten sich aber noch nicht auf die von den Jugendverbänden geforderten fünf Prozent Zuschusserhöhung festlegen, die auch Max Strasser (CSU) für wichtig hält. "Wir arbeiten in den Freizeitheimen mit Minimalbesetzung", klagte die Vorsitzende des Kreisjugendrings, Karin Ruckdäschel. "Fünf Prozent mehr bedeutet nicht, dass wir einen Pädagogen mehr einsetzen können, sondern nur, dass wir den Status quo halten."

Elsbeth Hülsmann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband erbat angesichts der "hoch eskalierten Situation" in hilfebedürftigen Familien, den Trägern "etwas mehr Luft" zu geben. Mit der Frage, wie viel Geld mehr es auch im Zuschussbereich der anderen Referate geben könnte, so Graffe, beschäftige sich die Kämmerei. Sie bereite einen einheitlichen Vorschlag für den Finanzausschuss vor.

© SZ vom 10.10.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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