Sommertheater im Englischen Garten:Kein Vorhang, nur die Schauspieler

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Das Sommertheater im Englischen Garten erfreut sich in München seit Jahren großer Beliebtheit. Am 4. Juli startet die diesjährige Theatersaison mit dem Stück "Helden" von Bernard Shaw.

Lea Fließ

Die ersten kommen für gewöhnlich gegen vier Uhr am Nachmittag. Zu Fuß oder auf dem Fahrrad, mit Picknickkörben und einer Flasche Wein pilgern sie zum Amphitheater mitten im Englischen Garten. Denn mittlerweile ist die Nachfrage nach den Aufführungen des Münchner Sommertheaters so groß, dass man sich rechtzeitig einen Platz in dem Rondell sichern muss.

Bis zu 3000 Zuschauer drängen alljährlich um das zehn Quadratmeter große, grüne Teppichstück, auf dem das Sommertheater Klassiker von Shakespeare oder Molière zum Leben erweckt. (Foto: Foto: Sommertheater/oh)

Bis zu 3000 Zuschauer drängen sich gegen 21 Uhr um das zehn Quadratmeter große, grüne Teppichstück, auf dem Regisseurin Ulrike Dissmann und ihr junges Ensemble Klassiker von Shakespeare oder Molière zum Leben erwecken. Dieses Jahr ist es "Helden" von Bernard Shaw, Premiere ist am 4. Juli.

Sebastian Korp erinnert sich noch genau an seine erste Begegnung mit dem Sommertheater. "Es war der Ort, und das Stück war so liebevoll inszeniert, ich war einfach berührt." Eine ganz besondere Stimmung herrsche an jenen Abenden in dem Amphitheater, erzählt der Schauspieler, der mittlerweile seit acht Jahren beim Sommertheater dabei ist. Im Publikum sind alle Alters- und alle Bildungsschichten vertreten.

"Letztes Jahr haben mich ein paar Baggy-Boys nach der Vorstellung mit dem Ellenbogen angerempelt und gesagt, das Stück sei echt cool gewesen", lacht Dissmann. "Es gibt so viele Geschichten", sagt die Regisseurin. Zum Beispiel die, als sie von einer Probe kam und mitten im Englischen Garten von einem Mann angehalten wurde, der sie erkannte. Er gab ihr seine Visitenkarte - und unterstützte das Theater schließlich mit einer "beachtlichen Summe".

Dann gebe es natürlich auch die, die nach einer Vorstellung nichts in den Hut tun. "Und irgendwo dazwischen finanziert sich unser Projekt", sagt die Regisseurin. Dissmann wollte ursprünglich gar nicht so viele Geschichten rund ums Sommertheater erleben. Vor fast 20 Jahren erzählten zwei junge Schauspieler, dass ihr Projekt, welches sie mit Kollegen in Berlin realisieren wollten, an der Finanzierung gescheitert war. Als sie die Talente sah, denen Mittel und Theater fehlten, kam ihr die Idee, das Amphitheater im Englischen Garten zu beleben. Der Platz ist gemeinnützig, die Vorstellungen daher kostenlos.

"Wir müssen uns auf die Kraft der Sprache verlassen"

Die Regisseurin suchte ein klassisches Stück aus. Ein modernes könne man in dem Rondell inmitten der Natur nicht inszenieren: wenig Raum, schlechte Akustik, keine Tür, kein Vorhang - nur die Schauspieler und ein paar Requisiten. "Hier bleibt uns dieser Teppich zum spielen, wir müssen uns auf die Kraft der Sprache verlassen", erklärt die Regisseurin. Und dadurch werde das Theater zurückgeführt auf seinen eigenen Ursprung.

"Die Leute fühlen sich unmittelbar angesprochen, das hat man in einem großen Theatersaal nicht." Irgendwie kam dann im Sommer drauf das nächste Stück, es gründete sich ein Förderverein, der das Projekt unterstützen wollte. "Und inzwischen bin ich gefangen in diesem One-Woman-Business", lacht Dissmann.

Sie übersetzt die Texte von Shakespeare und Molière ins Deutsche, schreibt die Lieder zu den Stücken, die als Höhepunkt der Aufführungen gelten, führt Regie. "Das Sommertheater lebt von Uli Dissmann, sie ist die Seele, der Kopf", schwärmt Korp. Es ist ein selten gewordener Respekt, welcher der rüstigen alten Dame da entgegenweht. Während den Proben achten die Schauspieler sorgfältig darauf, dass Dissmanns Kaffee-Tasse nicht leer ist. Und dafür gibt es jedes Mal ein "Danke".

Stipendien-Idee steckt hinter dem Sommertheater

Beim Sommertheater machen die Schauspieler alles selbst: Die Kostüme, Licht und Technik, Organisation - "wir werden mit in die Verantwortung für das ganze Theater genommen. So eine besondere Ausbildung hat man nirgendwo anders", sagt Korp, der sich mit gut 320 Mitbewerbern jedes Jahr wieder dem Casting stellt. Dieses Streben danach, bei jedem Stück wieder dabei sein zu wollen, ergänzt sich mit der Stipendien-Idee, die hinter dem Sommertheater steckt. Einen Schauspieler zu fördern, das braucht länger als nur eine Produktion, sagt Dissmann. Doch wenn sie fertig sind, dann gehen sie, weiß die Regisseurin. "Das ist wie bei einem Apfel: Wenn der gereift ist, fällt er vom Baum."

Premiere von Bernard Shaws "Helden" am 4. Juli, weitere Vorstellungen am 5./6./11./12./13./18./19./20./25./26. und 27 Juli jeweils um 21 Uhr im Amphitheater im Englischen Garten, bei schlechtem Wetter in der Mohr-Villa (Wetterhotline 0173/8612403); Infos unter www.muenchner-sommertheater.de

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