Smudo beschimpft München:"Komische Thai-Puff-Atmosphäre"

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Die Fantastischen Vier, Deutschlands dienstälteste Sprechsänger, beehren die Bayern-Metropole — eine Stadt, die sie verabscheuen wie Plastikgiraffen im Cocktailglas.

(SZ vom 11.9.2003) — Endlich. Die Fantastischen Vier treten wieder mal in München auf - obwohl sie die Stadt eigentlich gar nicht mögen. Am Sonntag, 14. September, 20 Uhr, präsentiert die erfolgreichste deutschsprachige Hip-Hop-Formation in der Philharmonie ihre größten Hits in einer akustischen Version, also "unplugged". Hier spricht einer der Vier: Smudo.

Kommt nur wegen der Fans nach München: Fanta4-MC Smudo. (Foto: Foto: AP)

SZ: Mittlerweile schreiben die Feuilletons Elogen über die Dichtkunst Ihrer Band. Ist das ein gutes Gefühl?

Smudo: Diese Lobeshymnen sind absurd. Ursprünglich entstanden unsere Texte aus lustiger Jugendzimmer-Kifferei. Trotzdem ehrt und freut es mich, wenn Leute aus einer Parallelgalaxie unsere Texte mit einem hohen Anspruch hören und gut finden. Mit dem "Unplugged"-Konzept entfernen wir uns weiter denn je von unseren Ursprüngen - der Grundphilosophie von den "zwei Plattenspielern und einem Mikro".

SZ: Dabei legen Sie Wert auf ausgefallene Instrumente - warum zum Beispiel eine Kettensäge.

Smudo: Unser Song "Schizophren" hat ein Sample vom "Tanz der Teufel" - mit Kettensäge!

SZ: Sie werden aber nicht "aus Versehen" die Philharmonie zerlegen? Es ist ja bekannt, wie sehr Sie München hassen.

Smudo: Ja, ja, München. Vor ein paar Jahren wurde ich im Wartebereich des Flughafens von der Polizei angesprochen - ob ich nicht mal meinen Personalausweis zeigen möchte. Damals hatte ich gerade meine Haare blondiert. Typisch München: An jeder Ecke lässt dich die Stadt wissen, dass sie Leute von außerhalb nicht da haben möchte. Der einzige Vorteil an München ist, dass man sich hier mit ein bisschen Hasch-Konsum immer noch subversiv fühlen kann.

SZ: Heute werden Sie doch höchstens von Polizisten angehalten, wenn die ein Autogramm haben wollen, oder?

Smudo: So was ist mir in München auch schon passiert. Da hörte ich einen Polizisten hinter mir: "Könnte ich mal bitte den Ausweis ..." Als ich mich umdrehte, fuhr er fort: "... ein Autogramm haben?" Das war auch am Flughafen. Warum werden dort eigentlich im normalen Wartebereich unbegründet Ausweiskontrollen und Körperdurchsuchungen durchgeführt? Geschäftsleute in Anzügen lassen sie doch auchin Ruhe.

SZ: Keiner zwingt Sie, nach München zu kommen. Warum treten Sie hier auf?

Smudo: Weil unsere Fans ein Recht darauf haben, uns zu sehen. München ist nun mal eine riesige Stadt, die kann man nicht ignorieren. Aber ich bin dort äußerst ungern. Es gibt noch nicht mal normale Kneipen. Wenn ich ausgehe, muss ich immer an Las Vegas denken.

SZ: Wieso Las Vegas?

Smudo: Wie in München spielt man dort "große Metropole" - ohne es zu sein. Alles nur billige Kulisse! Das letzte Mal, als ich in München war, bin ich in einer für die Stadt so typischen Bar gelandet - mit Plastikgiraffen im Drink, Plastikgirlanden um die Theke und einer Plastikpalme in der Ecke. Eine ganz komische Thai-Puff-Atmosphäre war das. Und da saßen die ganzen fertigen neunzehnjährigen Popper mit hochgeschlagenen Polohemdkragen. Ich dachte, ich wäre im Jahr 1983 gelandet.

SZ: Und wie finden Sie die Münchner an sich?

Smudo: Vor zwei Jahren gastierte ich auf einer Lesereise in München. Ich habe mit Martin Semmelrogge und Günter Amendt das Buch "Fear And Loathing In Las Vegas" von Hunter S. Thompson rezitiert. Auf dem Tollwood. Zuerst dachte ich mir: cool, ein richtiges Festival in München! Okay, die Kristall-Verkaufsbuden haben mich schon ein bisschen irritiert. Aber richtig schlimm kam es erst am Abend: Im Gegensatz zu den anderen Städten, in denen wir auftraten, war die Reaktion vom Publikum einfach null.

SZ: Kann ja mal vorkommen, oder?

Smudo: Aber hinterher kamen sie alle angetrabt und schwafelten, dass sei jetzt ganz toll gewesen. Die Münchner sind einfach unglaublich steif. Selbst zu ihrem pseudo-alternativen Rummelplatz gehen sie im Lodenmantel. Ich hoffte, wenigstens der Typ, der die Getränke ausschenkte, sei eine richtige Rocker-Natur und wisse, wo man in München ein bisschen Spaß haben kann. Und dann schickt der mich in die letzte Hinterhofkneipe. Oh weh!

SZ: Fällt Ihnen denn gar nichts Positives zu München ein?

Smudo: Unsere Konzerte waren immer geil. Die Münchner Fanta-4-Fans sind prima. Aber dieses ganze Großstadtspielen - das nervt gewaltig.

SZ: Ihr Selbstbewusstsein ist ja auch nicht gerade klein.

Smudo: Früher wurde ich von meinen Kumpels im Judo-Verein verkloppt. Eigentlich hatten auch die meisten meiner Musikerfreunde eine harte Jugend. Wenn man als Teenager weder ein gutes Aussehen noch gute Schulnoten noch gute Rudelfähigkeiten hat, kompensiert man das später umso mehr. Ich hätte meine Liebe zu Hip-Hop niemals entdeckt, wenn ich bewusst nach einer Identifikationsmöglichkeit außerhalb meines unmittelbaren Umfeldes gesucht hätte. So gesehen war es ein richtiger Glücksfall, das früher alle auf mir rumgehackt haben.

© Interview: Andreas Krieger - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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