Sicherheitskonferenz 2004:"Ein mögliches Anschlagsziel für Terroristen"

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Die Sicherheitskonferenz vom 6. bis 8. Februar beschert der Stadt wieder ein Wochenende des Protests. Die SZ sprach mit Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer über Demonstrationen, Einsatzpläne und für die Polizei problematische Gerichtsurteile.

Interview: Arno Makowsky, Christian Rost

SZ: Wie stellt sich die Polizei auf die Sicherheitskonferenz ein? Schmidbauer: Ganz klar, die Proteste haben in den vergangenen Jahren zugenommen, und die Zahl der gewaltbereiten Teilnehmer ist leider auch gestiegen. Um die kümmern wir uns. Dabei wird die Einsatzschwelle sehr niedrig sein.

Der Sicherheitsbereich rund um das Konferenzzentrum (Foto: Grafik: SZ)

SZ: Was berichten die Verfassungsschutzämter über mögliche "Störer"? Schmidbauer: Vor zwei Jahren hatten die Ämter eine hohe Zahl anreisender Autonomer gemeldet, die auch gewaltbereit waren. Es sind in diesem Umfang keine Erkenntnisse vorhanden, so dass wir auch kein Demonstrationsverbot bei der Stadt beantragt haben. Allerdings wird für den Protest bundesweit geworben.

SZ: Wenn es schon keine Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gibt, setzen Sie nun weniger Beamte ein? Nach dem friedlichen Protest 2003 wurde kritisiert, der Einsatz sei überdimensioniert gewesen. Schmidbauer: Unser Aufgebot sorgte dafür, dass es zu keinen gewalttätigen Aktionen kam. Wir werden auch diesmal genügend Kräfte haben, um Ausschreitungen zu verhindern, etwa 4000 Polizisten, die auch aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg kommen.

SZ: Zieht die Polizei wieder einen Sicherheitsgürtel mit Verkehrskontrollen rund um München? Schmidbauer: Mit Sicherheit wird es Vorkontrollen geben. Wir konzentrieren uns dabei auf gewaltbereite Leute. In der Szene kursieren ja jetzt schon Tipps, wie man sich benehmen und kleiden muss, um möglichst nicht aufzufallen.

SZ: Wie viele Demonstrationen sind bislang angemeldet? Schmidbauer: Von Donnerstag bis Sonntag insgesamt 21. Manche Veranstalter verbünden sich aber noch. Einen großen Zug wird es am Samstag durch die Stadt geben.

SZ: Mit Sitzblockaden? Schmidbauer: Das sind Straftaten, das werden wir verhindern.

SZ: Die Gesellschaft hat sich doch verändert, im Vergleich zu den Protesten vor fünf Jahren nehmen heute überwiegend Schüler an den Aktionen teil. Schmidbauer: Die Polizei unterscheidet durchaus, um welches Publikum es sich handelt. 2002 demonstrierten viele ganz junge Teilnehmer in ihrem Idealismus gegen diese Politik, sie wurden aber durch eine kleine Gruppe von Fanatikern instrumentalisiert. Das ist geistiger Missbrauch und Anstacheln. Hierzu ein Appell an die Eltern: Die zugegebenermaßen nicht einfache Differenzierung, dass gewaltfreier Protest erlaubt ist und alles andere eben nicht, sollte in der Familie rübergebracht werden.

SZ: In der aktuellen politischen Situation ist die Stimmung emotional nicht so problematisch wie 2002 oder 2003. Schmidbauer: Damals war die Gesamtsituation durch den Irak-Krieg viel aufgeheizter, wir erwarten schon durch die Umstände eine natürliche Deeskalation. Allerdings findet auch das Treffen der Nato-Verteidigungsminister statt.

SZ: Ist das Sprengstoff für die Polizei? Schmidbauer: Wir gehen von einer erhöhten Gefährdungseinschätzung aus. Natürlich mobilisiert ein Nato-Treffen Gegner. Die Gesamtveranstaltung schätzen wir deshalb als mögliches Anschlagsziel für Terroristen ein, darauf sind wir aber vorbereitet. Wie 2003 richten wir drei Sicherheitszonen rund um den Bayerischen Hof ein.

SZ: Die Polizei hat vor Gericht mehrere Niederlagen kassiert. Etwa bei der Festsetzung von Claus Schreer, der während des Versammlungsverbotes 2002 eine Pressekonferenz in der Fußgängerzone abgehalten hatte. Die Polizei bezeichnete dies als "Tarnveranstaltung". Schmidbauer: Bei den Urteilen muss ich einiges klar stellen. Die Strafbarkeit des Handelns von Herrn Schreer wird ja noch geklärt. Gerade diese Gewahrsamnahme aber wurde in allen Instanzen als rechtmäßig bestätigt. Auch die Gewahrsamnahmen von Personen, die Gewalttaten vorhatten, hielten vor Gericht stand. Nur wenige Fälle wurden beanstandet. Hierbei ging es aber zumeist um die Dauer der Festsetzungen.

SZ: Einige Gewahrsamnahmen hielten die Gerichte aber für überzogen. Schmidbauer: Da darf ich schon fragen, ob die Anforderungen an die Polizei durch die Richter nicht selbst überzogen sind. Manche Gerichte übertreiben es auch ein wenig, wenn sie von der Polizei einerseits eine umfängliche Bilddokumentation bei der Gewahrsamnahme erwarten, andererseits der Datenschutz dies kritisiert. Vor Gericht wurde festgestellt, dass alleine die Aussage eines Polizeibeamten nicht genügt, um eine Festsetzung zu rechtfertigen. Das Rechtssystem muss hier in sich schlüssig werden.

SZ: Würden Sie sich nicht eine stärkere politische Ausrichtung der Sicherheitskonferenz in Richtung Friedenskonferenz wünschen, wie es heuer beim Weltwirtschaftsforum in Davos der Fall war? Schmidbauer: Der Veranstalter entscheidet, wie er seine Konferenz ausrichtet. Aber natürlich betreuen wir lieber Veranstaltungen, die in der Gesamtbevölkerung auf eine breite Akzeptanz stoßen als solche, die sie in Lager spalten.

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