Shoppen wie im Paradies:Einkaufsmeilen der Rekorde

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Mehr als fünf Kilometer Schaufensterfront locken die Kunden, die bundesweit die höchste Kaufkraft haben

Otto Fritscher

Mehr als fünf Kilometer lang wäre die Schaufensterfront in der Münchner Innenstadt, wenn man Auslage an Auslage, Vitrine an Vitrine direkt aneinander reihen würde.

Bei dieser Vielfalt dürfte selbst dem hartgesottensten Shopping-Fan irgendwann die Schaulust vergehen. Die Zahlen, die München als Einkaufsstadt vorweisen kann, sind in der Tat beeindruckend: Knapp 500000 Quadratmeter Verkaufsfläche bieten die Geschäfte aller Größenordnungen und Branchen innerhalb des Altstadtrings, rund 2000 Unternehmen gibt es insgesamt in der Innenstadt.

Dazu kommen die Geschäfte in den Stadtteilzentren, die vor allem der Nahversorgung dienen, und die drei großen Shopping Malls in München: die Olympia-Einkaufszentrum OEZ, die Perlacher Einkaufs-Passagen pep und die Riem Arcaden. Der Einzelhandel ist auch ein bedeutender Arbeitgeber in der Stadt: Zirka 75000 Menschen beschäftigt diese Branche in der Stadt.

Shoppen wie in Wien

,,München kann als Einkaufsstadt locker mit anderen deutschen Metropolen wie Hamburg oder auch mit Großstädten im Ausland wie Wien konkurrieren'', sagt Wolfgang Fischer. Diese Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, ist die Aufgabe Fischers als Geschäftsführer des Stadtmarketing-Vereins Citypartner.

Dieser Verein wurde vor gut zwei Jahren von Geschäftsinhabern, die ihre Läden allesamt in der Innenstadt haben, aus der Taufe gehoben. Denn damals machte sich unter den Händlern die Erkenntnis breit, dass auch in einer Stadt wie München, die jahrzehntelang als Sinnbild einer Boomtown galt, die Geschäfte nicht mehr von alleine laufen.

Zum einen drohte die Abwanderung der Kaufkraft aus der Innenstadt auf die grüne Wiese, also in die Fach- und Großmärkte vor den Toren Münchens. Zum anderen steht München mit anderen Großstädten im Wettbewerb um Touristen, die nicht nur im Hotel- und Gastronomiegewerbe Geld lassen, sondern auch gerne shoppen gehen.

Besonders beliebt sind bei den Einzelhändlern die Besucher aus arabischen Staaten, die laut Statistik nicht nur am längsten bleiben - durchschnittlich sechs Tage -, sondern auch am meisten Geld ausgeben: 1000 Euro am Tag, sechsmal soviele wie andere München-Besucher, lassen die Araber und deren Entourage in der Stadt, zum Segen der Luxusgeschäfte an der Maximilianstraße und zum Wohle der Luxushotels.

Bei der Tourismuswerbung seien solch kaufkräftige Besucher aus dem Ausland lange Zeit links liegen gelassen worden, lautete die Kritik aus der Geschäftswelt. Das hat sich inzwischen geändert, denn das Tourismusamt hat - auf sanftes Schubsen hin - die Shopping- und Kongresstouristen als Zielgruppe erkannt.

,,Shop over Munich'' heißt der erste Einkaufsführer, der gemeinsam mit Citypartner herausgegeben und etwa auf der Tourismusmesse ITB in Berlin vorgestellt wurde. Inzwischen hat Citypartner den Einkaufsführer in Eigenregie aktualisiert und neu aufgelegt.

Doch Reklame, so der alte Kaufmannsgrundsatz, ist nur dann erfolgreich, wenn das Produkt auch tatsächlich die beworbenen Qualitäten bietet. In München ist das die Vielfalt der Branchen - und dazu vor allem der hohe Erlebnis- und Freizeitwert, den die Innenstadt Einwohnern, Tagesbesuchern und Touristen bietet.

Einkaufen ist ein Event

Denn Einkaufen ist inzwischen für die meisten Kunden deutlich mehr als das Besorgen von Waren - ein Einkaufsbummel wird immer mehr zu einem Event, der durch Besuche in Cafés, Gaststätten, Kinos oder Museen angereichert und abgerundet wird.

Gerade diese Vielfalt ist eine der Stärken Münchens. Das belegen auch die Zahlen über den Filialisierungsgrad: In den Fußgängerzonen vieler anderer Städte hat eine verwechselbare Beliebigkeit Einzug gehalten, die Filialen von großen Warenhausketten oder trendigen Bekleidungs-Shops prägen das Straßenbild.

Nicht nur Ketten

Bis zu 80 Prozent beträgt der Filialisierungsgrad in Großstädten wie Köln, während er in München erst die 50-Prozent-Marke erreicht hat. Diese Mischung aus alteingesessenen Traditionsgeschäften, Warenhäusern und Großmärkten lockt nicht nur die Münchner in die City, sondern auch mehr als 60 Millionen Tagesbesucher aus dem näheren und weiteren Umland in die Stadt.

Was wieder mal zu einem Platz eins in einem der bundesweiten Rankings führt. Neuhauser und Kaufingerstraße sind die belebtesten Einkaufsmeilen Deutschlands. Mehr als 20000 Passanten werden dort an normalen Tagen gezählt, pro Stunde wohlgemerkt. 20000 Menschen, die an einer virtuellen Zählstation vorbeiflanieren.

In den Kaufhäusern kommen die Rolltreppen an umsatzstarken Samstagen kaum nach, die Menschenmassen von Stockwerk zu Stockwerk zu transportieren. Bis zu 40000 Besucher zählt ein Warenhaus an einem Tag, in der Vorweihnachtszeit kann es schon einmal die doppelte Zahl sein.

Einen weiteren Spitzenplatz nimmt München bei der Kaufkraft ein. Rund 22500 Euro - der Betrag variiert je nach Quelle - kann ein Münchner jährlich ausgeben. Das ist zirka 30 Prozent mehr als der Bundesdurchschnitt und wieder mal Platz eins unter den bundesdeutschen Großstädten.

Etwas kaufkräftiger sind nur noch die Einwohner der Landkreise Starnberg und München im Speckgürtel der Landeshauptstadt - und die geben einen Gutteil ihres Einkommens auch in der City aus. So ist es nur folgerichtig, dass der gerade erweiterte und modernisierte Oberpollinger in die Premium-Gruppe des Karstadt-Konzerns aufgerückt ist, zu der bislang nur das Flaggschiff des Konzerns, das KadeWe in Berlin, und das Alsterhaus in Hamburg gehören.

Luxusgüter sind weiterhin beliebt

Weitere Rekorde gefällig? Nirgendwo in Deutschland ist es so teuer, einen Laden zu mieten wie in der Kaufinger Straße oder der Neuhauser Straße. Bis zu 250Euro werden pro Quadratmeter fällig. Ein Betrag, der erst wieder hereingewirtschaftet werden muss.

Was allerdings in der Maximilianstraße etwa kein Problem zu sein scheint. ,,Die Nachfrage der Luxuslabels ist unverändert sehr hoch, Nachvermietungen sind bei Mieten von bis zu 230 Euro pro Quadratmeter unproblematisch'', heißt es etwa in Kemper's Immobilienreport. Etwas weniger, bis zu 160 Euro, werden in so genannten 1b-Lagen wie der Sendlinger Straße für einen Quadratmeter gezahlt.

Deutlich günstiger sind die Mieten in den städtischen Liegenschaften, etwa im Neuen Rathaus, wo eine ganze Reihe kleiner Geschäfte untergebracht sind, die sich diesen zentralen Standort sonst wohl nicht leisten könnten. Oberbürgermeister Christian Ude hat München als Shopping-City zum Chef-Thema gemacht.

,,Während in anderen Städten die Geschäfte sterben und die Kaufkraft abwandert, haben wir hier ein beglückendes Kontrastprogramm'', sagte er kürzlich. Was allerdings nicht heißt, dass sich die Geschäftsleute, speziell in der Innenstadt, immer auf das Wohlgefallen des OBs verlassen können.

Zum Beispiel wenn es um Sondernutzungen der Fußgängerzone für Werbeaktionen oder ähnliches geht. So fühlen sich viele Geschäftsleute zu wenig von der Stadt unterstützt, wenn sie draußen vor dem Laden auf ein Geschäftsjubiläum aufmerksam machen oder einen Sonderverkauf starten wollen.

Andererseits verkäme eine Fußgängerzone schnell zu einer Ramschmeile, wenn zu viele vor den Eingangstüren aufgestellte Kleiderständer mit stark reduzierter Ware die Kunden in die Läden locken sollen.

Die Fußgängerzone ist aber auch ohne großes Reklame-Trara nicht mehr zeitgemäß, findet zumindest Citymanager Wolfgang Fischer. Die Möblierung wie die radmutternförmigen Blumenkästen oder die Stühle aus Drahtgeflecht oder vor allem die Buden wie die München-Tombola ärgern ihn, weil sie ,,zum einen im Weg herumstehen und zum anderen überhaupt nicht mehr zeitgemäß sind.'' Seine Ankündigung, ,,irgendwann zur Kettensäge zu greifen'', hat der umtriebige Fischer aber noch nicht wahrgemacht.

Ein Kameraliebling: Das Dallmayr-Gebäude

Eine Reklame, die Traditionshäuser wie Dallmayr nicht nötig haben. Zirka zwei Millionen Besucher kommen pro Jahr in das Feinkost- und Kaffeehaus, das sind mehr Besucher, als Neuschwanstein aufweisen kann.

Das Dallmayr-Gebäude ist laut einer Statistik nach der Kuppel des Reichstags in Berlin dasjenige Gebäude in Deutschland, das am häufigsten von ausländischen Fernsehsendern gezeigt wird. Zum letzten Mal war die Fassade bei der Fußball-Weltmeisterschaft im Dauerfokus der Kameraleute. Nur das Oktoberfest wird noch häufiger gezeigt. Und die Geschäfte laufen auch dort sehr gut.

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