Sexuelle Nötigung:Fahrgäste küsst man nicht

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Ina W. fährt spät abends Bus - als einziger Fahrgast. Als sie aussteigen will, stellt sich ihr der Busfahrer in den Weg. Und verlangt einen Kuss. Ein Fall fürs Gericht.

Alexander Krug

Die junge Frau auf dem Zeugenstuhl ist in Tränen aufgelöst. Der Staatsanwalt reicht ihr ein Taschentuch, das sie dankbar annimmt. Ina W., 20, geht es noch immer sehr nah, was ihr im Januar dieses Jahres um 23.52 Uhr im Linienbus 134 an der Haltestelle Stäblistraße in Forstenried passiert ist. Sie saß allein in dem Bus und wollte aussteigen, doch der Busfahrer öffnete die Tür nicht. Bevor sie aussteige, müsse sie ihm erst einen Kuss geben, forderte er sie auf. Dies sei eine "neue Vorschrift".

(Foto: Foto: Robert Haas)

"Ich dachte erst an einen Scherz, aber dann hat er auf sein Armaturenbrett eingehauen", erzählt die Zeugin. Sie habe Angst bekommen und ihm schließlich den verlangten Kuss gegeben. "Hat er sie danach aussteigen lassen", fragt die Amtsrichterin. "Ja", haucht die Zeugin. Busfahrer Ibro I., 52, schüttelt auf der Anklagebank den Kopf . "Das stimmt alles nicht", sagt er. Er kenne die Zeugin überhaupt nicht und den Vorfall habe es auch "nie gegeben".

Zweifelsfrei identifiziert

Ina W. ist sich jedoch sicher, dass er der Busfahrer war. Sie hat ihn zunächst bei der Polizei identifiziert, als ihr verschiedene Fotos von Männern vorgelegt wurden. Und auch jetzt im Gerichtssaal ist sie sich sicher. Warum die Zeugin ihn denn zu Unrecht belasten sollte, fragt die Richterin den Angeklagten. "Diese Frage stelle ich mir auch schon seit Tagen", antwortet Ibro I.

Der Staatsanwalt sieht in dem erzwungenen Kuss den Tatbestand der sexuellen Nötigung erfüllt. Der Angeklagte habe seine Stellung "auf das schändlichste missbraucht", wettert er. Die schutzlose Zeugin habe sich in einer "ausweglosen Situation" befunden, deshalb könne hier auch keine Rede sein von einem minder schweren Fall.

Verteidiger Alexander Eckstein sieht sich in einem "Dilemma". Er habe mit seinem Mandanten mehrmals gesprochen, doch der bleibe bei seiner Haltung. Er wolle keinen konkreten Antrag stellen, so Eckstein, bitte aber zu berücksichtigen, dass es eventuell nur ein "flüchtiger Kuss" gewesen sei und der Fall daher auch als "einfache Nötigung" mit einem deutlich niedrigeren Strafrahmen eingestuft werden könne.

Die Amtsrichterin ist jedoch mit dem Staatsanwalt einer Meinung. Sie verurteilt Ibro I. wegen sexueller Nötigung zu einem Jahr Haft mit Bewährung. Als Bewährungsauflage muss der geschiedene Vater von drei erwachsenen Kindern 700 Euro Schmerzensgeld an die Zeugin bezahlen. Es handele sich um einen krassen Vertrauensbruch, so die Richterin, Jugendliche müssten im Bus darauf vertrauen können, unbehelligt zu bleiben. Ina W. fährt inzwischen nachts nichts mehr mit dem Bus, ihr Freund holt sie von der Arbeit ab. Und Ibro I. droht Ungemach von seinem Arbeitgeber, der MVG. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 11.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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