Service für gestresste Pendler:Massage à la Mehdorn

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Die Bahn will ihre Pendler entspannen: Auf den leidgeprüften Strecken München-Mühldorf, München-Kempten und Nürnberg-Bamberg sorgen Yogalehrer und Physiotherapeuten drei Tage lang bei den Fahrgästen für Wohlbefinden.

Kein einziger Platz ist mehr frei im Abendzug von München nach Mühldorf. In den Gängen und auf den Treppen stehen die Menschen dicht gedrängt. Viele Pendler haben einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich und wollen nach Hause. Auch Josée Tiltges drängelt sich durch den vollen Zug, aber für die 51-Jährige fängt die Arbeit jetzt erst an. Sie ist Yogalehrerin und soll im Rahmen einer Aktion der Deutschen Bahn den Zuggästen Entspannungsübungen zeigen.

Sportwissenschaftlerin Silke Meier bei einer Handmassage. (Foto: Foto: dpa)

"Eigentlich ist so eine Zugfahrt ideal für Yoga, denn man braucht dafür nicht viel Platz und Zeit hat man im Zug ja auch." Im weißen Trainingsanzug macht sich Tiltges auf die Suche nach gestressten Reisenden.

Da wäre zum Beispiel Anneliese Graf. Jeden Tag pendelt die 52-Jährige morgens von Mühldorf nach München und abends zurück. "Ich muss als Sachbearbeiterin tagsüber viel vor dem Computer sitzen und ständig tut mir deswegen meine rechte Nackenseite weh". Josée Tiltges rät zu einer Entspannungsübung. "Die Hände mit verschränkten Fingern an den Hinterkopf legen, dann Druck ausüben und für etwa 15 Sekunden halten".

In ihrem Zugsessel probiert Anneliese Graf die Übung gleich aus. "Nicht ganz einfach, weil es hier im Zug ein wenig ruckelt, besonders in den Kurven. Aber ich fühle mich schon ein bisschen besser jetzt. Das werde ich gleich morgen meinen Kollegen beibringen."

Manche trauen sich nicht

Über derart positive Reaktionen freut sich Ingo Schüttke. Der Bahnsprecher betreut die Aktion und ist sehr zufrieden. "In vollen Pendlerzügen denkt man ja zunächst einmal gar nicht an Entspannung. Aber die Bahn will sich mit diesem einmaligen Angebot bei ihren Pendlern bedanken, und ich glaube, das kommt auch ganz gut an."

Drei bayerische Zugverbindungen hat Schüttke ausgewählt: Zwischen München und Mühldorf, Nürnberg und Bamberg und München und Kempten sollen sechs Yogalehrer und Physiotherapeuten drei Tage lang für Entspannung unter den Zuggästen sorgen.

Nicht alle Reisenden nehmen das Angebot an. "Viele haben keine Lust oder trauen sich nicht", sagt die Sportwissenschaftlerin Silke Meier. "Manche schlafen auch, aber das ist ja dann sowieso schon die beste Entspannung."

Von den Reaktionen derer, die mitmachen, ist die 32-Jährige überrascht. "Die werden dann ganz offen, plaudern aus dem Nähkästchen und fragen alles ganz genau nach."

Druck auf den Zeigerfinger gegen schmerzende Augen

Siglinde Meisinger fährt eigentlich selten mit der Bahn. "Heute mache ich ausnahmsweise mal einen Ausflug mit meinem Mann, da freut mich das Angebot natürlich sehr." Auf der Hinfahrt hat sie eine Yoga-Übung ausprobiert, auf der Rückfahrt wünscht sie sich von Silke Meier eine Handmassage.

Sportwissenschaftlerin Meier rubbelt mit der Handinnenfläche über den Daumen von Siglinde Meisinger. "Sie sind so ein Typ für kalte Hände und kalte Füße. Da muss ich zunächst mal für Wärme sorgen." Danach fährt sie mit ihrem Daumen unterhalb der Finger von Siglinde Meisinger entlang. "Das ist die Zwerchfell-Linie. Wenn man mit dem Daumen darüber kriecht wie eine Raupe, dann entspannt sich die Atmung."

Vom Neonlicht im Zug schmerzen Siglinde Meisinger die Augen. "Drücken sie mit dem Daumen auf das oberste Glied des Zeigefingers", rät Silke Meier, "das entspannt den Augenmuskel". Auch Alfred Meisinger im Sessel gegenüber probiert die Übung gleich aus. "Das hilft wirklich. Heute Abend üben wir zu Hause gemeinsam weiter."

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