Semesterstart in München:Der lange Lauf zum Magister

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Anstehen, organisieren, durchblicken - mehr als 13.000 Erstsemester schlagen sich durch den Uni-Dschungel. Was eine angehende Musikwissenschaftlerin an ihren ersten Unitagen erlebt hat.

Von Michael Schleicher

Studieren heißt zuerst einmal Laufen. Die Uni ist kein Gymnasium und bis alles klar ist - also der kürzeste Weg zu Seminarraum und Vorlesungssaal entdeckt, An-, Rück- und Ummeldungen erledigt sind und die Mensa gefunden ist, hat der akademische Nachwuchs in München einige Kilometer zurückgelegt. Die meisten davon zu Fuß.

Treppauf, treppab. Vorbei ein Grüppchen, die sich offensichtlich schon zu kennen scheinen, und weiter durch schlecht gelüftete Flure. Denn irgendwo endet auch die längste Warteschlange. Gut 5500 Studienanfänger an der Technischen Universität und rund 8200 Erstsemester an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) erlaufen sich seit Montag ihre neuen Ausbildungsorte.

"Schon immer eine meiner Lieblingsstädte"

Dina Lehmann, zum Beispiel. Sie hat sich an der LMU für das Fach Musikwissenschaft eingeschrieben. Vor einem Jahr machte sie ihr Abitur in Überlingen am Bodensee. Dass sie zum Studium nach München kommen wollte, war ihr recht schnell klar: "Das war schon immer eine meiner Lieblingsstädte", sagt sie. Außerdem wohnt ihr Freund in der Nähe von Rosenheim, so dass sie sich keinen Stress mit der Zimmersuche in München machen musste.

Ein Vorteil - den sie im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen hat. Dafür muss sie nun an jedem Tag gut drei Stunden für die Hin- und Rückfahrt einplanen. An der Musikwissenschaft interessiert die 21-Jährige, die bereits eine Gesangsausbildung hat und Klavier spielt, "dass man nach dem Abschluss überhaupt keinen vorgefertigten Beruf hat, wie wenn man etwa Medizin studieren würde. Man ist hier total frei." Nach ihrem Traumjob gefragt, denkt sie kurz nach: "Am liebsten eine Fernsehsendung über die verschiedenen Musikepochen."

Die erste Veranstaltung in Lehmanns Uni-Karriere ist das Propädeutikum "Einführung in das Studium der Musikwissenschaft". Auf dem Weg zum Hörsaal 302 des LMU-Hauptgebäudes meint sie lachend: "Das ist ja alles so groß hier."

Bernd Edelmann fordert die gut fünfzig Studenten seines Kurses dann auf, Referate "originell" anzugehen: Quizfragen, ein Vortrag mit verteilten Rollen oder eine Podiumsdiskussion - alles sei möglich, denn es gelte, den "fest gestampften Beton" (die Kommilitonen, also) aufzulösen. So ähnlich hören das wohl die meisten Münchner Studenten in diesen Tagen.

Später, nach einem kurzen Abstecher in den Lichthof des Hauptgebäudes, in dem die Begrüßungsparty für die Erstsemester läuft, reiht sich Dina Lehmann ein, um sich ihren LMU-Rucksack abzuholen. Das Begrüßungsgeschenk der Uni enthält neben nützlichen Büro-Utensilien auch - Vorsicht, Klischee! - eine 5-Minuten-Terrine.

Erst mal allen Verwaltungskram hinter sich bringen

Doch an Feiern oder Essen ist nicht zu denken: Dina Lehmann hat einen voll gepackten Nachmittag. Viele der Lehrveranstaltungen beginnen zwar erst in der nächsten Woche, doch sie will den Verwaltungskram so schnell wie möglich hinter sich bringen: Die nächste Warteschlange also, an deren Ende sich die junge Frau in Jeans und rotem Pulli anstellt, befindet sich in der Uni-Bibliothek.

Hier erhalten die neuen Studenten gegen Vorlage ihres Personal- und Studentenausweises, eine weiße Plastikkarte: Mit dieser können sie Bücher in der elektronischen Datenbank recherchieren und dann bestellen - für den Lesesaal oder zuhause.

Die neuen Musikwissenschaftsstudenten werde heute Nachmittag als praktische Aufgabe des institutsinternen Eignungstests im Kadenzspiel am Klavier geprüft: Auf dem Zettel am Sekretariat heißt es schlicht, dass die Studierenden einen "Zeugnis-Schein" mitbringen sollen.

Was das ist und wo man diesen bekommt? Dina Lehmann zuckt mit den Schultern - und fragt sich durch bis in ein Schreibwarengeschäft in der Amalienstraße, dass diese Teilnahmebestätigungen verkauft, die die Studenten einige Semester später bei der Anmeldung zur Zwischenprüfung wieder ausgraben und vorlegen müssen.

Dann fährt Dina Lehmann zum Marienplatz, will dort im MVG-Kundencenter ihren Antrag auf ein ermäßigtes Ticket abgeben. Doch der Weg war umsonst: Zuständig sei hier der Kundencenter in der Poccistraße oder am Starnberger Flügelbahnhof. Neuer Versuch, also.

Ihre Zeit an der LMU will die Studentin nicht nur in den Lehrveranstaltungen verbringen - ein Auslandssemester plant sie, ebenso hofft sie auf ein Praktikum an der Oper. Und sie will das Freizeitangebot der Universitäten nutzen: Für den Uni-Sport hat sie sich schon angemeldet - und nächste Woche will sie zur ersten Probe des Kammerchors gehen. "Es ist echt cool, wie viel hier angeboten wird."

© SZ vom 20.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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