Schwerste Verletzungen:Brandanschlag auf Prostituierte

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Mit dem Geld seines pflegebedürftigen Nachbarn wollte ein verwitweter Hausmeister Anja A. zur Hochzeit überreden. Sie lehnte ab - er setzte ihre Wohnung in Brand.

Alexander Krug

Sie ist für ihr Leben gebrandmarkt, und dies ist durchaus wörtlich zu nehmen. Ihre Beine sehen nach etlichen Hauttransplantationen aus "wie ein Stadtplan", sagt Anja A. (Name geändert) und bietet dem Gericht an, sich selbst ein Bild ihrer Verbrennungen zu machen.

"Aber der da soll es nicht sehen", fügt sie noch hinzu und deutet auf den nur wenige Meter entfernt sitzenden Angeklagten: "Er soll nicht sehen, dass er erreicht hat, was er wollte."

Anja A. ist 40 Jahre alt, trägt einen blauen Hosenanzug und hat demonstrativ mit dem Rücken zum Angeklagten auf dem Zeugenstuhl Platz genommen. Für sie ist Norbert W., 63, nur "der da", mehr als Verachtung hat sie für ihn nicht mehr übrig. Kennen gelernt haben sich der verwitwete Hausmeister Norbert W. und die Prostituierte Anja A. in einem Nachtclub.

"Er hatte faule Zähne und hat gestunken. Er hat mich angeekelt", sagt sie. Dass sie sich dennoch mit ihm eingelassen habe, sei nur "aus Mitleid" erfolgt. Im Laufe der Zeit habe Norbert W. jedoch angefangen, sie zu verfolgen und regelrecht zu terrorisieren. "Er hat schon um fünf Uhr morgens angerufen, er hat mich ständig beobachtet und vor der Wohnung abgefangen."

"Jetzt wird dich keiner mehr nehmen"

Monatelang sei dies so gegangen, "er wollte mich unbedingt heiraten". Sie habe ihm aber immer gesagt, dass sie ihn nicht liebe und nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle. Am 23.Mai vergangenen Jahres habe sie abends gehört, wie jemand die Tür zu ihrer Wohnung in der Westendstraße öffnete.

Es war Norbert W., der sich vermutlich einen Nachschlüssel angefertigt hatte. Ein Sperrriegel verhinderte jedoch, dass er die Tür ganz öffnen konnte, das rettete Anja A. wohl das Leben. Norbert W. ließ Benzin in die Wohnung laufen und entzündete es. "Ich schrie: Was machst du da? Er sagte nur, jetzt wird dich keiner mehr nehmen."

Anja A. erlitt schwerste Brandverletzungen an den Beinen. Das sich rasend schnell ausbreitende Feuer erfasste auch andere Wohnungen, zwei Nachbarinnen kamen mit schweren Rauchvergiftungen ins Krankenhaus. Die Anklage gegen Norbert W. lautet daher auf versuchten Mord in drei Fällen.

Der 63-Jährige gab am Mittwoch zu, dass er bei dem Anschlag Anja A. "mit in den Tod nehmen" wollte. Er habe sich "verarscht" und "ausgenommen" gefühlt, insgesamt will er rund 100.000 Euro für die Prostituierte ausgegeben haben.

Dies wiederum wird von der Zeugin heftig bestritten. "Der hat mit Geld nur so um sich geschmissen", sagt Anja A. Norbert W. habe sich in allen einschlägigen Etablissements der Stadt bewegt und mit seinem angeblichen Vermögen geprahlt. "Er hat sich aufgeführt wie ein König, wenn die Frauen um ihn herum waren."

Was der Angeklagte mit vollen Händen ausgab, war das Ersparte eines Nachbarn, den er pflegte und der ihm eine Kontovollmacht erteilt hatte. "Er hat nur gesagt, dass der ein Scheiß-Nazi ist", sagt Anja A. Ihre Narben präsentiert sie später dann doch noch, allerdings nur dem Rechtsmediziner in einem Nebenzimmer.

© SZ vom 5.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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