Schulen in der Region:Rudern und Ringen nach dem Schulbankdrücken

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So viele Anmeldungen wie noch nie: Sportvereine arbeiten mit Bildungseinrichtungen zusammen und alle Beteiligten profitieren davon

Michaela Straßmair

Sport nach der Schule kostenlos, ohne Vereinszwang und Leistungsdruck, aber mit ausgebildeten Trainern? Basketball, Rudern, Volleyball, Ringen, Eishockey, Skifahren, Fußball oder Tennis - Kooperationen von Schulen aus den Landkreisen mit örtlichen Sportvereinen sollen dem Bewegungsmangel der Schüler entgegenwirken und gezielt Talente fördern. Der Erfolg ist da.

Seit zehn Jahren läuft im Landkreis Fürstenfeldbruck das so genannte Sport-nach-1-Projekt mit Schulen und dem Germeringer Basketballverein, an dem sich seit drei Jahren auch vier Grundschulen beteiligen. Erstmalig bekommen in diesem Schuljahr auch die Erst- und Zweitklässler die Grundlagen des Ballspiels mit der Hand vermittelt - kindgerecht mit Frisbee-Scheiben, Jonglierbällen und Gleichgewichtsspielen. ,,Sogar im Fußballjahr haben wir mehr Anmeldungen als je zuvor, 200 Schüler machen mit'', freut sich der Germeringer Basketballtrainer Thomas Christl.

Für das wöchentliche Training stellen die Schulen die Turnhallen zur Verfügung, die Kosten für die Trainer übernimmt der Verein. Dieser profitiert jedoch von talentierten Schülern, die mehr trainieren wollen und in den Verein eintreten. ,,Unsere Mädchenmannschaft beispielsweise, die bei der Deutschen Meisterschaft sechste wurde, geht ausschließlich aus dem Kooperationsprojekt hervor'', erklärt Christl.

Mehr Sport gegen motorische Schwierigkeiten

Das Fördern des kindlichen Spieltriebs ist auch für Tennislehrer Sigi Urmann vom Anzinger Tennisclub Sepp Maier im Landkreis Ebersberg ein entscheidender Grund, warum er ,,die Pionierarbeit an Schulen mit viel Idealismus'' betreibt. Er bedauert, dass der Sportunterricht immer weiter reduziert werde, obwohl es heutzutage mehr Kinder mit motorischen Problemen gebe als je zuvor. ,,Die Kids hocken zu viel herum, nach der Schule am Computer oder Fernseher und leben ihren Bewegungsdrang nicht mehr aus'', fasst Urmann seine Erfahrungen aus mehr als drei Jahrzehnten Tennistraining zusammen.

Mit der Ausweitung des Nachmittagsunterrichts werde diese Fehlentwicklung noch forciert. Gut die Hälfte der Anzinger Erstklässler nimmt an den kostenlosen Tenniskursen nach dem Unterricht in der Turnhalle teil. Netze, Bälle und Schläger werden gestellt. Urmann weiß von etlichen Schulen, die Kapazitäten in ihren Turnhallen frei hätten, um ein ähnliches Sportprojekt zu starten. ,,Aber dort findet sich niemand, der das unentgeltlich macht.''

Nah am Ball

Diese Sorgen kennt das Förderzentrum für junge Fußballtalente (TAFI) in Markt Indersdorf im Landkreis Dachau nicht. 22 Sportlehrer und Fußballtrainer engagieren sich seit drei Jahren für den Nachwuchs in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Gymnasium, der Realschule, Hauptschule und drei Sportvereinen. Wer den sportlichen Eignungstest bei TAFI bestanden hat, kann und soll auf eine der drei Partnerschulen gehen.

Dort wird nach dem Unterricht trainiert, Schulbusse bringen die Fußballer nach Hause. Der Schulbesuch am Trainingsort soll nicht nur Vorteile für die Eltern bieten, die sich beispielsweise nicht um den Transport zum Training kümmern müssen. 140 kleine Kicker nehmen an dem Förderprogramm teil. Tendenz steigend.

Auch Mädchen sind vom Fußballfieber infiziert. ,,Bei TAFI läuft fast alles ehrenamtlich'', sagt Siegfried Frost, sportlicher Leiter des Zentrums. Die geringfügigen Fördermittel aus der Sport-nach-1-Finanzierung durch das bayerische Kultusministerium decken die Fahrtkosten der Trainer nur teilweise. Pikanterweise sieht Frost in dem überwältigenden ehrenamtlichen Engagement auch das drängende Problem des Fußballförderzentrums, mit dem sich vergleichbare staatlich geförderte Talentprojekte wie ,,Partnerschulen des Leistungssports'' nicht herumschlagen müssten.

Prominente helfen

Aufgrund des Schulsprengels und anfallender Gastschulbeiträge verweigerten Kommunalpolitiker dieses Schuljahr fünf Hauptschülern die Zustimmung, auf die TAFI-Hauptschule nach Markt Indersdorf zu gehen. ,,Die Anträge wurden abgelehnt, weil die Gemeinderäte ihre örtlichen Schulen und Vereine geschädigt sehen, wenn die Schüler in eine andere Gemeinde gehen'', schimpft Frost. Für ihn ein Politikum, das auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werde. Realschüler und Gymnasiasten sind davon nicht betroffen, da die weiterführenden Schulen dem Schulsprengel nicht unterliegen.

Mit prominenter Unterstützung durch Rainer Koch, den Präsidenten des Bayerischen Fußballverbandes aus Poing, und den CSU-Landtagsabgeordneten Blasius Thätter wandte sich Frost an das Kultusministerium. Erfolglos. Für den Nachwuchstrainer ein deutliches Zeichen: Ehrenamtliche Förderprojekte sollen nicht auf gleiche Ebene mit den viel teureren, staatlichen Talentförderprojekten gestellt werden. Den Kampf um die gleichen Entwicklungschancen für Kinder, die nicht im Einzugsbereich von Profivereinen oder Partnerschulen des Leistungssports wohnen, führt TAFI weiter. Notfalls vor Gericht. Zwei Petitionen seien bereits im Landtag eingereicht, erläutert Frost. Mitte Oktober stehen sie auf der Tagesordnung.

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