Schuhplatteln in München:Zwischen Hiphop und Lederhose

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Wer sich als Jugendlicher für Volksmusik und Schuhplatteln interessiert, bekommt schnell den Stempel "Bauerntrampel" aufgedrückt. Doch auch junge Leute, die sonst Rockmusik hören und E-Gitarre spielen, interessieren sich für das bayerische Brauchtum.

Caroline Hoffmann

Zuhause hören sie Rockmusik, spielen Volleyball oder E-Gitarre. Bayerische Volksmusik? "Das ist nicht unser Musikgeschmack." Doch jeden zweiten Sonntagnachmittag sitzen die Schwestern Lisa und Nina in einer Gaststätte am Mangfallplatz und tauschen Jeans und Pullover gegen grüne Dirndl mit karierten Schürzen. Es wird getanzt, gesungen und geplattelt. Natürlich, ganz traditionell, zur heimatlichen Volksmusik.

Ein breakdancender Schuhplattler? So etwas existiert noch nicht, aber vielleicht irgendwann in der Zukunft, wie hier bei einer Aufführung der Kammerspiele beim Theaterprojekt Bunnyhill 2. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Vor der Gaststätte ist an diesem Sonntagnachmittag nur wenig Betrieb. Einige Autos rauschen über die regennasse Straße, drei Jungs in weiten Jeans und Turnschuhen laufen vorbei. Drinnen könnte man meinen, sich in eine andere Welt verirrt zu haben. Grün leuchten die Dirndl und Lederhosen, hier und dort ragt ein Gamsbart in die Luft. "Eins und zwei und drei und vier und drehe rundherum. Außenfuß und Innenfuß und drehe rund herum", gibt Jugendleiterin Sieglinde Kaminsky auf dem Akkordeon den Takt vor. Neben ihr drehen sich fünf Paare im Kreis.

Eine riesengroße Familie

Ob alt oder jung, jeder schwingt beim 1920 gegründeten Trachtenverein D'Kranzbergler mit jedem das Tanzbein. Und genau das begeistert auch die Jugendlichen. "Das Miteinander ist schön. Jeder mag jeden", erklärt der 15-jährige Kevin.

Auch die 19-jährige Lisa kommt wegen der anderen Mitglieder zum Vereinsabend: "Wir sind wie eine riesengroße Familie. Ich bin wegen der Leute hier." Nur an den Holztischen mischt es sich weniger als auf dem Tanzparkett: Die Jugendlichen sitzen ein wenig abseits. Schließlich muss man mit den Erwachsenen ja auch nicht alles gemeinsam machen.

Für Brauchtumspflege interessieren sich durchaus viele junge Leute in Bayern: Von den rund 290.000 Mitgliedern des Bayerischen Trachtenverbands sind zirka ein Drittel Kinder und Jugendliche. "Einige Gebiete, gerade in Oberbayern, haben einen enormen Zulauf. Da geht das ganze Dorf in den Verein", sagt der Vorsitzende Otto Dufter.

In München sieht es mit der Nachfrage allerdings anders aus. Einige Münchner Trachtenvereine hätten keine Probleme, aber viele würden sich mit großen Nachwuchssorgen plagen, erklärt Andreas Schweiger aus dem Vorstand des Isargaus, zu dem auch die Münchner Vereine gehören. "Es gibt viele Ausweichmöglichkeiten, um sich in der Freizeit zu beschäftigen", begründet er den Nachwuchsmangel in der Großstadt.

D'Kranzbergler gehören nicht zu den Problemfällen. Dafür wird Nina, Lisa und den anderen Jugendlichen allerdings auch einiges geboten: Neben dem Tanzen und den Auftritten wird gekegelt, gezeltet und öfter mal ein Vergnügungspark besucht. Allein mit Brauchtum, kann die Jugendlichen wohl niemand mehr locken. "Ein bisserl ein Zuckerl" müsse man heutzutage eben bieten, bestätigt Sieglinde Kaminsky, die seit über 30 Jahren Jugendleiterin im Verein ist.

Natürlich ist der Hintergedanke mit im Spiel: "Wir möchten Freundschaften pflegen und gleichzeitig die Jugendlichen an den Verein binden." Und um den Einstieg noch ein wenig leichter zu machen, müssen die Kinder und Jugendlichen keine Vereinsgebühr zahlen und bekommen die Tracht erst einmal geliehen. Über 1500 Euro müssten sie sonst wohl für Bluse, Mieder, Rock und Schürze oder Lederhose und Weste zahlen.

"Klischee Bauerntrampel"

Jung und Mitglied im Trachtenverein - da wird man schnell in eine Schublade gesteckt: "Klischee Bauerntrampel", sagt die 19-jährige Lisa, die sich gerade auf ihr Abitur vorbereitet. Über solche Vorurteile lacht sie aber. "Wir sind Münchner Kindl und wollen das auch zeigen", sagt sie. Einen Gegensatz zu ihrem sonstigen Leben sehen sie und ihre Schwester in der Brauchtumspflege nicht.

Neben Volleyball, Fußball oder Rockmusik sei der Verein ihnen eben auch wichtig. "Ich bin stolz darauf, dass ich versuche, die bayerische Kultur beizubehalten", ergänzt Nina. Immer mehr Münchner würden zum Beispiel überhaupt kein Bairisch mehr sprechen. Im Freundeskreis ist ihr traditionelles Hobby akzeptiert, auch wenn die Freunde selber sich nicht dafür interessieren.

Der Saal beginnt sich langsam zu füllen: Etwa 40 Vereinsmitglieder sitzen an den Tischen, trinken ein Bier oder essen einen Schweinsbraten. Fast alle sind per Du und jeder Neuankömmling macht eine kurze Runde, um alle mit Handschlag zu begrüßen. Auf der Tanzfläche erklärt Hans Birnkammer, erster Vorplattler im Verein, dem jüngsten Kranzbergler die ersten Abläufe beim Platteln.

Der vierjährige Lukas schlägt sich begeistert auf die Schuhsohlen. "So haben wir alle mal angefangen", erinnert sich ein älterer Herr. Lukas' Mutter freut sich über den Eifer ihres Sohnes: "Er hat sich sofort heimisch hier gefühlt", erzählt die Ungarin, die selbst nicht Mitglied bei den Kranzberglern ist. Den Verein hatte sie über eine Arbeitskollegin kennen gelernt.

Belohnung fürs Werben

Um Nachwuchs aber auch neue ältere Mitglieder zu gewinnen, werben D'Kranzbergler nicht nur im Freundeskreis, sondern gehen ganz mit der Zeit. Ein Plakat hängt im S-Bahnhof Marienplatz, im Internet findet man einen Aufruf vorbeizuschauen, und vor kurzem gab es eine Aktion zur Freundschaftswerbung für die Jugendlichen.

Wer Freund oder Freundin motivieren konnte, längerfristig zu den Vereinsabenden zu kommen, erhielt eine Belohnung. "Eine Telefonkarte im Wert von 15 Euro", erzählt Sieglinde Kaminsky. Diese Werbung scheint bei den Kranzberglern gut zu funktionieren: 18 Kinder und junge Leute bis 26 Jahre, sind derzeit mit dabei. Sie stellen ein Drittel aller Mitglieder. Allerdings kommen die meisten doch über die Familie in den Verein. Nina und Lisa ebenso wie Kevin, der von seiner Oma mitgebracht wurde. Zu drei Großfamilien gehören derzeit rund ein Drittel aller Kranzbergler.

Nur drei junge Mitglieder

Für viele Münchner Trachtenvereine ist es typisch, stark auf Familienstrukturen aufgebaut zu sein. Problematisch wird es, wenn solche Vereinsfamilien überaltern oder der Nachwuchs sich einfach nicht für die Brauchtumspflege interessieren will. Bei den Berchtesgad'ner Landsleut München ist die Hälfte der 27 Mitglieder über 70 Jahre alt.

"Ich habe zur Zeit nur drei Jugendliche im Alter von 22, 25 und 26", sagt Christine Mäder, Vorstand des Vereins, "und das sind meine eigenen Kinder." Trotz der eigentlich beruhigenden Anzahl junger Leute, fürchten auch die Kranzbergler um ihren Nachwuchs.

"Oft lässt das Interesse bei jungen Erwachsenen nach", sagt Hans Birnkammer. Man habe derzeit fast keine Mitglieder im Alter wischen 20 und 40 Jahren. Das Berufsleben stelle seine Anforderungen und dann bleibe vielen keine Zeit mehr für den Verein. Ob die jungen Erwachsenen später, wenn sie Kinder hätten, wiederkämen, sei sehr ungewiss.

Zum Studieren möchten Nina und Lisa aus München weggehen, vielleicht sogar ins Ausland. Nach Bayern wollen sie aber später zurückkehren - gerne auch in den Verein. "Ich werde meine Kinder hierher bringen", sagt Lisa überzeugt. Innerhalb der Familie wird es also wohl in Zukunft Nachwuchs für die Kranzbergler geben.

Bei anderen Münchner Stadtbewohnern muss der Verein noch gegen Vorurteile kämpfen und Überzeugungsarbeit leisten, wie sich direkt vor der Gaststättentür zeigt. Vier Jugendliche hängen in der U-Bahnstation herum und spielen mit ihren Handys. Potentieller Nachwuchs? Lautes Gelächter ist zu hören. Für das Oktoberfest sei ein Dirndl ja ganz nett, aber sonst würden sie solche Kleidung nicht mögen. Und außerdem: "Wir stehen auf Hiphop und nicht auf so ein Zeug."

Weitere Informationen über die Trachtenvereine in München und Umgebung gibt es im Internet unter www.isargau.de und auf den Seiten des Kulturreferats unter www.muenchen.de.

© SZ vom 25.03.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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