Schüler contra Medienvertreter:Gute Migranten, schlechte Migranten

Lesezeit: 3 min

Über Migranten wird oft negativ berichtet. Deswegen hagelte es in München Vorwürfe gegen den Lokalchef der Bild-Zeitung und andere Medienvertreter. Nach den U-Bahn-Schlägereien geht die Debatte weiter.

Ferda Ataman

Auf dem Podium sitzt Moritz Stranghöner, Lokalchef der Münchner Bild-Zeitung, und schwitzt. Die Diskussion im Saal des Bayerischen Rundfunks ist ihm sichtlich unangenehm. Er meidet den Blick ins Publikum. "Der Hintergrund der Täter ist mir egal", sagt er, "aber die Jungs haben versucht, den alten Mann umzubringen, das muss man berichten." Gerade wurde er gefragt, warum seine Zeitung über die Münchner U-Bahn-Schläger im Dezember geschrieben hatte, dass es "ein Türke" und "ein Grieche" gewesen seien - schließlich waren die Täter in Deutschland aufgewachsen.

Bei dem Fall damals hatte eine Überwachungskamera aufgezeichnet, wie zwei Jugendliche brutal auf einen alten Mann einschlugen. Eine bundesweite Debatte über Jugendkriminalität wurde ausgelöst. Genauer gesagt, eine Debatte über aggressive Jugendliche mit Migrationshintergrund. "Die Wahrheit über kriminelle Ausländer", titelte Stranghöners Zeitung zu der Zeit.

"Wie seht ihr uns?!"

Rund 120 Schüler aus verschiedenen Münchner Schulen haben am Dienstag mit Medienvertretern darüber diskutiert, wie Jugendliche mit Migrationshintergrund in den Medien dargestellt werden. Initiiert wurde die Veranstaltung vom Bündnis für Demokratie und Toleranz unter dem Motto "Wie seht ihr uns?!". Neben München werden solche Veranstaltungen auch in anderen deutschen Großstädten stattfinden.

Diese Frage hatten viele Schüler anscheinend schon im Vorfeld für sich beantwortet: Die Realität, also eine Gesellschaft, zu der auch dunkelhäutige Deutsche mit fremdklingenden Namen gehören, wird in vielen Medien nicht gezeigt. Stattdessen klauen dort Polen, dealen Araber mit Drogen und die Türken, die prügeln eben, so wie im Fall der Münchner U-Bahn-Schläger. Über jugendliche Migranten werde in den Medien fast nur negativ berichtet. Deswegen hagelte es in München Vorwürfe gegen die Medienvertreter.

"Wenn Ihnen die Herkunft der Täter egal ist, warum schreiben Sie dann 'Türke schlägt Deutschen?'", fragt ein aufgebrachter Teenager. Bild-Mann Stranghöners Antwort ist lapidar: "Naja, weil es eben so war." Als Medienmacher müsse er "auch da hinschauen, wo es weh tut". Dennoch, die Jugendlichen bleiben dabei, die Berichterstattung sei zu einseitig: "Wenn deutsche Jugendliche kriminell werden, wird gleich erklärt, wieso der so geworden ist. Bei Türken nicht", schimpft ein Mädchen. Eine andere glaubt an einen Teufelskreis: "Man fühlt sich halt verletzt, wenn alle sagen 'die sind kriminell', und dann weiß man sich nicht anders zu wehren, als zu prügeln."

Der Prototyp des Ausländers hat sich geändert

Themawechsel. "Mich stört, dass ihr immer Bilder mit Kopftuchfrauen nehmt, wenn es um Integration geht", sagt ein Schüler. Robert Arsenschek vom Münchner Merkur nennt das eine handwerkliche "Zwickmühle" der Journalisten: Einerseits wolle seine Zeitung ein facettenreiches Bild der Einwanderer in Deutschland zeigen, "andererseits müssen wir ja auf den ersten Blick klarmachen, worum es bei dem Thema geht".

Sabine Schiffer vom Erlanger Institut für Medienverantwortung erklärt die Kopftuch-Bilder anders: "Die Protoypen für Ausländer haben sich geändert. Früher waren Italiener die Fremden, dann die Türken, heute stehen Muslime für das negative Ausländerbild." Man müsse in Deutschland endlich zu dem Gefühl kommen, "dass es normal ist, wie wir zusammenleben". Schiffers Lösungsvorschlag: Die Migranten müssen endlich raus aus den Nischenprogrammen und rein in die Massenmedien.

Medienmacher mit Migrationshintergrund sind Mangelware

Auch Ulrich Pätzold, Professor am Institut für Journalistik in Dortmund, glaubt an diese Formel. "Man kann das mit den USA vergleichen, dort müssen alle Redaktionen seit über zehn Jahren die ethnische Zusammensetzung ihrer Mitarbeiter offenlegen." Vor der Einführung von Quoten habe es jenseits vom Atlantik eine ähnliche Diskussion gegeben, wie heute bei uns. Inzwischen sei die Medienvielfalt in den USA "vorbildlich". Doch in Deutschland seien immer noch fast alle, die im Journalismus arbeiten, deutschstämmig. Man geht davon aus, dass etwa zwei Prozent der Medienmacher einen Migrationshintergrund haben - "wenn man das großzügig rechnet".

Die selektive Wahrnehmung der deutschdeutschen Journalisten hat laut Pätzold wirtschaftliche Auswirkungen: Die Medien - Fernsehen ebenso wie Printmedien - verlieren Konsumenten, weil immer mehr Migranten auf ethnische Medien ausweichen. "Wir bedienen viele Gruppen nicht hinreichend", so der Journalistik-Professor.

Das Experiment "Jugend geigt den Medien die Meinung" erhitzt inzwischen auf beiden Seiten die Gemüter. "Warum schreiben Sie nicht mal etwas darüber, wie wir von alten Leuten behandelt werden?", wirft ein südländisch aussehender Schüler den Journalisten auf dem Podium vor. Immer gehe es um die bösen Jugendlichen. "Aber ich werde voll oft blöd angemacht: 'So kannst du dich in der Heimat aufführen, aber nicht bei uns', sagen die." Dabei sei doch Deutschland seine Heimat. "Darüber solltet ihr mal was schreiben." Moritz Stranghöner von der Bild seufzt. Zum Glück muss er darauf nicht antworten.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: