Schrannenhalle:Die verzweigten Geschäfte des Klaus T.

Lesezeit: 7 min

Immer neue Schwierigkeiten beim Prestigeprojekt: Die Bank hält den dringend benötigten Kredit zurück und der Investor DBVI hat wirtschaftliche Probleme. Eine Spurensuche in zehn Kapiteln.

Von Felix Berth

(SZ vom 15.12.03) — Ein Name verspricht Sicherheit: "Deutsche Beamtenvorsorge Immobilienholding AG", kurz: DBVI. Jedes Wort vermittelt Seriosität: In dieser Firma sorgen vermutlich deutsche Beamte mit Immobilien für ihre Zukunft vor.

Modell des Kopfbaus der künftigen Schrannenhalle. (Foto: Foto: SZ)

Liest man noch, dass das Unternehmen aus der "Beamtenselbsthilfe in Bayern" hervorgegangen ist, klingt das, als habe das Unternehmen eine Tradition, die bis ins 19.Jahrhundert zurückreicht. Doch die schönen Assoziationen stimmen nicht. Denn Beamte haben mit der DBVI so viel zu tun wie alle anderen Menschen auch: Sie können in dem 1990 gegründeten Unternehmen ihr Geld investieren, mehr nicht. Der Mann hinter dieser Firma mit dem wohlklingenden Namen heißt Klaus Thannhuber.

Die Person (1)

Geboren am 4. August 1944, aufgewachsen in Straubing. Die Eltern haben ein Schuhhaus, der Sohn studiert und wird Diplom-Kaufmann. Weggefährten von damals beschreiben ihn als Mann mit großen Plänen: "Es musste immer der ganz große Wurf sein, den der Klaus realisieren wollte", sagt ein ehemaliger Freund, der ihn Anfang der siebziger Jahre kennen lernte. Thannhuber wirkt eloquent, sympathisch-bayerisch. Ein selbstsicherer und erfolgreicher Geschäftsmann, der als Bauträger mit kleinen Projekten begonnen und die DBVI zu einem Unternehmen mit Millionenumsatz gemacht hat.

Die Entscheidung

Die Stadt München hat Mitte der neunziger Jahre eine Idee und zugleich ein Problem: Sie besitzt das Stahlgerippe einer schönen Hallenkonstruktion. Die Stadträte wollen es wieder aufstellen lassen und wissen auch, wohin: An den Original-Standort neben dem Viktualienmarkt, wo die Halle im Jahr 1851 errichtet worden war. Nun könnte man annehmen, dass das, was vor 150 Jahren möglich war, auch heute einfach wäre: Eine Stahlkonstruktion braucht nur ein solides Fundament.

Vielleicht müsste man die Halle etwas modernisieren - aber das dürften Ingenieure und Baufirmen hinkriegen. Doch als die Diskussion im Stadtrat und in der Öffentlichkeit über die Errichtung der Halle beginnt, wollen es viele ein bisschen größer haben. Eine zweistöckige Tiefgarage bitteschön, dazu ein Wirtshaus im angrenzenden Freibank-Gebäude - die Wunschliste der Stadtpolitiker wird lang und länger.

Doch was der Stadtrat will, kostet dreißig Millionen Mark, rechnen die Beamten 1997 aus. Also sucht man einen privaten Investor. Doch die Zahl der Interessenten ist wegen der unsicheren Rendite überschaubar: Nur drei bewerben sich; den Zuschlag bekommt die Deutsche Beamtenvorsorge Immobilienholding AG des Klaus Thannhuber. Schon damals zweifeln Insider, ob die DBVI das Projekt finanzieren kann.

Die Verzögerung

Der Vertrag, den die DBVI im Jahr 1999 mit der Stadt schließt, sieht einen strikten Zeitplan vor. Der Aushub der Baugrube beginnt demnach spätestens am 1. Dezember 2000; zwei Jahre später muss die Halle stehen. Geschieht dies nicht, zahlt die DBVI zunächst harmlose Strafen: Pro Monat Verzögerung 5000 Euro. Nach zwölf Monaten wird sie aus dem Projekt hinausgeworfen, so der Vertrag.

Trotzdem wird der Baubeginn immer wieder verschoben. Mal trennt sich Thannhuber im Streit von seinem ersten Architekten, dann widerspricht die Stadtgestaltungskommission den Plänen des zweiten Architekten. Lange streitet Thannhuber mit der Stadt, wer die teure Sanierung des maroden Freibank-Gebäudes zahlen muss, dann wieder hält er die Zahl der von den Behörden vorgeschriebenen Toiletten für zu hoch - ständig gibt es Konflikte, die den Start verzögert. Die vorgesehenen Strafen muss die DBVI nicht zahlen: Die Stadt gewährt Aufschub, weil der Investor nicht für die Verzögerungen verantwortlich sei.

Die Frage ist nur: Will Thannhuber nicht bauen - oder kann er nicht, weil ihm das Geld fehlt? Im Sommer dieses Jahres scheint sich die Frage erledigt zu haben: Am 25. Juli 2003 ist Grundsteinlegung, und OB Christian Ude verneigt sich an diesem Tag vor Thannhuber: "Wir haben dem Investor zu danken, dass er privates Geld mobilisiert für ein Stück Denkmalschutz, für ein Stück Aufwertung der Altstadt, für die Wiederherstellung des historischen Stadtbildes." Der Bau beginnt.

Das Urteil

Das wichtigste Geschäftsfeld der DBVI ist der Immobilienmarkt: Der Konzern kauft und vermietet Immobilien im Auftrag von Anlegern, die ihr Geld in Aktien der DBVI investieren oder sich an einem der DBVI-Immoblienfonds beteiligen. Derzeit steckt der Konzern in der Krise. Im Geschäftsbericht für das Jahr 2002 schreiben die Wirtschaftsprüfer von einer "angespannten Liquiditätslage".

Der "Fortbestand der Gesellschaft" könne nur gelingen, wenn bis Ende 2004 mehrere Geldquellen sprudeln: Neues Kapital müsste aufgenommen, drei Immobilien müssten verkauft werden; außerdem seien neue, ertragsstarke Angebote für Anleger notwendig. Wobei zu beachten ist: Diese Einschätzung stammt nicht von Gegnern aus der Branche, sondern von jenen Wirtschaftsprüfern, die die offizielle Bilanz im Auftrag der DBVI untersucht haben.

"Sowas ist ein sehr lautes Alarmzeichen", kommentiert Martin Klingsporn vom DFI-Gerlach-Report, einem Fachblatt für Geldanleger. Entsprechend schlecht sind die ökonomischen Kennzahlen des Konzerns: Das Jahr 2002 schließt der Konzern mit einem Fehlbetrag von 15,7 Millionen ab. Auch der Cash-Flow, die Differenz zwischen laufenden Einnahmen und Ausgaben, ist negativ: minus 8,7 Millionen Euro. Eine der wenigen Wachstumspositionen in der Bilanz sind die Gehälter des Vorstands und der 15 Mitarbeiter: Sie steigen 2002 um zwanzig Prozent.

Die Immobilien-Krise (1)

Sechzehn Immobilien besitzt das verschachtelte Unternehmen DBVI; sieben davon in den neuen Bundesländern. Einige bringen Verluste. Die schwierigsten Objekte sind in Leipzig: Im "Famulushaus" stehen drei Viertel der Flächen leer. In der Immobilie "Grassistraße" sind knapp vierzig Prozent unvermietet. Aber auch das Schwabinger "Kurfürsten-Center", aus dem der Gong-Verlag ausgezogen ist, ist wegen Sanierung nur gut zur Hälfte vermietet.

Im Rechenschaftsbericht der Tochterfirma "Deutsche Beamtenvorsorge AG & Co. Deutschlandfonds KG" ist das Resultat nachzulesen: Die Einnahmen schrumpfen. Sie sanken in dieser Tochterfirma von 9,7 Millionen Euro (2001) auf 9,2 Millionen (2002). Ein Drittel davon stammt aus Mietgarantien - ein zusätzliches Problem. Denn ein "Mietgarant", die "Bayernland Wohn- und Gewerbebau GmbH" kann schon heute nicht mehr zahlen, wie die DBVI einräumt.

Die Person (2)

Thannhuber selbst hat es zurzeit auch nicht einfach. Da ist zum Beispiel das Ermittlungsverfahren, in dem ihm die Staatsanwaltschaft München I seit Juli2003 Insolvenzverschleppung vorwirft: Die Firma "Eureka Finanzanalyse und Vermögensplanung GmbH" wurde im Jahr 2001 mehrmals gepfändet und konnte nicht mehr zahlen. Thannhuber behauptet, dass er in dieser Firma nichts zu sagen hatte; jemand anderer sei Geschäftsführer gewesen.

Der Staatsanwalt sieht dies bislang nicht so: Er ist überzeugt, dass Thannhuber die Fäden in der Hand hielt. Faktisch habe Thannhuber die Geschäfte geführt und sei deshalb verpflichtet gewesen, Insolvenz anzumelden. Für Thannhuber vergleichsweise angenehm daran: Es geht nicht um große Summen - die Forderungen der Gläubiger gegen die Firma lagen nicht über hunderttausend Mark.

An dieser Stelle ist es angebracht, sich die Position Thannhubers im Unternehmen DBVI genauer anzusehen. Bis Ende 2002 war alles vergleichsweise übersichtlich: Thannhuber war Vorstandsvorsitzender der AG und Geschäftsführer diverser Tochterunternehmen. Doch dann kaufte er für mehrere Millionen Euro eine Bank, die Privatbank Reithinger in Singen. Dadurch war er Vorstandschef einer AG und gleichzeitig Inhaber der Bank, bei der die Aktiengesellschaft hohe Summen angelegt hatte. Es gab, so Thannhuber zur SZ, "immer wieder Diskussionen über mögliche Interessenkonflikte".

Thannhuber zog sich daraufhin offiziell aus der DBVI zurück und legte sein Vorstandsamt nieder. Bei der Tochterfirma "DBVI-Schrannenhalle GmbH & Co. KG" taucht er im Handelsregister noch auf - allerdings nur in einer untergeordneten Position. Für Kommunalreferentin Gabi Friderich bleibt er trotz dieser formal unwichtigen Rolle der wichtigste Verhandlungspartner: Was er sagt, gilt als Aussage des Investors. Seine Briefe an die Stadt schreibt Thannhuber zwar auf Briefpapier der DBVI, doch er unterzeichnet ohne Funktionsangabe, einfach mit "Klaus Thannhuber". Die Beamten der Stadt akzeptieren das.

Die Immobilien-Krise (2)

Wir erinnern uns: Die Wirtschaftsprüfer haben festgestellt, dass die DBVI Kapital braucht - und zwar schnell. Das Liquiditätsproblem ist nur zu lösen durch die "Aufnahme weiteren Eigen- und Fremdkapitals", die "Veräußerung der Immobilien" einer Tochtergesellschaft und "die Entwicklung und Vermarktung neuer ertragsstarker Produkte", schreiben sie in ihrem Vermerk zur Bilanz des Jahres 2002.

Ende 2003 ist davon nicht viel gelungen: Die drei zum Verkauf stehenden DBVI-Immobilien in München und Wiesbaden, darunter das Pacelli-Palais in der Georgenstraße, gehören der DBVI noch immer. Sie lassen sich derzeit nicht für die ersehnten zehn Millionen Euro verkaufen, obwohl Klaus Thannhuber dies auf der Hauptversammlung am 1.Oktober 2002 ankündigte: "Wir können wohl schon in Kürze positiven Vollzug melden", versprach er.

Neue, ertragsstarke Produkte hat der Konzern nach Angabe seines Pressesprechers Bernhard Maier derzeit ebenfalls nicht. Und die letzten Kapitalerhöhungen waren nicht üppig: Nach Angaben des Auskunftsdienstes Creditreform brachten sie im Jahr 2003 etwa 3,5 Millionen Euro. Ein Verlust von 15 Millionen wie im letzten Jahr lässt sich auf diese Weise nicht ausgleichen.

Der Kredit

Die Schrannenhalle ist kein billiges Projekt. Die DBVI rechnet nach eigenen Angaben inzwischen damit, dass sie 33Millionen Euro investieren muss. Laut Geschäftsbericht 2002 soll ein Viertel davon - also etwa acht Millionen - durch Eigenkapital erbracht werden; drei Viertel - etwa 25 Millionen - müssen per Bankkredit finanziert werden.

Tatsächlich fand sich im März 2001 eine Bank, die den Kredit zusagte: die Berlin-Hannoversche Hypothekenbank, eine Tochter der skandalgeplagten Berliner Bankgesellschaft. Im Vertrag, der von Thannhuber unterzeichnet ist und der der SZ vorliegt, hat die Bank zahlreiche Hürden eingebaut. Unter anderem muss die DBVI vor Auszahlung der 25 Kredit-Millionen nachweisen, dass sie einen Eigenkapital-Anteil von acht Millionen Euro erbracht und die Gaststätte in der ehemaligen Freibank vermietet hat.

Die Kredit-Millionen der Bank liegen also noch immer gesperrt auf einem Treuhandkonto, wie auch Klaus Thannhuber einräumt. Trotzdem verbreitet er Zuversicht: Das Eigenkapital für das Projekt sei "vorhanden und zusätzlich besichert", so Thannhuber zur SZ. Nur "extrem kalte Witterung" im bevor stehenden Winter könne den Bau verzögern.

Die Zahlungen

Kann die DBVI das Projekt Schrannenhalle finanzieren? Zwei Baufirmen, die am Aushub der Grube beteiligt waren, sind zufrieden: Bisher wurden alle Rechnungen bezahlt. Die Stadt hat andere Erfahrungen. Im Auftrag der DBVI verlagerte sie alle Versorgungsleitungen, die auf dem Grundstück durch das Erdreich liefen. Kosten: 1,5Millionen Euro. Seitdem verhandeln die Juristen der Stadt mit Thannhuber - sie haben nach Angaben des Kommunalreferats noch keinen Cent gesehen.

Thannhubers Begründung: Im Erbbaurechtsvertrag sei dies so festgelegt. Die Stadt hält dies für eine seltsame Interpretation. Schließlich sei die DBVI laut Vertragstext verpflichtet, diese Bauarbeiten "auf ihre Rechnung durchführen zu lassen." Ein Rechtsstreit könne "mit Aussicht auf Erfolg geführt werden", heißt es in einem internen Papier.

Noch halten die Chefs des Kommunalreferats an ihrem Partner fest. Mahnschreiben oder gar eine Klage hat Thannhuber noch nicht bekommen. Stadtdirektor Axel Markwardt sagte letzte Woche zur SZ: "Soweit wir sehen, läuft auf der Baustelle alles gut."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: