Schadensersatz bei Irrtum:Das Finanzamt muss blechen

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Werden TV-Geräte oder Computer von Staatsanwälten oder Steuerfahndern fälschlicherweise beschlagnahmt, hat man Anspruch auf Schadensersatz.

Ekkehard Müller-Jentsch

Staatsanwälte oder Steuerfahnder sind zumeist schwer bepackt, wenn sie nach oft stundenlangen Hausdurchsuchungen wieder gehen: Oft nehmen sie dann Computer und anderes elektronisches Gerät mit, das im Rahmen der jeweiligen Ermittlungsverfahren beschlagnahmt wurde.

Wem zu Unrecht der Laptop beschlagnahmt wurde, hat Recht auf Schadensersatz. (Foto: Foto: Schellnegger)

Wer zu Unrecht verdächtigt worden ist, will natürlich Schadensersatz für die Wochen und Monate, in denen er auf seine Geräte verzichten und deswegen zumeist Ersatz beschaffen musste. Derartige Amtshaftungsansprüche können allerdings zu sehr mühsamen Wegen durch die Gerichtsinstanzen werden, wie zwei aktuelle Fälle zeigen.

Zweieinhalb Jahre lang wartet eine Münchnerin schon darauf, dass die Finanzbehörde ihr den Fernseher, die Stereoanlage und ein Funktelefon zurück gibt. Diese Gegenstände waren fälschlicherweise im Rahmen eines Steuer-Ermittlungsverfahrens von Finanzbeamten aus der Wohnung mitgenommen worden. Schon im August 2007 hatte das Amtsgericht München diese Beschlagnahmung für unzulässig erklärt. Als die Frau ihr Eigentum dann zurück haben wollte, teilte ihr die Finanzbehörde lapidar mit, sie könne ihre Sachen abholen.

So geht das nicht, stellte am Donnerstag das Oberlandesgericht München fest: Die Behörde hätte "die Folgen der rechtswidrigen Pfändung beseitigen" und spätestens bis Anfang September 2007 die Geräte zurückbringen müssen.

Weil das Fernsehgerät zu den Lebensgütern gehört, "deren ständige Verfügbarkeit für die Lebenshaltung von zentraler Bedeutung ist", stehen der Frau außerdem noch monatlich 40 Euro Schadensersatz zu, da sie ein Ersatzgerät mieten musste, urteilte das Gericht.

TV-Geräte seien nun einmal für viele Menschen die zentrale Informationsquelle, "die ihnen insbesondere die Teilnahme am demokratischen Meinungsbildungsprozess und die Mitsprache im sozialen Umfeld ermöglicht". Das Finanzamt muss also die Gerätschaften jetzt nicht nur frei Haus liefern, sondern obendrein noch 1200 Euro bezahlen (Aktenzeichen:1U5045/09).

Gute Chancen, ihren Amtshaftungsprozess zu gewinnen, dürfte auch eine Münchner Harz-IV-Empfängerin haben, bei der im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwalt einen Tischcomputer und ein Laptop beschlagnahmt hatte. Als die Ermittlungen nach drei Monaten auf richterliche Anordnung eingestellt wurden, bekam sie die Geräte zwar zurück. Aber sie verlangte auch eine Entschädigung. Als diese verweigert wurde, wollte sie gegen den Staat prozessieren und beantragte dazu Prozesskostenhilfe. Das Landgericht MünchenI wies diesen Antrag wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurück.

Das Oberlandesgericht München beurteilt den Fall nun aber anders. "Angesichts der zunehmenden Bedeutung, die die Nutzung eines Computers in Privathaushalten hat, hält es der Senat zumindest für diskutabel, dass die ständige Verfügbarkeit eines solchen Gerätes mittlerweile zum notwendigen Lebensbedarf gehört", stellte das Gericht am Donnerstag fest. Maßgebliche Aspekte sind für die Richter hierbei nicht nur der hohe Grad der Verbreitung, sondern auch die ständig zunehmende Internet-Nutzung im privaten Alltag - "sei es zur Informationsbeschaffung, zur Kommunikation, zur Abwicklung von Geschäften oder als Unterhaltungsmedium".

Das Gericht schätzt die Chancen der Frau hoch ein, ihren Amtshaftungsprozess gegen den Freistaat zu gewinnen und billigt ihr deshalb die Prozesskostenhilfe zu. Allerdings kommt nach Auffassung des Gerichts nur eine Entschädigung für einen internetfähigen PC in Frage. Nach Meinung des Senats hätte die Frau voraussichtlich das Recht gehabt, sich für die 77 Tage dauernde Beschlagnahme ein Leihgerät für 2,30 Euro am Tag zu mieten (Az.:1 W 2689/09).

© SZ vom 23.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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