Sammlung des Alinari-Archivs:Italien, wie es sich selber sieht

Lesezeit: 2 min

Das oft zitierte Bild von München als nördlichster Stadt Italiens bekommt zur Zeit eine völlig neue Bedeutung: Gleich drei Ausstellungen haben sich mit dem Sehnsuchtsziel jenseits der Alpen befasst. Von Birgit Lutz-Temsch

Aber eben nicht nur mit Klischees rund um gelato, Vespa und amore, sondern auch mit den dunklen Seiten des sonnigen Landes.

Tanzende, 1947. (Foto: Foto: Vincenzo Balocchi, "Appasionatamente", Fratelli Alinari Museum)

Zum ersten Mal in Deutschland: Gerade erst ging "Il Canto Sospeso" im Gasteig zu Ende, die grafische Umsetzung von Kompositionen Luigi Nonos, in denen er Abschiedsbriefe europäischer Widerstandskämpfer vertonte.

Dokumentation der Rettung

Den ganzen Februar über war in der Seidlvilla "Partigiani" zur Geschichte der italienischen Widerstandskämpfer zu sehen. Noch bis 15. April zeigt das Bayerische Staatsarchiv "Die Kinder der Villa Emma in Nonantola", eine Dokumentation der Rettung von 73 jüdischen Kindern durch die Bewohner der norditalienischen Stadt Nonantola.

Und schon beginnt die nächste Schau: Im Marmorsaal der Bayerischen Staatsbibliothek wird heute die Ausstellung "Italien, ein einmaliges Land" mit Fotografien von den Jahren 1900 bis 2000 aus dem Florentiner Archiv Alinari eröffnet.

Mit etwa 150 ausgesuchten Bildern will die Sammlung in Zusammenarbeit mit dem italienischen Generalkonsulat die Geschichte Italiens im 20.Jahrhundert unter Berücksichtigung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Veränderungen illustrieren. Alinari ist eines der ältesten Fotoarchive der Welt. 1852 in Florenz gegründet, hat sich das heute in mehrere Bereiche verzweigte Unternehmen von Beginn an die Bewahrung der italienischen Lichtbildkunst zur Aufgabe gemacht.

Tour durch die Welt

Die in München gezeigten Bilder sind bereits seit vier Jahren auf Tour durch die ganze Welt und nun zum ersten Mal in Deutschland zu sehen. Die Fotografien sind mehreren Themen zugeordnet, wie Natur und Landarbeit, alte Dörfer, Mittelmeer, Krieg und "Neue Weltordnung". Momentaufnahmen und Inszenierungen zeigen Alltagsszenen, Architektur- und Landschaftsbilder.

Doch dabei folgt die Ausstellung ihrem Titel "Ein einmaliges Land" vor allem insofern, als die meisten Aufnahmen Idyllen zeigen, in denen die unschönere Realität ausgespart bleibt.

Gemessen am Anspruch, 100 Jahre Geschichte Italiens zeigen zu wollen, wirkt die präsentierte Auswahl der Bilder beliebig, stellenweise sogar wie aus einer Werbebroschüre entnommen, die Italien als interessantes Reiseland oder kompetenten Geschäftspartner darstellen soll.

Manche Fotos, wie zum Beispiel eine Aufnahme der Arena von Verona, werden tatsächlich von Touristikverbänden zu Werbezwecken verwendet, wie den Hinweisen im Katalog zu entnehmen ist.

Heikle Kapitel fehlen

Was dagegen weitgehend fehlt, sind Betrachtungen der heiklen Kapitel der italienischen Geschichte. Beim Kapitel "Neue Weltordnung" etwa kommt nicht die Thematisierung des Terrors der Roten Brigaden, nicht die Entführung und Ermordung des Politikers Aldo Moro vor.

Bilder der Mafia, die unbestreitbar ein Teil der italienischen Geschichte ist, fehlen zwar nicht in der Ausstellung, wohl aber im englischsprachigen Katalog - vielleicht, um aus Image-Gründen doch nicht zu weit von der Vorstellung mediterraner Glückseligkeit abzuschweifen. Zumal die Ausstellung zu Anfang der Tour von Telecom Italia und Alitalia unterstützt wurde.

Erschöpfter Mut

Einige Bilder, die weniger schöne Seiten Italiens zeigen, finden sich dennoch in der Schau: unter "Spuren des Menschen" etwa Umweltzerstörungen, unter "Fernen Ländern entgegen" Aufnahmen von Flüchtlingsströmen aus Italien nach Amerika und aus Albanien nach Italien. Doch es scheint, als sei damit der Mut der Kuratoren, die Schau um Abbilder kontroverser Themen zu bereichern, bereits erschöpft.

Für Italien-Liebhaber ist die Ausstellung allemal sehenswert. Wer jedoch mehr über die Geschichte des Landes lernen will, sollte auch die anderen Schauen besuchen. (Eröffnung Dienstag um 18 Uhr, Ausstellung von 3. bis 31. März.)

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: