S-Bahn-Chaos:Das permanente Ärgernis

Lesezeit: 3 min

Warum gibt es dauernd Verspätungen? Wird es bald besser? Zehn Fragen, die Fahrgäste immer wieder stellen.

(SZ vom 19.12.2001) Warum gibt es so viele Verspätungen?Weil in der Innenstadt sämtliche Züge dieselbe Strecke benutzen, bringen schon kleine Störungen das gesamte System aus dem Takt. Bis sich das Chaos dann wieder entwirrt hat, vergehen manchmal Stunden. Neuralgische Stellen sind vor allem Kreuzungspunkte, die kaum über Kapazitätsreserven für verspätete Züge verfügen. Dieses Problem besteht auch auf den Außenästen, auf denen der Fern-, Regional- und Güterverkehr mitrollt.

Fahrgäste warten im Nebel auf die Weiterfahrt der Starnberger S-Bahn. (Foto: N/A)

Warum werden die Fahrgäste so nachlässig über Verspätungen informiert?Das liegt vor allem an der veralteten Organisationsstruktur der Bahn. Lautsprecherdurchsagen an den Stationen sind Sache der Fahrdienstleiter - und davon gibt es im Bereich der S-Bahn mehr als 30. Deren wichtigste Aufgabe ist es, die Züge über die Schienen zu lotsen - gerade bei Verspätungen bleibt oft keine Zeit für die Fahrgast-Information. Zentral gesteuerte Durchsagen sind bislang nicht möglich - die Technik an den Haltestellen ist 30 Jahre alt. Wenn der Lokführer schweigt, handelt es sich laut Bahn meist um ein "menschliches Problem" - die notwendigen Informationen seien in den Zügen vorhanden.

Welche Sofortmaßnahmen gegen das aktuelle Chaos hat die Bahn parat?In der Diskussion sind Änderungen bei der störanfälligen S7 - möglicherweise werden der Ast Richtung Kreuzstraße und die Strecke nach Wolfratshausen wieder getrennt. Zudem sollen zum 1. Januar vier neue Planstellen geschaffen werden - im Aufgabenbereich Fahrgastinformation.

Was tut der zuständige Minister Otto Wiesheu gegen die Misere?Wegen mangelnder Pünktlichkeit wurde in den vergangenen Jahr deutlich weniger Geld für den S-Bahn-Betrieb bezahlt als eigentlich vereinbart - im Jahr 2000 hat der Freistaat insgesamt 15 Millionen Mark einbehalten. Zudem spielt das Thema eine zentrale Rolle bei den laufenden Verhandlungen für eine Verlängerung des Verkehrsdurchführungsvertrags, der die DB mit dem S-Bahn-Betrieb betraut.

Ist eine baldige Besserung der Situation in Sicht?Leider nicht. Viele Störungen sind eine direkte Folge des in Schwung gekommenen S-Bahn-Ausbaus, etwa auf Höhe Giesing (S2/S7). Die Arbeiten müssen bei laufendem Betrieb durchgeführt werden: eine "Durststrecke", damit es später besser wird. Im nächsten Jahr beginnt die signaltechnische Ertüchtigung der Stammstrecke - das dürfte ganz erhebliche Probleme mit sich bringen.

Warum gibt es vor allem im Herbst immer wieder Verspätungen?Das liegt insbesondere an der Witterung, der die S-Bahn doch deutlich stärker ausgesetzt ist als die U-Bahn. Oft zwingt glitschiges Herbstlaub auf den Gleisen die Lokführer zum Langsamfahren. Dass Züge ins Rutschen geraten, ließe sich durch den Einbau der so genannten Magnetschienenbremse verhindern - eines Elektromagneten, der den Zug ans Gleis "saugt". Diese Einrichtung, über die etwa Straßenbahnen oder der ICE verfügt, ist aus wirtschaftlichen Gründen weder in den alten noch in den neuen S-Bahn-Zügen installiert - und auch nicht vorgeschrieben. Schnee und Eis sind weniger ein Problem - die Züge sind sehr schwer. Man hält das auf wenige Wochen beschränkte Problem für überschaubar.

Warum funktioniert der S-Bahn-Verkehr in anderen Städten reibungsloser?Viele S-Bahn-Systeme verfügen über ein eigenes Schienennetz - in Berlin ist sogar eine separate Stromversorgung installiert. Dadurch sind Konflikte mit dem Fern- und Regionalverkehr ausgeschlossen. Ein der Münchner Stammstrecke vergleichbares Nadelöhr muss man lange suchen - in den meisten Städten gibt es Umfahrungsmöglichkeiten.

Welche Verbesserungen sind für die Zukunft geplant?2004/2005 sollen S2, S5 und S8 für den Zehn-Minuten-Takt ausgebaut sein - davon profitiert auch die Zuverlässigkeit. Danach stehen S4 und S6-Ost auf der Prioritätenliste. Eine wirklich einschneidende Verbesserung wird aber erst der zweite Tunnel bringen, dessen Planungs- und Bauzeit auf 12 bis 15 Jahre geschätzt wird. Fernziel ist ein separates Schienennetz für die S-Bahn.

Warum sind auf vielen Linien noch die alten Züge unterwegs?Die Waggonbauindustrie kann nur nach und nach liefern. Von insgesamt 144 bestellten Zügen rollen aber schon mehr als 120. Für das Gesamtnetz reicht die Bestellung nicht aus - benötigt werden 234 (Kurz-)Züge. Über die Finanzierung der noch fehlenden Waggons wurde lange zwischen Bahn und Freistaat verhandelt - mit Erfolg: Demnächst soll die Bestellung herausgehen.

Welche Rolle spielen die Züge bei den Verspätungen?Keine allzu große. Zwar gibt die Bahn zu, dass die alten Waggons etwas pannenanfälliger sind - meist kommt die Störung aber "von außen". Typische S-Bahn-Schwachpunkte sind die Türen - ein Problem, das sogar bei den neuen Waggons auftritt: Mehrere Türsteuergeräte mussten schon ausgetauscht werden.Seitdem, so die Bahn, läufts.

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: