Russell Crowe:Der sanfte Gladiator

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Charmante und kunstvolle Plauderei: Oscar-Gewinner Russell Crowe im Bayerischen Hof, wo er seinen neuen Film "A good year" vorstellte.

Anne Goebel

Man muss ja permanent auf der Hut sein bei Presseterminen mit echten Hollywood-Größen. Sitze ich richtig, oder gibt es einen geheimen Raum, wo der Star mit handverlesenen Reportern längst über seine letzten zehn Affären plaudert? Zum Photocall anstellen, weil sich der Gast womöglich daneben benimmt und alles im Eklat endet, oder lieber rechtzeitig den Platz im Interviewsaal besetzen?

Russell Crowe in München zur Vorstellung des Filmes "Ein gutes Jahr". (Foto: Foto: SZ/Hess)

Im Fall von Russell Crowe am Mittwochmittag beginnt erstmal alles mit einer Verspätung. Mr.Crowe hat den Oscar gewonnen, aber er ist kein Präsident, also hat Wladimir Putin Vorfahrt.

Der Bayerische Hof steht unter Polizeibeobachtung, Hubschrauber kreisen, am Flughafen läuft es am Tag eines Staatsbesuchs auch für den "Gladiator"-Darsteller nicht ganz glatt.

Als er schließlich den Clubraum des Bayerischen Hofs betritt, angedeuteter Laufschritt, Jeans, marineblaue Fleecejacke, sieht es ganz danach aus, als würde das der entspanntere Termin im Vergleich zum Wirtschaftsgipfel im selben Haus mit dem von Sicherheitsleuten abgeschirmten Kremlchef.

Der Australier Russell Crowe ist in München, um seinen neuen Film "Ein gutes Jahr" vorzustellen. Abends wird es einen Cocktailempfang geben, Black tie, Society-Gästeliste, beim Journalistentreff gibt sich der Schauspieler mit Hang zu kolossalen Rollen ungezwungen.

"A good year" handelt von einem arbeitssüchtigen Broker, der auf einem südfranzösischen Weingut exzellente Jahrgänge, sinnliche Frauen, überhaupt das Leben zu schätzen lernt. "Man kann den Film leicht nehmen", gibt Crowe zu, aber wer sich gerade die Frage stelle, was zählt im Leben, bekomme die Antwort: nicht Geld und Macht.

Das sagt sich leicht, wenn man schwindelerregende Filmgagen verdient, aber der 42-Jährige ist offenkundig bemüht, mit einer Sympathie-Offensive das Image vom Rabauken zu glätten. "Alles, was für mich zählt, sind meine Frau und meine zwei Babys", lässt der Hollywoodstar wissen.

Parliert über australische Weinlagen, schwärmt von Almodóvar, von seiner Freundschaft mit Ridley Scott, der den aktuellen Film inszeniert hat. Womöglich war es die Milde der mediterranen Landschaft, die aus dem als unbeherrscht geltenden Charakterdarsteller einen geduldigen Plauderer gemacht hat.

"Die Provence ist bekannt für ihre Fruchtbarkeit", sagt er. Und, nach einer Kunstpause: "Jedenfalls wurde mein zweiter Sohn dort gezeugt." Volle Charme-Punktzahl, sowas nennt man sanft im Abgang. Am Ende, im Autogramm-Gedrängel, läuft Crowe einem ohnehin wie betäubt entschwebenden Fan nach, um ihr den Stift zurückzubringen. Entweder, er ist einfach sympathisch. Oder er kann's perfekt.

© SZ vom 12.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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