Rollstuhlbasketball:Bundesliga als Trainingszentrum

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Es geht auch darum, Spielpraxis für die Paralympics in Tokio zu sammeln: Johanna Welin (li.) im Bundesligaspiel der Igaunas München gegen Rahden. (Foto: Claus Schunk)

Nach langem Zögern sind die Bundesliga-Rollstuhlbasketballer der München Iguanas doch noch in ihre Saison gestartet - obwohl diese für sie kaum noch einen sportlichen Wert hat. Sie wollen zugleich ihren Paralympics-Kandidaten Spielpraxis geben.

Von Thomas Jensen, München

Es war eine doppelt neue Situation, als Sebastian Magenheim am Samstag Fragen am Absperrband zum Pressebereich beantwortete. Zum einen war es für ihn der erste derartige Auftritt als neuer Trainer der Münchner Rollstuhlbasketballer. Zum anderen existierte am Samstag beim Spiel gegen Rahden das erste Mal überhaupt eine Pressezone in der Säbener Halle.

Vielerorts sind diese Konzepte schon Gewohnheit, für die RBB München Iguanas war es allerdings das erste Heimspiel unter Pandemiebedingungen. Denn als die Rollstuhlbasketball-Bundesliga im Oktober begann, setzten die Münchner vorerst aus. Am 16. Januar gaben sie in Hamburg dann ihr Comeback in der Liga, das sie wie das Spiel gegen Rahden deutlich verloren.

Nach einer neunmonatigen Pause war dieser Start nicht unerwartet. Der sportliche Wert und auch die Folgen einer Niederlage sind in dieser Spielzeit ohne Absteiger jedoch gemindert. Neben den Iguanas sind auch die Baskets Hamburg und BBC Münsterland erst im neuen Jahr in die Saison eingestiegen. Die bisher ausgefallenen Begegnungen der drei Mannschaften werden nicht nachgeholt, sieben Partien bleiben den Leguanen noch, um den unrühmlichen letzten Platz abzugeben.

Trainer Magenheim erläuterte nach dem Spiel, warum sich die Leguane überhaupt dazu entschieden haben, den Rest der Saison zu bestreiten: "Im Dezember kam das Hygienekonzept der Liga, auch mit der Verpflichtung, dass es wöchentliche Corona-Tests gibt, für alle Spieler, Coaches und Helfer. Da haben wir uns einigermaßen sicher gefühlt. Vorher war ja alles offen und unstrukturiert."

Die Uneinheitlichkeit in der Liga durch fehlende Vorgaben des Verbandes, die die Iguanas im Herbst noch kritisiert hatten, sehen sie somit behoben. Auch haben sie inzwischen die Gewissheit, dass sie als Bundesligamannschaft zum Profisport zählen und spielen dürfen. Obwohl keiner ihrer Spieler Geld mit dem Sport verdient und als Profi im herkömmlichen Sinn bezeichnet werden kann.

Es gibt jedoch auch sportliche Gründe für den Wiedereinstieg, wie ihr Trainer ausführte: "Zwei Sachen sind wichtig: Zum einen unsere Olympioniken, dass die Spielpraxis sammeln können und nicht im Sommer zum Nationaltrainer sagen müssen, dass sie gerne mitgehen würden, aber im letzten Jahr eigentlich nicht gespielt haben. Zum anderen die Spielerentwicklung, da nehmen wir jetzt einfach ein paar Live-Testspiele mit."

Laura Fürst möchte keine Lungenkrankheit riskieren - und nimmt deshalb trotz ihrer Ambitionen für die Spiele in Tokio nicht an den Bundesliga-Partien teil

Mit Spielerentwicklung meint der 32-Jährige seine jüngeren beziehungsweise unerfahrenen Akteure. Kapitän Kim Robins, Johanna Welin und Laura Fürst hingegen sind die Drei, die Ambitionen haben, im Sommer zu den Paralympischen Spielen nach Tokio zu reisen. Letztere nimmt dennoch nicht an den Bundesliga-Partien teil und trainiert ausschließlich individuell. Auf sie verzichten zu müssen, sei für die Mannschaft jedoch keine Überraschung, erklärte Fürst am Freitag kurz vor ihrem Einzeltraining: "Die Entscheidung, dass ich nicht dabei bin, falls die Mannschaft spielt, ist eigentlich schon im Sommer gefallen. Da habe ich mich nicht wohl gefühlt, was auch nicht mit irgendwelchen Zahlen zusammenhängt, sondern einfach ein Gefühl ist."

Der Grund, dass sie "etwas vorsichtiger ist als andere", wie sie es selbst bezeichnet, ist ihre inkomplette Querschnittslähmung: "Der Querschnitt ist eigentlich nicht das Problem. Aber da er ziemlich hoch sitzt, habe ich schon bei normalem Husten etwas mehr Probleme und möchte daher lieber keine Lungenkrankheit haben." Ihr Aussetzen habe sie zudem mit Bundestrainer Martin Otto abgesprochen. Die Olympiateilnahme bleibt das Ziel, falls die Umstände bis dahin ein besseres Gefühl ermöglichen.

Die Spielpraxis wird ihr trotzdem fehlen, denn sie könnte gerade in der diesjährigen Olympiavorbereitung besonders wichtig sein, wie der Australier Kim Robins spekuliert: "Vermutlich wird es vor Olympia nicht so viele Spiele mit der Nationalmannschaft geben. Für mich ist es daher superwichtig, spielen zu können, denn zu trainieren, ohne es im Spiel umzusetzen, ist etwas komplett anderes."

Am liebsten würde er mit Team Australien im Sommer zu den besten vier Teams gehören. Ähnliche Ambitionen dürften auch Fürst und Welin haben, die mit der deutschen Damennationalmannschaft regelmäßig um die Medaillenränge spielen. Einen Vorgeschmack auf dieses Niveau erfahren Welin und Robins schon am kommenden Samstag, wenn die Iguanas beim aktuell zweitplatzierten Rekordmeister RSV Lahn-Dill gastieren. In dessen Kader sind einige hochkarätige Nationalspieler engagiert.

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