Richtfest Schrannenhalle:In der Schaltzentrale der Schranne

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Macher, Manager und Maler arbeiten am Wiederaufbau der Schrannenhalle und ihrem Marktkonzept. "Innovativ-trendy" und "bayerisch-traditionell" soll das Angebot einmal sein. Also: eine Ergänzung des Viktualienmarkts - keine Kopie.

Von Alfred Dürr

Etwas mehr als ein Jahr nach der Grundsteinlegung für den Wiederaufbau der historischen Schrannenhalle am Viktualienmarkt wird am Freitag im Rahmen eines Festakts der Richtkranz am Rohbau der bedeutsamen Eisen-Glas-Konstruktion aufgehängt. Eröffnung der Halle - die mit einer Mischung aus Gastronomie, traditioneller Handwerkskunst und Kultur ein nostalgisch-modernes Marktkonzept anbieten will - soll im Mai 2005 sein.

Später steht hier einmal die Schrannenhalle. Der Architekt dokumentiert auf einem Aquarell den Aufbau. (Foto: Foto: dpa)

Der zweistöckige Info-Pavillon, der seit kurzem am Viktualienmarkt beim ehemaligen Freibank-Gebäude steht, ist die Schaltzentrale für die Schrannenhallen-Macher: Vermarkter, Planer und Baumenschen arbeiten hier gemeinsam an einem großen Tisch im ersten Stock, um ein das Projekt Realität werden zu lassen. Im Container herrscht Hochbetrieb.

Interessenten für einen Marktstand in der Halle melden sich; andauernd wird telefoniert und in den Computer getippt. Aber auch Bürger schauen vorbei, die unbedingt wissen wollen, wann denn nun der Viktualienmarkt in die Schranne umzieht.

Da bekommt Jürgen Lochbihler von der Münchner Schrannenhalle GmbH kurz die Krise: "Wir machen keinen überdachten Viktualienmarkt, unser Konzept ist anders!" Von "innovativ-trendy" bis "bayerisch-traditionell" soll das Angebotsspektrum reichen. Also: Eine Ergänzung und keine Kopie des Viktualienmarkts wird die Schranne sein.

Pralinen-, Nudel- und Bonbonmacher sind schon da

Bei dem Gastronomieexperten Lochbihler, der auch Erfahrung mit Hallenkultur hat, laufen zur Zeit alle Fäden zusammen. "Ich bin hier eine Art Hausmeister", umschreibt er seinen Job. Über 60 Prozent der Fläche seien bereits fest vergeben; etwa 20 Stände in der Halle könnten noch gemietet werden. "Der Pralinenmacher ist da, der Hutmacher noch nicht. Der Nudelmacher ist da, die Milchbar auch, Wein aus Südafrika ebenfalls, ja da hinten, der Bonbonmacher ist auch fest gebucht..."

Ein Reishändler - der steht auf der Wunschliste des Projektmanagers ganz oben: "Einer, der 30 Säcke mit jeweils völlig unterschiedlichen Sorten vor sich stehen hat und der die Kunden berät, welcher Reis zu welchem Gericht am besten passt." Bisher hat sich allerdings dieser Reis-Profi noch nicht gemeldet.

Lochbihler will die "kreative Mischung", mit dem Schwerpunkt auf Markt und Handwerk, ergänzt durch eine "abwechslungsreiche Gastronomielandschaft". Dazu kommen Events und kulturelle Veranstaltungen mit Künstlern verschiedener Stilrichtungen. Eine flexible Innenraumgestaltung ist möglich - aus Teilen der Hallenfläche kann schnell eine Bühne werden.

Der Countdown läuft - noch rund 200 Tage sind es bis zur geplanten Eröffnung im Mai. Acht von 12 Achsen der Schrannenhalle stehen inzwischen. Unmittelbar nach dem Richtfest beginne man den modern gestalteten südlichen Kopfbau (Architekten Garbe und Garbe) über der Garagenzufahrt hochzuziehen, erläutert Bauleiter Markus Schliffenbacher.

Auch in Taipeh für Weltrekord-Wolkenkratzer verantwortlich

Dann geht es auch gleich an die Fassadenverkleidung mit Glas. Dafür hat die Firma Josef Gartner GmbH aus dem bayerischen Gundelfingen den Auftrag erhalten. Dasselbe Unternehmen übrigens, das auch für die Haut des 508 Meter hohen Weltrekord-Wolkenkratzers in Taipeh auf Taiwan verantwortlich ist.

Im denkmalgeschützten Freibank-Gebäude am Viktualienmarkt, das schon früher als nördlicher Kopfbau für die ursprüngliche Schrannenhalle diente und das in ein Wirtshaus umgebaut wird, ist die schwierige Fundament-Sanierung abgeschlossen. "Wir haben weder Setzungen noch Hebungen, das Haus steht wieder stabil", so Schliffenbacher. Das alte Dach ist gerade abgebrochen worden. Bis das neue kommt, behilft man sich mit einem Provisorium über den Winter.

Schliffenbacher ist sowohl ein Hallen-Profi als auch ein Spezialist für schwierige Altbausanierungen. Den Bau der gewaltigen Lufthansa-Wartungshalle am Flughafen (mit Platz für sechs Jumbos) und die Renovierung eines Blocks in der Theatinerstraße hat er unter anderem begleitet.

Die Schrannenhalle sei für ihn aber eine besondere Herausforderung: absolut beengte Bauverhältnisse mitten in der Stadt, ein Neubau mit drei Untergeschossen unter der Schranne, die Sanierung der Freibank und ein neuer Kopfbau mit drei Stockwerken.

Und vor allem die filigrane Stahlkonstruktion der historischen Halle! Das sich hier so gut ein Teil an das andere fügt, liegt an der Präzisionsarbeit der österreichischen Stahlbaufirma Oberhofer. Einen Namen hat sie sich mit dem Sanieren historischer Stahlbrücken gemacht.

Nach den Regeln des Denkmalschutzes

Juniorchef Alexander Oberhofer ist stolz, am Bau der Schranne mitwirken zu können: "Ein ganz außergewöhnlicher Auftrag." Alle Teile wurden zuerst von München nach Saalfelden transportiert und dort in einer eigens angemieteten Halle nach den Regeln des Denkmalschutzes renoviert. Dann kamen sie zurück nach München auf die Baustelle.

Die ersten gusseisernen Grundpfeiler mit ihren aufwändig verzierten Kapitellen trafen am 20. September ein. Dabei war ein Kamerateam mit der Journalistin Dagmar Werther. Sie macht im Auftrag des Schrannen-Investors den Film zum Bau und hat bereits alle Schritte bei der Wiederaufstellung der Halle aufgezeichnet.

Auch die kritischen Stimmen zum Projekt kommen vor. "Eine herkömmliche Fotodokumentation reicht bei einem solch spektakulären Projekt nicht aus, das kann man nur im Film festhalten", sagt Dagmar Werther.

Schon zwanzig Aquarelle gemalt

Einen anderen Ansatz hat der Architekt und Maler Jürgen Meyer-Andreaus. Er hat schon 20 Aquarelle vom Bau der Schranne gemalt. Zwei Klappstühle hat er dabei. Auf dem einen sitzt er, auf dem anderen liegt sein Malbrett. Rund vier Stunden braucht er, dann ist er fertig: "Am meisten fasziniert mich die strenge grafische Gestaltung des Skelettbaus."

Und wer um die Baustelle geht, kann einen anderen Zaungast begegnen: dem Architekten Volker Hütsch. Er hat vor 26 Jahren die Teile der Halle entdeckt, die bei den Stadtwerken 50 Jahre lang ein tristes Inkognito-Dasein fristeten.

1851 hatte man entlang der Blumenstraße mit dem Bau der Halle begonnen. Von 1914 an wurde Teile der Halle demontiert, außerdem zerstörte ein Großfeuer einen Abschnitt. Übrig blieb nur ein Fragment.

Die Leichtigkeit dieser Konstruktion begeistert Hütsch. Wenn er ins Schwärmen über die Halle gerät, hört man auch Skepsis durch. Die neue alte Schranne wird den Erfordernissen eines Konsumtempels der modernen Zeit angepasst. "Hoffentlich verliert sie dabei nicht ihren Charakter", sagt Hütsch.

© SZ vom 15.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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