Rentner-Abzocke auf Kaffeefahrten:Eine Busfahrt, die ist listig

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Sie suchen Abwechslung - und gehen mit überteuerten Bratpfannen und Magnetfelddecken nach Hause: Senioren werden immer häufiger bei Kaffeefahrten abgezockt, die Behörden sind machtlos. Die Polizei schult nun Beamte, wie sie illegale Fahrten auflösen können - ist aber auf "gewiefte Senioren" angewiesen.

Corinna Anton

Dass er wirklich etwas gewinnen würde, hat Heiner Schmidt nicht geglaubt. Aber er war einsam und wollte etwas erleben, deshalb fuhr er mit. Als er am Abend wieder nach Hause kam, hatte er 500 Euro ausgegeben. Für einen ganzen Karton voll mit Nahrungsergänzungsmitteln, die angeblich vorbeugend gegen alle möglichen Alterserscheinungen helfen sollten.

Viele Senioren fahren bei Kaffeefahrten mit, um was zu erleben - und sind dann leicht schon mal 500 Euro für eher zweifelhafte Ware los. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Der Versuch, die Ware zurückzugeben, scheiterte, weil Schmidt nirgendwo eine Adresse des Veranstalters finden konnte. Das Geld ist weg. Heiner Schmidt schämt sich ein wenig, dass er sich so hat aufs Kreuz legen lassen, weswegen er seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Wie diesem Münchner Rentner geht es vielen, die sich auf eine sogenannte Kaffeefahrt einlassen: Mit einer bunten Einladung werden sie in einen Bus gelockt, der sie an einen abgelegenen Ort bringt. Sie bekommen dort ein kostenloses Mittagessen und müssen dafür eine Veranstaltung über sich ergehen lassen, bei der alle Register der Verkaufspsychologie gezogen werden. Am Ende kaufen sie maßlos überteuerte Bratpfannen, Magnetfelddecken oder Demenzmittel von zweifelhafter Qualität.

Zwar führt die Polizei keine Statistik, in der bayernweit die Betrugsfälle im Zusammenhang mit Kaffeefahrten erfasst werden, allerdings sei die Zahl der "strafrechtlich relevanten Veranstaltungen" in letzter Zeit angestiegen, berichtete der Münchner Generalstaatsanwalt Christoph Strötz beim Verbraucherforum "Kaffeefahrten, Gewinnmitteilungen und Co", zu dem die CSU-Fraktion kürzlich in den Landtag eingeladen hatte.

Genauere Zahlen nannte dort Ute Mowitz-Rudolph, Geschäftsführerin des Verbraucher Service Bayern: Im vergangenen Jahr registrierte der Verbraucher Service rund 2700 Anfragen zum Thema, in den meisten Fällen von hochbetagten Menschen, die bei einer Kaffeefahrt betrogen worden waren. Anlässlich einer "Aktion gegen unseriöse Gewinnmitteilungen" sind beim Verbraucher Service rund 3000 Rückmeldungen von Betroffenen eingegangen - innerhalb von sechs Wochen.

Nur sehr selten, sagte Mowitz-Rudolph, hätten Betroffene eine Chance, das Geld zurückzubekommen, das sie etwa für Reisen im Voraus bezahlt hatten, die dann nie stattfanden, da die Veranstalter oft keine Adresse hinterließen und nach der Kaffeefahrt kaum zu erreichen seien.

"Wie will ich ein Postfach verklagen", antwortete Otto Höffmann auf die Frage nach der Einklagbarkeit von versprochenen Gewinnen. Höffmann vertritt als Rechtsanwalt auch Veranstalter von Kaffeefahrten. Seiner Ansicht nach gibt es durchaus "schwarze Schafe" in der Branche, allerdings wies er auch auf die "soziale Funktion" der Fahrten hin: "Von mehreren Hunderttausenden, die an solchen Fahrten teilnehmen, sind 80 Prozent Wiederholer."

Ein älterer Herr im Publikum, der allein sitzt, flüsterte dazu nickend: "Ja, das stimmt, das ist ein Tag, an dem ich was erlebe, deswegen fahre ich mit."

Ingo Schwarz vom Gewerbeamt in Freising kann davon nur abraten. Weil die Verkaufsveranstaltungen als sogenannte "Wanderlager" beim jeweiligen Landratsamt angemeldet werden müssen, es aber meist nicht sind, haben er und seine Mitarbeiter eine Chance, Kaffeefahrten aufzulösen, wenn sie von den Teilnehmern informiert werden.

Schwarz schleust aber auch Mitarbeiter ein, die Beweise sichern sollen - und sie tun das mit einer beeindruckenden Erfolgsquote: Alle Veranstaltungen, die seine Leute bisher beobachtet haben, waren illegal, berichtet Schwarz.

Die Bürger stehen also keineswegs allein da - wenn sie die Behörden im richtigen Moment alarmieren. So wurde beispielsweise vor wenigen Wochen in einer Gaststätte im Landkreis Miesbach eine Veranstaltung von der örtlichen Polizei abgebrochen. Die geschlossenen Kaufverträge in Höhe von teils mehreren tausend Euro wurden storniert und gegen den Veranstalter aus Oldenburg ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Ordnungswidrigkeiten eingeleitet.

Allerdings sei es oftmals eine Personalfrage, wie die Behörden gegen die Organisatoren vorgingen, erklärte Stefan Jaworek vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd in Rosenheim. "Wir sind gerade dabei, alle Kollegen zu schulen, damit sie wissen, wie sie eine illegale Kaffeefahrt auflösen können."

Wilhelm Schmidbauer, Präsident des Polizeipräsidiums München, ergänzte: "Dazu braucht man aber auch gewiefte Senioren, die sich nicht von den Versprechen blenden lassen, sondern genau dokumentieren, was in der Veranstaltung gesagt wurde, und die nach Namen und Adressen fragen."

Heiner Schmidt will sich diese Tipps zu Herzen nehmen. Gerade war wieder eine Gewinnmitteilung mit einer Einladung in seinem Briefkasten. Ob er mitfahren soll, überlegt er noch. Einmal hat er schließlich schon wirklich etwas gewonnen, bei einem Gewinnspiel.

© SZ vom 29.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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